Große Mars-Expedition mit österreichischer Beteiligung

Unter österreichischer Beteiligung wird derzeit die nächste große Expedition zum Mars geplant. Ziel der Mission, die kommendes Jahr startet: die Suche nach Spuren von Leben, Vorbereitungen für eine Besiedelung durch den Menschen und erstmals das Sammeln von Gestein, das später zur Erde verfrachtet werden soll.

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Es ist eine unwirtliche, lebensfeindliche Gegend: Wüsten und schroffe Felsformationen erstrecken sich bis zum Horizont, heiße Quellen spucken saures und salziges Wasser, aus dem Boden dampfen schwefelhaltige Gase, und die Landschaft ist geprägt von Jahrtausenden vulkanischer Aktivität. Unter Wissenschaftern gilt die Danakil-Senke im Nordosten Äthiopiens, die teils 125 Meter unter dem Meeresspiegel liegt, dennoch als Traumziel. Denn hier, an der Grenze zu Eritrea, wo bis zu 50 Grad Celsius herrschen, können sie zum Beispiel studieren, unter welch harschen Bedingungen manche Mikroorganismen existieren – unter extremen Gegebenheiten, die an wesentlich ungemütlichere Planeten wie den Mars erinnern.

Österreichische Mitwentwickler

Der Vergleich mit dem Roten Planeten ist nicht willkürlich gewählt: Danakil dient als Mars-Analog-Umgebung, in der man gleichsam am Trockendock verschiedene Etappen eines Raumfahrtabenteuers testen kann. Ende voriger Woche ist der Wiener Geologe und Kosmochemiker Christian Köberl in die Region gereist. Gemeinsam mit internationalen Kollegen will er bei dem Probelauf herausfinden, wie Forschung auf dem Mars ablaufen und welche Erkenntnisse man gewinnen könnte. Köberl, Spezialist für Meteoritenkrater und zudem Generaldirektor des Wiener Naturhistorischen Museums, hat Steine mitgebracht, die durch Asteroideneinschläge zerrüttet wurden. Solche Brocken zeigen typische Muster von Meteoritentreffern, etwa sogenannte Strahlenkegel, und in Äthiopien will man nun unter anderem prüfen, wie gut solche Signaturen im freien Gelände mit neu entwickelter Software zu identifizieren sind – mit Systemen, die von Visualisierungsspezialisten am Grazer Forschungszentrum Joanneum Research mitentwickelt wurden. Eine der Fragen lautet somit: Ist die Technologie präzise und ausgereift genug, um bei einer echten Mars-Mission aussagekräftige Spuren im Gestein zu entdecken? Dann nämlich müsste ein mit Kameras bestückter Roboter derlei Untersuchungen alleine anstellen, und kein Mensch könnte ihm, mehr als 200 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, beispringen, wenn die Bilder nichts taugen.

Im Video: Leben am Mars

Eine ambitionierte Mars-Mission ist momentan tatsächlich in Vorbereitung, und genau dies erklärt den beschwerlichen Trip nach Äthiopien: Köberl ist Mitglied eines Science-Teams der NASA, das unter dem Titel „Mars 2020“ den nächsten großen Ausflug zu dem Himmelskörper austüftelt. Über zwei Milliarden Euro fließen in die Mission, die im Sommer kommenden Jahres in Cape Canaveral in Florida im Schlepptau einer Atlas-Rakete starten und ein gutes halbes Jahr später den Mars erreichen soll. Herzstück ist ein Rover, ein sechsrädriges geländegängiges Fahrzeug, das rund eine Tonne wiegt und zumindest für die Dauer eines Marsjahres (687 Erdentage; der Mars braucht für einen Umlauf um die Sonne etwa doppelt so lange wie die Erde) die Oberfläche unseres Nachbarplaneten erkunden soll.

Der Rover wird mit wissenschaftlichen Instrumenten vollgepackt sein, die Namen tragen wie Moxie, Pixl, Sherloc, Meda und Rimfax. Es handelt sich um die typischen, bei Wissenschaftern äußerst beliebten Abkürzungen für Gerätebezeichnungen: Moxie steht beispielsweise für „Mars Oxygen Isru Experiment“, Pixl für „Planetary Instrument for X-ray Lithochemistry“. Sherloc bedeutet „Scanning Habitable Environments with Raman & Luminiscence for Organics and Chemicals“, während Rimfax vollständig „Radar Imager for Mars’ Subsurface Experiment“ und Meda „Mars Environmental Dynamics Analyzer“ heißt. Von den Grazer Forschern stammt die Auswertungssoftware für eine Innovation namens Mastcam-Z: ein Kamerasystem mit Zoomfunktion, das auch bei der Bestimmung von Oberflächengesteinen hilft. Zugleich können Panoramabilder geschossen werden, während andere Instrumente mittels Laser-, UV- oder Röntgenstrahlen mineralogische Profile erstellen. Sinn des Geräteparks ist wie bei allen Marsmissionen die Vermessung, Erfassung und Analyse des Planeten nach dem modernsten Stand der Technik.

Gezielte Sammlung von Marsgestein

Eine Besonderheit an Bord des Rovers sind 42 kleine Röhrchen, knapp 15 Zentimeter lang und zwei Zentimeter im Durchmesser. In ihnen sollen Material- und Gesteinsproben landen, die ein Roboterarm aus dem Boden kratzt, bohrt und stanzt. Plan der Wissenschafter ist es, all diese eingesammelten Trümmer und Brösel zur Erde zu bringen – erstmals würde damit Marsgestein für weitere Untersuchungen gezielt und unter kontrollierten Bedingungen in irdische Labors verfrachtet. Bisher verfügen Astronomen und Geologen lediglich über Steinbrocken, die wahllos vom Mars abgesprengt und nach langem Schlingerkurs durchs All als kleine Meteoriten herabgestürzt sind. Nun jedoch sollen die Proben mit Bedacht ausgesucht, in den Röhrchen sorgsam verwahrt und dadurch vor äußeren Einflüssen wie Kontamination geschützt werden, die sie beschädigen oder spätere Messungen verfälschen und Daten unbrauchbar machen könnten.

Bis die Forscher die Chance zum Laborstudium erhalten, müssen sie sich allerdings in Geduld fassen: Denn vorerst, mit der nun geplanten Mission, können die Marssplitter nicht zur Erde reisen. Erst eine spätere, noch nicht geplante Mission soll den interplanetaren Transport bewerkstelligen, was Jahre oder gar Jahrzehnte dauern kann. Bis dahin, so die Idee der NASA-Ingenieure, soll der Rover die Proben an einem geschützten Ort, einem Zwischenlager am Mars, für eine künftige Abholung bunkern.

So wird auf jeden Fall einige Zeit vergehen, bis überhaupt die Möglichkeit besteht, nach Antworten auf zentrale Fragen von Mars 2020 zu suchen. Sie lauten zum Beispiel: Wie sind Klima und Geologie des Mars im Detail beschaffen? Was verraten Staub und Gesteine über Entstehung, die Kindertage und einschneidende Ereignisse in der Frühphase des Mars, etwa über das Bombardement durch Asteroiden, das alle Planeten gravierend veränderte, Mars und Erde eingeschlossen? Wissenschaftliche Expertise bei der Interpretation von Resultaten aus Geologie und Meteoritenforschung wird dabei einer der Jobs von Christian Köberl sein.

Vorraussetzungen für Besiedelung sollen geprüft werden

Die größte Faszination üben aber vor allem zwei Themenkomplexe aus. Der erste ist im Projektprogramm mit folgenden Schlagwörtern überschrieben: „Bewohnbarkeit“ sowie „Vorbereitung für den Menschen“. Die Mission, so die Hoffnung der NASA, könnte vielleicht den „Weg für humanes Leben auf dem Mars pflastern“. Es geht letztlich darum, die Voraussetzungen für eine Besiedelung des Mars zu schaffen. Dazu wäre in erster Linie eine Atmosphäre wie auf der Erde praktisch, in der wir komfortabel atmen können. Jene des Mars besteht allerdings zu 96 Prozent aus Kohlendioxid, der Rest verteilt sich unter anderem auf ein bisschen Stickstoff, Methan und deutlich weniger als ein Prozent Sauerstoff. Die Raumfahrtexperten wollen daher Methoden prüfen, mit denen die Marsatmosphäre so beeinflusst werden könnte, dass sie höhere Anteile an Sauerstoff produziert. Messungen des Rovers sollen Basisdaten für dieses Vorhaben liefern.

Der zweite Hauptfokus ist damit verwandt und gehört wohl zu den prickelndsten Themen für alle astronomisch Interessierten, ob nun Profis oder Laien: Gab es früher Leben auf dem Mars? Der Rover soll zwecks Klärung dieser Frage nach Spuren vergangenen Lebens auf dem Planeten suchen, vor allem nach Anzeichen für die Besiedelung durch Mikroben. Gesteinsanalysen könnten verraten, ob urtümliche Bakterien darin Rückstände hinterlassen haben – vielleicht jene Extremophilen, die am Mars ebenso zurechtkommen wie in der kargen Glutwüste Äthiopiens oder im ewigen Eis. Die Forscher wären allerdings schon begeistert, wenn sie Bausteine des Lebens aufspüren, etwa Aminosäuren, Vorläufer von Proteinen.

Aussichtslos ist das Unterfangen nicht unbedingt: Satellitenaufnahmen zeugen von Mustern im Gestein, die einst fließendes Wasser verursacht haben dürfte, eine Voraussetzung für jedes Leben. Belegt ist weiters die Existenz von Mineralien, die sich in feuchter Umgebung oder bei direktem Kontakt mit Wasser formen. Und der Rover Curiosity, der seit 2012 den Mars erforscht (und nach dessen Vorbild nun auch Mars 2020 konstruiert wird), schickte eindrucksvolle Zeugnisse von organischen Molekülen und einem Kratersee, der vermutlich über Jahrmillionen existierte, bevor er gänzlich austrocknete. Beweise für Mikroben fand Curiosity, der immer noch am Mars unterwegs ist, allerdings nicht – diese Aufgabe, so hofft, die NASA, könnte nun sein modernisierter Bruder Mars 2020 erfüllen.

Konkretes Reiseziel steht fest

Die entscheidende Frage lautet: Wo am besten suchen? Natürlich schickt man nicht einfach eine Sonde zum Mars und lässt sie zufällig irgendwo landen, sondern wählt den geeigneten Parkplatz sorgfältig aus. Zunächst wollten die Wissenschafter nicht einen Ort ansteuern, der im Rahmen einer anderen Mission bereits besucht wurde: etwa bei Pathfinder Mitte der 1990er-Jahre, anschließend Spirit sowie Opportunity und zuletzt Curiosity. Für Mars 2020 standen anfangs Dutzende Landestellen zur Diskussion, bis letztlich nur noch vier Kandidaten in der Ziehung waren. Bei einer großen Konferenz im vergangenen Herbst erörterten mehr als 150 Wissenschafter die jeweiligen Vor- und Nachteile und setzten sich für ihre Favoriten ein. Kurz vor Jahreswechsel stand das konkrete Reiseziel fest: der Jezero-Krater nördlich des Marsäquators, ein rund 45 Kilometer durchmessendes Einschlagsbecken, das einst ein Asteroid in die Planetenoberfläche riss.

Ob das als gute Wahl betrachtet wird, hängt davon ab, wen man fragt. Geologe Köberl ist mäßig begeistert. „Meine persönliche Meinung ist, dass das für unsere Zwecke der uninteressanteste Landeplatz ist“, sagt Köberl. Denn er würde gern mehr über die Entstehungsphase des Mars wissen – jene Epoche vor viereinhalb Milliarden Jahren, in der sich alle Objekte des Sonnensystems bildeten und die daher ausschlaggebend ist, wenn man die Anfänge unserer Welt verstehen will. Die Gesteine im Jezero-Krater sind aber maximal vier Milliarden Jahre alt. Über den Beginn des Planeten und die Geburtsstunden des Sonnensystems ist dort deshalb nichts zu finden. „Der gesamte ältere Record ist in dem Krater nicht vorhanden, in Bezug auf die Mars-Chronologie ist Jezero nicht interessant“, so Köberl, der aber einräumt: „Für die Astrobiologie ist das natürlich ein spannender Platz.“

Große Hoffnungen

Astrobiologie ist eben jene Disziplin, die nach Leben abseits der Erde sucht, und für deren Vertreter ist Jezero tatsächlich vielversprechend. Der Krater liegt in einem alten Flussdelta. Forscher konnten darin zumindest fünf verschiedene Gesteinsarten identifizieren, darunter Tonminerale, die, wie die NASA ausführt, „hohes Potenzial besitzen, Spuren vergangenen Lebens zu bergen“. Aus diesem Grund ist NASA-Forscher Thomas Zurbuchen überzeugt: „Proben aus diesem einzigartigen Areal werden unsere Vorstellung vom Mars und seiner Eignung, Leben zu beherbergen, revolutionieren.“

Womöglich besteht aber sogar eine Chance, dass auch die Geologen auf ihre Rechnung kommen. Denn eine zweite Region, die zunächst als Landeplatz infrage kam, befindet sich nicht in allzu großer Distanz: Midway, je nach Standort rund 20 bis 30 Kilometer von Jezero entfernt, ist mit uralten Steinen übersät, die Aufschluss über die Anfänge des Mars geben könnten. Eine Idee wäre nun, die Mission ein wenig auszudehnen: Wenn man schon mal die weite Reise unternimmt, könnte man ja versuchen, beide Destinationen abzuklappern – zuerst bei Jezero landen, hier Proben sammeln und den Rover anschließend nach Midway dirigieren. Die Strecke mag kurz klingen, sie zu bewältigen, ist dennoch ein heikles Unterfangen: Der Mars ist voller messerscharfer Grate, die den Rover beschädigen und bewegungsunfähig machen könnten. Die Ingenieure müssten ihn daher sehr behutsam und vorsichtig durchs Gelände steuern, Zentimeter für Zentimeter.

Die große Frage ist, ob dafür die geplante Missionsdauer reicht. Allerdings: Die Lebenszeit des Vorgängers Curiosity war ursprünglich ebenfalls mit zwei Erdenjahren berechnet. 2014 hätte der Rover in Rente geschickt werden sollen. Doch die Mission wurde zweimal verlängert, und Curiosity erkundet nach fast sieben Jahren immer noch munter die Marslandschaft. Sollte sich Mars 2020 als ähnlich ausdauernd erweisen, ist es durchaus möglich, dass er mehrere große Rätsel knackt, bevor er den wachsenden Fuhrpark ausrangierter Marsfahrzeuge erweitert: die Entstehungsprozesse des Planeten ebenso wie die Frage, ob bei unserem Nachbarn einst das Leben blühte.

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Alwin   Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft