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Glücklich alt werden: Forscher entschlüsseln das Altern

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Von Norbert Regitnig-Tillian

Innsbruck im Herbst. Ein Sonnentag. Die Stadt am Inn wärmt sich noch einmal auf. Andrea Taferner bekommt davon gerade nichts mit. Die Biologiestudentin arbeitet im Forschungsinstitut für Biomedizinische Alternsforschung der Universität Innsbruck an ihrer Dissertation. Im Keller des Instituts, in einem Raum, in dem es konstant 20 Grad hat, sieht sie durch das Mikroskop einem gerade einmal ein Millimeter langen Wurm zu, der sich in seiner Petrischale schlängelt. Es ist der Fadenwurm Caenorhabditis elegans, ein Lieblingstier der Alternsforscher. Tausende Versuche wurden mit seinen Artgenossen schon gemacht. Er wurde auf Hungerkuren gesetzt, mit Medikamenten gefüttert und mit Gentechnik in alle möglichen Richtungen manipuliert. Wild lebende Würmer werden bloß ein paar Tage alt. Manipulierte Labortiere erreichen die zehnfache Lebensspanne. Anhand eines bestimmten Enzyms will die angehende Molekularbiologin untersuchen, wie der Alterungsprozess bei dem Wurm genau abläuft. Ob man daraus ein lebensverlängerndes Medikament machen kann? Man wird sehen, meint die Studentin und lacht.
Wer wissen will, was man gegen das Altern tun kann, bekommt sehr schnell sehr viele Antworten – vorläufige Antworten. Mehr als 300 Theorien gibt es über das Altern, und weltweit arbeiten Hunderte Forschergruppen daran, dessen Geheimnis zu entschlüsseln. Zumindest eines scheint mittlerweile klar: Dass das Altern unbeeinflussbar ist und die maximale Lebensspanne in Stein gemeißelt, ist falsch. Und wenn es nach Visionären geht, wird es schon bald Pillen geben, die das Alter hinauszögern, und Technologien, mit denen man auch die Lebensspanne des Menschen extrem verlängern kann.

+++ Häufige Fragen und Mythen zum Thema Altern. Und was wirklich stimmt +++

Zwei Stockwerke höher blinzeln Sonnenstrahlen in das Büro von Pidder Jansen-Dürr. Der Molekularbiologe trägt einen Vollbart. Das gibt ihm einen strengen Blick – und jenem Alter, das er theoretisch für den Menschen erreichbar hält, ein besonderes Gewicht. „800 Jahre sind jenes Alter, auf das man kommt, wenn man die Erweiterung der Lebensspanne von Labortieren auf den Menschen überträgt“, sagt Dürr. „Noch fehlen zwar konkrete Techniken, wie man das beim Menschen anwenden kann. Aber eine absolute Spanne scheint es nicht zu geben.“

„Altern lässt sich verlangsamen”
Jansen-Dürr ist kein Utopist. Er legt nur die empirischen Daten der Alternsforschung auf den Menschen um. Denn das Dogma von der strikt begrenzten Lebenszeit für jede Art ist längst gefallen. „Altern ist ein optionaler Bestandteil des Lebens und lässt sich verlangsamen oder hinausschieben“, sagt auch der Evolutionsbiologe Michael Rose. Er hat dazu mit dem zweiten Lieblingstier der Alternsforscher gearbeitet: mit Fruchtfliegen. 1981 begann er mit einem eindrucksvollen Experiment: In jeder Fliegengeneration durften nur aus jenen Eiern Larven schlüpfen, die besonders betagte Fliegenmütter gegen Ende ihres Lebens gelegt hatten. Nach 15 Generationen lebten die Insekten um 20 Prozent länger als die erste Generation. Heute, nach mehr als dreißig Jahren permanenter Auslese, werden die Fliegen bereits drei Mal so alt wie ihre Vorfahren.

Prinzipiell könnte das auch für den Menschen gelten. „Auf dem Altern liegt kein Evolutionsdruck“, erklärt die deutsche Evolutionstheoretikerin Annette Baudisch. „Die Evolution hat die Organismen für ihre Reproduktionsfähigkeit optimiert. Was danach passiert, ist der Evolution im Prinzip egal.“ Altern findet sozusagen im Schatten der Evolution statt, und evolutionstheoretisch stellt es kein Problem dar, wenn Individuen nach ihrer Reproduktionsphase noch lange weiterleben. Im Grunde können sie auch die „biologische Unsterblichkeit“ erreichen, meint Rose. Dieser Fall träte ein, wenn man den Alterstod besiegen könnte. Durch Krankheiten, Unfälle oder Naturkatastrophen würden Individuen zwar weiterhin sterben, aber der körperliche Verfall wäre gestoppt.

Visionäre wie der britische Biogerontologe Aubrey de Grey glauben, dass man nicht mehr weit davon entfernt ist. Das Enfant terrible der Anti-Aging Szene sieht die Forschung bereits kurz vor dem Durchbruch. „Die ersten Unsterblichen sind schon unter uns“, prophezeit der 50-Jährige mit dem Methusalembart und schlägt für die Erzielung ewiger Jugend eine kombinierte Gen- und Stammzellentherapien vor, mit der schadhafte Zellen ausgetauscht oder repariert werden könnten ...

Lesen Sie die Titelgeschichte von Norbert Regitnig-Tillian im aktuellen profil wissen (4/2013) oder als e-Paper (www.profil.at/epaper)!

Lesen Sie außerdem im neuen profil wissen: Mit Nachdruck versuchen Forscher zu entschlüsseln, warum der Mensch altert – und wie man diesen Prozess bremsen oder sogar stoppen könnte.