Club 3

Martin Grassberger im Club 3: „Wir sind Boden“

Die Zerstörung fruchtbarer Böden schadet unserer Gesundheit. Die Landwirtschaft muss dringend umdenken, argumentiert der Arzt und Biologe Martin Grassberger im Club 3.

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Die großen Würfe blieben bei der 27. UN-Klimakonferenz in Ägypten aus, ein ohnehin utopisches Ziel scheint damit in noch weitere Ferne gerückt: eine gesunde Zukunft auf dem Planeten Erde. Glaubt man dem – pointierten – Titel des „Wissenschaftsbuchs 2020“, scheint die Sache aber sowieso längst verloren: „Das leise Sterben“ heißt das Werk des Mediziners und Humanbiologen Martin Grassberger. Im Club 3, dem gemeinsamen TV-Format von „Kurier“, „Kronen Zeitung“ und profil, erklärt der gebürtige Salzburger den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Zerstörung der Natur und dem schleichenden Anstieg chronischer Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Leiden. Und er erläutert, warum es eine „landwirtschaftliche Revolution“ braucht.

„Wir sind Boden“, formuliert Grassberger kurz, knapp und mehrfach. Was das heißen soll? Fruchtbare Erde ist die Voraussetzung für gesunde Pflanzen, die – mehr oder weniger verarbeitet – auf unseren Tellern landen. Doch unser Boden ist bedroht, sein Mikrobiom verarmt – vor allem durch die moderne Landwirtschaft: „Das schwere Pflügen, die mechanische Bodenbearbeitung und Chemikalien setzen den fruchtbaren Bodenschichten zu“, so Grassberger. Die Folge: Der Nährstoffgehalt in den Lebensmitteln sinkt. Dazu kommen Zusatzstoffe in verarbeiteten Produkten – pflanzlichen wie tierischen –, die in unseren Körpern landen und dort Schäden anrichten. 

Nur eine möglichst nachhaltige, regenerative Landwirtschaft kann laut Grassberger ein gesundes Ökosystem, Ernährungssicherheit und damit die menschliche Gesundheit langfristig sicherstellen. Der Mediziner und Biologe nimmt vor allem die heimischen Bauern in die Pflicht: „Es muss jeder danach trachten, ökologische Maßnahmen zu setzen, die der Biodiversität, dem Boden, dem Klima und der Resilienz dienen.“ Freilich ist auch die Landwirtschaftspolitik gefordert – aktuell sind landwirtschaftliche Förderungen vielfach auf die Fläche bezogen: „Belohnt werden müsste vielmehr der Aufbau des Bodenlebens und die Förderung der Biodiversität“, fordert der mehrfache Buchautor.

Ein Konzept scheint für Grassberger, der auch selbst als Landwirt tätig ist, besonders zukunftsträchtig: „Market Gardening“, also sorgfältiger Gemüseanbau auf kleinster Fläche – etwa im eigenen Garten oder im Heimatort. „Die Kulturen stehen dabei viel enger beieinander. Und ein Beet kann pro Jahr drei oder vier Mal belegt werden.“ Schon ein Hektar könnte Gemeinden mit Tausenden Einwohnern mit ausreichend Gemüse versorgen, meint Grassberger. Dass derartige Projekte die bestehende Landwirtschaft nicht ersetzen können, versteht sich aber auch von selbst: Um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren – erst diese Woche wurde das Knacken  der Acht-Milliarden-Marke gemeldet –, müssten die weltweiten Ernteerträge bis 2050 verdoppelt werden.

Der Idee, durch den Einsatz von Gentechnik mehr Menschen bei geringerem Flächenverbrauch ernähren zu können, steht Grassberger  nicht  grundsätzlich feindlich gegenüber.  Der Biologe gibt jedoch zu bedenken: „Die Form der Landwirtschaft ist als System holistisch zu betrachten. Es gilt, nicht nur einzelne Pflanzen zu ändern.“ Angesichts gehäufter Extremwetterereignisse, von Hitze  bis Dürren, führt Grassberger aber noch ein positives Beispiel ins Treffen: „Es gibt weltweit Projekte, die gezeigt haben: Wenn man es richtig macht, kann man sogar in der Wüste Gemüse anbauen.“ Wesentlich ist dabei der Fokus auf einen gesunden, nährstoffreichen Boden. Ganz nach dem Motto: „Geht’s dem Boden gut, geht’s uns allen gut.“

Katharina Zwins

Katharina Zwins

war Redakteurin bei profil und Mitbegründerin des Faktenchecks faktiv.