„Viele Ärzte kennen das Problem nicht“

Nicolai Worm: „Viele Ärzte kennen das Problem nicht“

Interview. Der deutsche Ernährungswissenschafter Nicolai Worm über die kaum beachtete Volkskrankheit Fettleber

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Interview: Robert Buchacher

profil: Die meisten Ärzte ignorieren das Problem Fettleber. Woran hapert es?
Nicolai Worm: Viele Ärzte kennen das Problem nicht. Sie haben darüber in ihrer Ausbildung nichts gehört, und in der Fachliteratur taucht die Erkrankung erst in den letzten drei Jahren auf.

profil: Es gibt aber offenbar Patienten, die mit ­einer Fettleber ganz gut leben.
Worm: Die Erkrankung macht zunächst keine Symptome, aber viele Stoffwechselstörungen erklären sich aus der Fettleber, die ein unabhängiges Risiko für Herzkreislauferkrankungen darstellt. Das ist das Neue. Kennzeichen der Krankheit sind niedriges „gutes“ HDL-Cholesterin und hohe Triglyceridwerte.

profil: Aber gefährlich wird die Fettleber wohl erst im entzündlichen ­Stadium?
Worm: Es gibt einen schleichenden Übergang, der sich nicht genau festlegen lässt, weil es dazu keine Daten gibt. Die Wissenschaft sucht aber nach entsprechenden Markern.

profil: Offenbar weiß die Medizin noch wenig über die Krankheitsentstehung?
Worm: Die Entstehung versteht sie sehr gut. Knapp 60 Prozent des Leberfetts kommen aus den eigenen Fettzellen. Wenn die Fettspeicher überlaufen, sucht sich das Fett neue Depotplätze, zuallererst in der Leber. Unter Sauerstoffmangel entzünden sich die Fettzellen und werden insulinresistent.

profil: In Ihrem neuen Buch „Menschenstopfleber“ sprechen Sie von ­einer „Volkskrankheit“. Warum?
Worm: Laut einer aktuellen Studie aus den USA sind nicht nur die Hälfte der Übergewichtigen und zwei Drittel der Adipösen von der Krankheit betroffen, sondern auch 30 Prozent der übergewichtigen Kinder und ein Viertel der schlanken Erwachsenen.

profil: Anhand welcher ­Parameter lässt sich die Krankheit diagnostizieren?
Worm: Die klassische Methode ist die Leberbiopsie, die allerdings nur in Ausnahmefälle angewendet wird. Ein MRT kommt teuer, es bleibt nur der wenig exakte Ultraschall und der sogenannte „fatty liver index“, der aus vier Parametern errechnet wird: Body Mass Index, Taillenumfang, Leberwert Gamma-GT und Triglyzeriden. Ergibt sich daraus eine Zahl über 60, dann liegt zu über 80 Prozent eine Fettleber vor.

profil: Wie lässt sich das Leiden in den Griff bekommen?
Worm: Es gibt noch kein Medikament dagegen, aber man kann die Krankheit rasch reparieren, indem man die tägliche Nahrungsaufnahme auf 800 bis 900 Kalorien reduziert, den Insulinspiegel herunterbringt und Sport betreibt. Zudem sollte man Nährstoffe nehmen, welche die Entfettung fördern: Omega 3-Fettsäuren, Vitamin E und Cholin, ­einen Abkömmling des Lezithins, der in den USA bereits als Vitamin anerkannt ist.

Zur Person
Nicolai Worm, 62, ist Professor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHGP) in Saarbrücken, Vater der kohlenhydratarmen LOGI-Diät und Autor zahlreicher Bücher über Fettstoffwechsel und gesunde Ernährung.

Nicolai Worm: „Menschenstopfleber – Die verharmloste Volkskrankheit Fettleber – Das größte Risiko für Diabetes und Herzinfarkt“, Systemed-Verlag, Dortmund, 2013, 184 S., EUR 20,60.