Cyberama von Thomas Vasek: Markt der Liebe

Warum Flirt-Apps wie Tinder ein Segen sein können.

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Partnersuche kann anstrengend sein. Man muss wildfremde Menschen ansprechen, mit ihnen flirten, eine Abfuhr riskieren. Mit der App "Tinder" geht das viel einfacher. Man bastelt sich ein halbwegs vorteilhaftes Profil und bekommt dann auf dem Handy passende Partner präsentiert, aus denen man per Fingerwisch auswählt. Das ist Marktwirtschaft pur. Der Wirtschafts-Nobelpreisträger Gary Becker hat die Liebe einmal unter ökonomischen Aspekten untersucht. Nach seiner Theorie entscheiden wir uns für einen Partner, wenn der zu erwartende Nutzen größer ist als die Kosten. Aus dieser Sicht reduzieren Apps wie Tinder die "Transaktionskosten" bei der Partnersuche, zugleich führen sie zu einer effi zienten "Allokation". Mit anderen Worten: Jeder findet mit wenig Aufwand den passenden Partner. Das klingt ziemlich unromantisch. Der französische Philosoph Alain Badiou meint, solche Partnerplattformen eliminierten die "Kontingenz", also den Zufall, den die Liebe brauche. Wer seinen Partner auf Basis eines Algorithmus auswähle, der begebe sich der Chance, den anderen erst mal kennenzulernen, sich wirklich auf ihn einzulassen. Das kann man allerdings auch anders sehen. Vermutlich finden übers Internet viele Menschen einen Partner, die auf dem "analogen" Markt kaum eine Chance hätten. Umgekehrt stellen wir in der "analogen" Liebeswelt oft erst viel zu spät fest, dass der Partner eigentlich gar nicht zu uns passt. Einerseits finde ich es scheußlich, dass der Markt mit seinen Effi zienzkriterien in unsere intimsten Bereiche eindringt, dass die Wirtschaft jetzt auch die Liebe korrumpiert. Andererseits glaube ich, dass die digitale Flirtökonomie viele Menschen ziemlich glücklich macht. Auf dem Markt der Liebe kann Tinder eben ziemlich effizient sein.

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