Zukunft des Essens?

Pulvershake "Soylent": Die Zukunft oder das Ende des Essens?

Aktuell. Ein Pulvershake namens "Soylent" sorgt derzeit in den USA für heftige Diskussionen

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Diese düstere Zukunftsvision stammt aus dem Science-Fiction-Klassiker "Soylent Green" von 1973. Doch Soylent gibt es bereits heute. In den USA macht das vermeintliche Wunderpulver Schlagzeilen.

Lösung für das Hungerproblem?
Der Software-Ingenieur Rob Rhinehart aus Kalifornien hat Soylent mit einigen Helfern entwickelt und will damit die Formel für die Revolutionierung der Ernährung gefunden haben. Wissenschaft und Technologie könnten das Hungerproblem lösen und die Umwelt retten, erklärte Rhinehart gern in Interviews. "Die nächsten Generationen können nicht organisch ernährt werden - wir müssen optimieren", sagte er dem Lifestyle-Magazin "Vice".

Keine klassischen Mahlzeiten mehr, keine Rezepte, nur noch ein Pulvershake. Der soll alles enthalten, was der gesunde Mensch braucht - statt Gemüse, Obst, Milch und Brot gibt es Kohlenhydrate, Vitamine und Aminosäuren. Erinnert an Astronautenpäckchen - Lebensmittel auf das physisch Notwendige konzentriert, alles Überflüssige bleibt außen vor. "Befreie deinen Körper", so der Werbeslogan von Soylent.

"Ende des Essens" oder "Wundertrunk"?
Das Feuilleton in den USA arbeitet sich an Soylent ab: Vom "Ende des Essens" kündet der "New Yorker". Mit einem "Wundertrunk" meint "Forbes" es zu tun zu haben. "Time-Magazine", "Wired" und "New York Times" diskutieren ebenfalls angeregt mit.

Auch Ärzte und Wissenschafter melden sich zu Wort und sind skeptisch. "Die ganze Idee ist grauenhaft", sagte die Ernährungsexpertin Susan Roberts von der Tufts-Universität in Boston der Nachrichtenagentur dpa. Der psychologisch wichtige Genussfaktor gehe bei Soylent komplett verloren. "Wir werden wohl niemals einen gemütlichen Dinner-Abend mit Freunden verbringen und dabei dieses Getränk genießen."

Außerdem müsse es jedem synthetischen Essensersatz fast zwangsläufig an wichtigen Substanzen fehlen, allein schon deshalb, weil diese möglicherweise noch gar nicht erforscht seien. "Wir wissen doch noch gar nicht genug über die verschiedenen Chemikalien, die Menschen für eine optimale Gesundheit brauchen", erläuterte Professorin Roberts. Soylent-Chef Rhinehart halten solche Einwände nicht davon ab, weiter zu experimentieren.

Crowdfunding-Erfolg
Soylent, so heißt nicht nur die vermeintliche Zukunftsnahrung, sondern auch das kleine Unternehmen dahinter. Das Startup ist nach eigenen Angaben so überlastet, dass neue Kunden vier bis fünf Monate auf eine Lieferung warten müssen. Beim Crowdfunding wurde Soylent mit über zwei Millionen Dollar überschüttet, viel mehr als erwartet. Und die nächste Finanzierungsrunde läuft bereits.

Was der Rummel soll, ist auf den ersten Blick schwer nachzuvollziehen. Soylent sieht aus wie ein Standard-Essensplacebo aus dem Supermarkt. Milchig und langweilig. Doch es trifft - im Gegensatz zu anderen Diätdrinks - den Zeitgeist. Rhinehart verkauft sein Produkt vor allem an Menschen, denen der stressige Alltag keine Zeit zum Essen lässt und nicht an diejenigen, die abnehmen wollen. So schafft es sein Unternehmen, Soylent als Treibstoff für die mobilen Leistungsgesellschaft zu vermarkten. Das ist offenbar seine Formel für Erfolg.

(APA/Red.)