Niemals vergessen

Wie sich durch Facebook die Kultur des Trauerns verändert.

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Auf Facebook gibt es 30 Millionen Tote. Obwohl die Menschen physisch nicht mehr unter uns sind, leben ihre digitalen Profile weiter. Freunde können auf ihre Pinnwand posten, Erinnerungen austauschen, ihre Trauer mit anderen teilen. Im Todesfall eines Nutzers können Familienangehörige den Account entweder löschen lassen oder einen „Antrag auf Herstellung des Gedenkzustandes“ stellen; neben dem Profil steht dann der Hinweis „In Erinnerung an“. Die Kultur des Trauerns hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert. In den frühen Gesellschaften war das Trauern öffentlich, erst die Neuzeit hat den Tod individualisiert; die Trauer wurde zur Privatsache. Man ging auf den Friedhof oder gedachte im Stillen des Verstorbenen. Auf Facebook entwickelt sich gerade eine neue Trauerkultur.

Der US-Medienwissenschafter Jed R. Brubaker kommt in einer Studie zum Schluss, dass Post-mortem-Profile auf Facebook keine bloßen Gedenktafeln oder Grabsteine sind, sondern vielmehr soziale Versammlungsorte für die Trauernden. Das hat auch problematische Aspekte. Sicher hat ein schnell gepostetes „R.I.P“ nicht allzu viel zu sagen. Psychologen weisen darauf hin, dass es für Trauernde wichtig ist, irgendwann endgültig Abschied zu nehmen. Ein Post-mortem-Account auf Facebook könnte bei manchen die Illusion aufrechterhalten, dass die verstorbene Person doch noch am Leben sei. Und doch: Wie Menschen auf Facebook ihrer toten Freunde gedenken, wie sie zu Todestagen ein paar persönliche Worte oder Fotos posten, finde ich einfach bewegend und schön. Friedhöfe waren schon immer Orte für die Lebenden. Das gilt auch für die Friedhöfe auf Facebook. Wie denken Sie darüber? Bitte schreiben sie mir unter [email protected]