"Dafür gibt es nur die Löschen-Taste"

Klement Tockner: "Dafür gibt es nur die Löschen-Taste"

Klement Tockner, Präsident des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), über das Randphänomen „Fake Science“ und gesellschaftliche Gefahren durch die aktuelle Skandalisierung.

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profil: Deutschsprachige Medien berichten über unseriöse wissenschaftliche Journale und Kongresse unter dem Stichwort "Fake Science". Klingt schlimm, nicht? Tockner: "Fake Science" ist genau wie "Fake News" ein Begriff, der in die Irre führt und die Arbeit von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern wie auch Medien pauschal diskreditiert. Die Begriffe zielen darauf ab, zuerst die Medien und dann die Wissenschaft, also zwei zentrale Säulen einer aufgeklärten Gesellschaft, zu unterminieren. Indem man das unreflektiert übernimmt, unterstützt man diese Intention. profil: Wie groß ist das Problem mit unseriösen Journalen und Konferenzen in Österreich? Tockner: Beim FWF ist es ein absolutes Randphänomen. Wir haben uns aus Anlass der aktuellen Berichterstattung angesehen, wie oft von uns geförderte Forscher in Raubjournalen publizierten. Es gab dort seit 2016 keine einzige Veröffentlichung, die vom FWF finanziert wurde. Diese Journale haben keine Sichtbarkeit in der Forschungsgemeinschaft und keinen Einfluss auf andere Studien.

Fällt man doch auf solche Angebote herein, wird man ganz klar missbraucht.

profil: Sind solche Veröffentlichungen trotzdem karrierefördernd? Tockner: Im Gegenteil, jedes seriöse Forschungsinstitut würde es negativ auslegen, wenn man in solchen Zeitschriften publiziert. profil: Können nicht auch gute Wissenschafter auf dubiose Verleger hereinfallen? Tockner: Ich selbst bekomme mindestens einmal in der Woche Anfragen, entweder dem Editorial Board solch einer Zeitschrift beizutreten oder bei einer dieser Konferenzen als Keynote-Sprecher dabei zu sein. Für mich gibt es hier nur die Löschen-Taste. Fällt man doch auf solche Angebote herein, wird man ganz klar missbraucht. Davor ist man leider nie ganz gefeit. profil: Fake heißt ja Fälschung und Schwindel, hier geht es aber eher darum, dass man quasi auf Wissenschafts-Spam hereinfällt, oder? Tockner: Genau. Aber das passiert nur einem sehr geringen Anteil der Forscher. Tragisch ist nur, dass man hier die oft öffentlich finanzierte Arbeit von Forschern und die Open-Science-Idee in ganz schändlicher Form finanziell ausbeutet.

Es gibt in Österreich nur sehr wenige solcher Fälle.

profil: Ist das ein neues Phänomen? Tockner: Nein, das gibt es schon lange. Eines der bekanntesten Beispiele ist, dass der Tabakindustrie nahestehende Institutionen vor einigen Jahrzehnten Pseudojournale herausbrachten, um durch wissenschaftsähnliche Formate die seriösen Forschungsergebnisse zu den Gefahren des Rauchens in Zweifel zu ziehen. profil: Was passiert, wenn ein Forscher im Rahmen eines vom FWF geförderten Projekts in einem Raubjournal publiziert? Tockner: Wenn es sich um wissenschaftliches Fehlverhalten handelt, der Forscher oder die Forscherin also zum Beispiel gefälschte Daten präsentiert, würden wir das sofort an die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität weiterleiten, und dann gäbe es Sanktionsmöglichkeiten wie Sperren bei Anträgen auf Projektförderung oder finanzielle Rückforderungen. profil: Nimmt durch den hohen Leistungsdruck eigentlich das wissenschaftliche Fehlverhalten zu? Tockner: Nein, und es gibt in Österreich nur sehr wenige solcher Fälle. Wissenschaftliches Fehlverhalten schadet nicht nur massiv der Wissenschaft, sondern bedeutet praktisch auch das Ende einer wissenschaftlichen Laufbahn.

Interview: Alwin Schönberger

Alwin   Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft