Dossier: Impfungen

Was Sie über Impfungen wissen müssen

Die große profil-Impfberatung: Wie funktionieren Impfstoffe und ihre Herstellung? Warum sind moderne Vakzine viel verträglicher als die früheren? Wie gefährlich sind Zusatzstoffe? Und mit welchen Nebenwirkungen muss man rechnen? 13 Antworten auf 13 wichtige Fragen.

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Meist beginnt es mit Konzentrationsschwächen, Gangunsicherheit, rätselhaftem Stolpern. Dann folgen Krampfanfälle, Sprachstörungen und Demenz. Schließlich fallen die Patienten ins Koma und versterben einige Monate später. Das ist der typische Verlauf von subakuter sklerosierender Panenzephalitis, kurz SSPE, einer Folge einer Maserninfektion. Die Opfer sind ungeimpfte Kinder, in deren Gehirn sich Masernviren eingenistet haben. Zunächst bleibt der Befall unbemerkt, doch über vier, fünf Jahre breitet sich die Entzündung still über das gesamte Gehirn aus und verursacht schwere neurologische Schäden – dann, wenn man die Infektion meist längst vergessen hat. Eine Therapie gibt es nicht, die Krankheit verläuft stets tödlich. Es sei „herzzerreißend“ zu beobachten, wie diese Kinder dem Tod entgegendämmern, sagt Wolfgang Maurer, der als Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde solche Fälle aus eigener Anschauung kennt.

Zum Glück ist SSPE relativ selten: Ein bis zwei von 10.000 an Masern Erkrankten erleiden diesen gravierenden Verlauf. Aber auch diese wenigen Fälle wären vermeidbar: durch eine Impfung, die schon bisher massiv zur Eindämmung der Masern und der grausamen Folgekomplikation beigetragen hat. Bis zur Einführung der Impfung in den 1960er-Jahren starben pro Jahr weltweit rund zwei Millionen Menschen an dem hoch ansteckenden Erreger, zu Beginn des Jahrtausends hingegen wurden beispielsweise in den USA gerade noch 36 Maserntote gezählt. Heute sollte es eigentlich gar keine Fälle mehr geben, wäre der Plan aufgegangen, die Masern auszurotten wie die Pocken in den 1970er-Jahren. Nicht zuletzt wachsende Impfskepsis hat dazu geführt, dass es immer wieder zu lokalen Ausbrüchen kommt.

Insgesamt sind Impfungen eine fast makellose Erfolgsgeschichte: Rechnet man epidemiologische Daten aus der Vergangenheit auf die heutige Weltbevölkerung hoch, zeigt sich, dass die Immunisierung gegen gefährliche Viren oder Bakterien jährlich rund sechs Millionen Todesfälle verhindert. Vor allem für Nordamerika liegen detaillierte Zahlen zum Infektionsgeschehen vor: Starben dort im 20. Jahrhundert bis zur Verfügbarkeit der jeweiligen Impfung fast 40 Millionen Menschen an Infektionskrankheiten, sank die Zahl zu Beginn des Jahrtausends auf rund 7000. Allein der Diphterie fielen im vorigen Jahrhundert beinahe 18 Millionen Amerikaner zum Opfer. 2002 gab es zwei Tote. In Österreich erkrankten bis zur Einführung der Schluckimpfung 1961 um die 1000 Menschen pro Jahr an Kinderlähmung, ein Jahr später schoss diese Zahl rapide nach unten – auf einige wenige Personen. 1973 starb der letzte Österreicher an Poliomyelitis.

Mit der Allgegenwart der Seuchen schwindet aber auch die Erinnerung an deren Auswirkungen: Gehirnentzündung durch Masern, Taubheit und männliche Unfruchtbarkeit durch Mumps, schwere fötale Erkrankungen durch Röteln. Gerade weil Infektionskrankheiten viel von ihrem Schrecken eingebüßt haben, verlieren wir den Sinn von Schutzimpfungen leicht aus den Augen. So ist Keuchhusten kaum auf dem öffentlichen Radar. Dabei wird das Bakterium Bordetella pertussis, das vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern Lungenentzündung und Atemstillstand auslösen kann, wieder zum Problem. „Weltweit ist ein starker Anstieg der Erkrankungen zu beobachten“, berichtet Ursula Wiedermann, Professorin für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin an der Medizinischen Universität Wien. In Österreich wurden 2018 fast 2200 Keuchhustenkranke registriert, drei Jahre zuvor waren es weniger als 600. Auffallend viele Erwachsene sind nun betroffen, die nicht mehr immun sind. Der Grund liegt ausgerechnet in den heute verträglicheren Impfungen: Weil deutlich weniger Erregermaterial enthalten ist, hält die Immunität kürzer an. Doch an die deshalb ratsame Auffrischung nach fünf bis zehn Jahren denken viele Menschen einfach nicht.

Die saisonale Influenza ist zwar ständig im Fokus medialer Debatten, dennoch nehmen die Impfung nicht einmal zehn Prozent der Österreicher in Anspruch. Die Zögerlichkeit ist auf die immer noch verbreitete Annahme zurückzuführen, dass es sich um einen harmlosen Infekt handelt. Wenn während der Coronavirus-Pandemie gemutmaßt wurde, Covid-19 sei auch nicht bedrohlicher als die Influenza, lag ein grundsätzlicher Denkfehler vor: Nicht SARS-CoV-2 ist vielleicht gar nicht so schlimm, sondern auch die Grippe ist eine potenziell tödliche Infektionskrankheit.

Wir können uns heute gegen rund 30 Krankheiten wappnen, die durch Viren oder Bakterien hervorgerufen werden – nehmen aber dies nicht in jenem Umfang in Anspruch, der nach internationalem Expertenkonsens empfohlen wäre. Viele Menschen verzichten auf die Influenzaimpfung oder vergessen auf die Auffrischung gegen Tetanus und Keuchhusten. Und von der angepeilten Durchimpfungsrate gegen Masern von 95 Prozent der Bevölkerung sind Länder wie Österreich ein ganzes Stück entfernt. Bisweilen mag es schlicht an Nachlässigkeit liegen, mitunter aber auch an wachsenden Vorbehalten gegenüber der Sicherheit und Verträglichkeit von Impfstoffen, wie all die hitzig geführten Debatten zum Thema zeigen.

Die größten Bedenken richten sich zumeist gegen Risiken, die entweder von längst nicht mehr in Gebrauch befindlichen Impfstoffen ausgingen, oder gegen solche, die einst debattiert, aber vielfach entkräftet wurden. Und dann gibt es noch Mythen und blanke Erfindungen, teils bewusst in die Welt gesetzt, die sich aber hartnäckig halten. Dazu zählt die auf glatter Fälschung beruhende Behauptung, Impfungen würden zu Autismus führen.

Wie riskant sind Impfungen nun wirklich? Und wie funktionieren sie überhaupt?

1. Wie funktionieren Impfungen?

Eine Impfung soll den Körper mit Verteidigungsinstrumenten ausstatten, um Mikroorganismen gezielt identifizieren und ausschalten zu können. Im Grunde gaukelt man dem Immunsystem die Light-Version einer Infektion vor, um ihn zur Herstellung dieser Waffen anzuspornen, sodass er sich gegen die Angreifer später selbst wehren kann. „Es wird eine Miniinfektion nachgeahmt“, sagt Impfexpertin Wiedermann. Dabei sind zwei Taktiken ausschlaggebend: erkennen und bekämpfen. Für beide Jobs sind Zellen des Immunsystems zuständig: B-Lymphozyten sind weiße Blutkörperchen, die zu Gedächtniszellen reifen können. In dieser Funktion prägen sie sich die Merkmale eines Virus oder Bakteriums ein. Nicht nur eine Infektion, auch eine Impfung bewerkstelligt dieses Profiling, und das Immunsystems ist dann auf den Kontakt mit einem tatsächlichen Erreger vorbereitet: Es tritt ihm nicht mehr unbedarft gegenüber, sondern erkennt ihn sofort. Und daher können auch flott Antikörper ins Feld geschickt werden, um ihn unschädlich zu machen. Eine Impfung befähigt somit den Körper, Infektionskrankheiten gleichsam im Keim zu ersticken – und daher nicht oder nur milde zu erkranken.

Dieses Prinzip einer Lebendimpfung, einer Immunisierung mit aktiven Erregern, geht vor allem auf den britischen Mediziner Edward Jenner zurück, der als Vater aller Impfungen gilt – und seine Entdeckungen machte, bevor man Viren überhaupt kannte oder Pharmaunternehmen existierten. Jenner griff in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Beobachtung auf, die schon viele vor ihm notiert hatten: Menschen, die mit an Kuhpocken erkrankten Kühen in engen Kontakt kamen, erkrankten nie an den gefährlicheren humanen Pocken, die damals Millionen Menschen hinwegrafften, zehn Prozent aller Kinder töteten und weite Teile der Bevölkerung durch Narben entstellten. Jenner wagte ein Experiment, für das er heute vor Gericht stünde: Er entnahm Eiter aus Pockenbeulen einer Kuh und spritze ihn einem achtjährigen Buben. Wochen später infizierte er das Kind mit menschlichen Pocken, und es geschah – nichts. Der Bub war immun. Er hatte eine Impfung erhalten, eine Vakzination. Das Wort leitete sich vom lateinischen Begriff „vacca“ für Kuh her.

1796 gab es den ersten Pockenimpfstoff, mit Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts kamen in dichter Abfolge viele weitere Impfstoffe auf den Markt: gegen Tollwut und Typhus, Pest und Cholera, Diphterie, Keuchhusten, Tuberkulose und Tetanus. In den 1960er-Jahren trugen Substanzen gegen Polio, Masern, Mumps und Röteln zur massiven Eindämmung dieser Infektionskrankheiten bei. Jungen Datums ist dagegen die Vakzine gegen Humane Papillomaviren. Der HPV-Impfstoff ist seit 2006 verfügbar – und stellt zugleich eine Impfung gegen Krebs dar, weil Krebsvorstufen vorgebeugt wird.

2. Welche Arten von Impfstoffen gibt es?

Man unterscheidet drei Gruppen: Bei Lebendimpfstoffen wie jene gegen Masern, Mumps, Röteln, Windpocken oder Gelbfieber kommt aktives, vermehrungsfähiges Erregermaterial zum Einsatz. Dieses sogenannte Antigen – jene Bausteine, welche die Immunität anstoßen sollen – ahmt im Körper eine Infektion nach, um die Bildung von Gedächtniszellen und Antikörpern anzuregen, also von immunologischem Erinnerungsvermögen sowie Abwehrstoffen. Die replikationsfähigen Erreger werden für den Impfstoff allerdings gezielt abgeschwächt, was „attenuiert“ heißt. Sie werden so verändert, dass sie zwar eine Immunantwort auslösen, aber keine Erkrankung. Dies geschieht durch molekularbiologische Methoden oder durch Züchtung über viele Generationen, wobei sich etwa in einem Virus Mutationen ansammeln, welche die gewünschten Eigenschaften hervorrufen. Man trennt Vermehrungsfähigkeit von Pathogenität, schützende Immunität von krankmachendem Potenzial. „Durch die Anpassungsmutationen will man erreichen, dass man den antigenen Charakter des Virus beibehält, aber massive Virulenz verliert“, erklärt Wiedermann.

Traditionell verwenden die Hersteller für Lebensimpfstoffe komplette Viren – in jüngerer Zeit aber auch Vektoren, wie sie nun auch bei manchen SARS-CoV-2-Impfstoffen benutzt werden. Was bei dieser Impfstoffklasse niemals zum Einsatz kommt, sind Zusatzstoffe wie Aluminium. Man braucht sie schlicht nicht als Hebel für höhere Wirksamkeit, weil ohnehin aktive Erreger vorhanden sind.

Anders ist die Sachlage bei Totimpfstoffen. Der Name rührt daher, dass diese Gruppe nur abgetötete und somit inaktivierte Erreger enthält, die sich nicht mehr teilen und daher auch keine Krankheitssymptome auslösen können. Die Inaktivierung vormals vermehrungsfähiger Viren oder Bakterien erfolgt im Regelfall durch chemische Verfahren. Für Totimpfstoffe, etwa gegen Diphterie, Tetanus, Hepatitis B, Grippe, FSME oder Keuchhusten, benutzen die Hersteller entweder komplette abgetötete Erreger (Ganzzell-Impfstoffe) oder aber nur Bruchstücke davon. Bei diesen Subunit-Produkten pickt man gezielt ausgewählte Schlüsselstellen, etwa bestimmte Proteine, aus dem Virus oder Bakerium, welche die Immunantwort gewährleisten sollen. Der Vorteil: eine maßgeschneiderte Immunreaktion bei geringer, sorgsam gewählter Menge an Antigenen.

Es gibt aber auch Nachteile: Generell bewirken Totimpfstoffe eine schwächere Schutzimmunität, weil eben inaktivierte Erreger oder sogar nur Teile davon verwendet werden. Weil zudem im Sinne verträglicher Impfstoffe immer weniger Antigene hineingepackt werden (mitunter statt einst 3000 nur noch drei bis vier), benötigt man sogenannte Adjuvanzien – Wirkverstärker wie Aluminiumhydroxid. Dennoch bieten Totimpfstoffe langfristig weniger Schutz als Lebensimpfstoffe weshalb immer wieder Auufrischungen nötig sind. Eine Masernimmunisierung dagegen schützt im Regelfall ein Leben lang. Die unterschiedlichen Herstellungsverfahren erklären, warum manche Impfungen nur einmal verabreicht werden müssen, während andere nur vorübergehend wirken. 

Schließlich gibt es noch den Spezialfall passiver Impfungen: Hier werden quasi als Notfallmaßnahme direkt schützende Antikörper verabreicht, etwa bei Verdacht auf Tollwut oder Tetanus. Der Körper muss die Abwehrstoffe daher nicht erst selbst über Tage oder Wochen produzieren, sondern bekommt sie von außen zugeliefert. Ein Immungedächtnis wird dabei allerdings nicht ausgeprägt. Sobald die Antikörper abgebaut sind, kann man sich neuerlich infizieren.

3. Wie werden Impfstoffe hergestellt?

Herzstück ist das Antigen, jener Stoff, der die Immunantwort auslösen soll. Er muss gezüchtet werden: heranwachsen und sich vermehren. Dies geschieht entweder in Zellkulturen, in die das Antigen zwecks Heranreifung eingebracht wird, oder aber in Hühnereiern. Es klingt im 21. Jahrhundert fast unglaublich: Manche Pharmaunternehmen lassen sich Millionen Eier liefern, die als Brutstätte dienen, zum Beispiel für den Grippeimpfstoff. Nicht nur dieser Schritt der Fertigung ist extrem aufwendig, sondern auch die folgenden: Anschließend muss das Antigen „geerntet“ und gereinigt werden, um unerwünschte Komponenten zu entfernen. Spezielle Waschapparaturen dienen der biochemischen Säuberung der Antigene. Schließlich müssen, je nach Impfstoff, weitere Substanzen hinzugefügt werden: Adjuvanzien, Konservierungsmittel oder Stabilisatoren.

Wer den Eindruck gewinnt, dass manches an diesem Prozedere ein wenig museal wirkt, liegt nicht ganz falsch: Nicht nur die Verfahren, auch die Rezepturen selbst sind teils seit Jahrzehnten unverändert. Zwar drehen die Unternehmen an kleinen Rädchen – indem sie Zusatzstoffe ändern, gentechnische Methoden einschließen oder die Zahl der Antigene reduzieren und dadurch die Verträglichkeit erhöhen. Doch die Wirksubstanzen selbst und die wesentlichen Fertigungsprozesse stammen teils aus den 1960er-Jahren, was zu Recht Anlass für Kritik gibt. Der Grund ist, dass die Zulassung neuer Impfstoffe dermaßen aufwendig und kostenintensiv ist, dass die Konzerne lieber auf Pferde setzen, die schon im Rennen sind. Denn im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind Impfstoffe kein besonders gutes Geschäft: Man benötigt einige wenige Impfungen im Leben, während chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck die dauerhafte Einnahme von Medikamenten erfordern und daher weitaus attraktiver für die Hersteller sind. Deutsche Zahlen zeigen, dass die gesetzlichen Krankenkassen lediglich 0,65 Prozent ihrer Budgets für Impfungen ausgeben.

Zudem sind bei Leiden mit schweren Symptomen Nebenwirkungen der Therapie bis zu einem gewissen Grad tolerabel, solange der Nutzen die Risiken überwiegt. Eine Impfung hingegen ist eine Präventionsmaßnahmen an gesunden Personen, die Nutzen-Risiko-Abwägung fällt daher ganz anders aus: Negativeffekte müssen praktisch ausgeschlossen sein, und entsprechend streng sind die Richtlinien für Hersteller. Bei Forschungskosten von bis zu einer Milliarde Euro gelangen von 10.000 Wirkstoffkandidaten vielleicht fünf in die klinische Entwicklung, und eine Garantie für eine Marktzulassung ist das längst noch nicht. Daher ziehen sich immer mehr Hersteller aus der Impfstoffproduktion. „Für mich als Vakzinologin ist diese Entwicklung ein Drama“, sagt Wiedermann. Denn sie schränke Innovation empfindlich ein.

4. Wie gefährlich sind Zusatzstoffe?

Viele Menschen sorgen sich, dass Zusatzstoffe gesundheitsschädlich sein könnten. Meist betreffen die Bedenken Aluminium, Formaldehyd und Quecksilber. Beginnen wir mit Letzterem: Früher wurde die Quecksilberverbindung Thiomersal häufig als Konservierungsmittel in Totimpfstoffen eingesetzt. Man könnte jetzt Dosis und Halbwertszeiten erörtern, was aber müßig ist, denn Thiomersal ist in keinem in Österreich eingesetzten Impfstoff mehr enthalten. Die ständige Behauptung von Schwermetallvergiftungen durch Impfungen sind damit schlicht falsch. Formaldehyd hingegen wird in manchen Totimpfstoffen benutzt, um Viren zu inaktivieren. Es handelt sich um eine Substanz, die der Körper beim Stoffwechsel auch selber produziert – und zwar in Mengen, an die Impfungen nie auch nur heranreichen: Pro Tag stellt der Organismus etwa 50 Milligramm Formaldehyd her, ein Impfstoff enthält 0,001 bis höchstens 0,2 Milligramm davon. Auch die tägliche Nahrung führt uns viel größere Konzentrationen an Formaldehyd zu: um die zehn Milligramm, also bis zu 10.000 Mal mehr als eine Impfung.

Aluminium wiederum zählt zu den Adjuvanzien, den Wirkverstärkern, die in Tot-, nicht aber in Lebendimpfstoffen vorkommen. Es gelangen auch andere Substanzen wie Öl-Wasser-Emulsionen zum Einsatz, in Diskussion gerät aber stets nur Alumnium. Für Impfstoffe wird allerdings kein metallisches Aluminium verwendet, sondern das Salz Aluminiumhydroxid. Es entfaltet einen Depoteffekt, der bewirkt, dass das Antigen nahe der Einstichstelle nach und nach abgegeben und dadurch kontinuierlich eine Immunisierung erzielt wird. Wie bedenklich ist diese Substanz aber nun? Auch hier lässt sich ein Vergleich mit der Nahrung ziehen: Wir nehmen ständig kleine Mengen Aluminium mit Lebensmitteln zu uns, und zwar Tag für Tag. Eine Impfung ist dagegen ein sehr seltenes Ereignis, und die Präparate enthalten maximal 0,8 Milligramm Aluminiumsalz.

Dennoch wären hier Alternativen wünschenswert – nicht weil tatsächlich eine Gefährdung besteht, aber um Ängste abzubauen und die Debatte um potenziell riskante Zusatzstoffe abschließen zu können.

5. Werden in Impfstoffen abgetriebene Föten verarbeitet?

Eines jener Schauermärchen, die nicht aus der Welt zu kriegen sind, besagt: Für Impfungen werden menschliche Föten aus Abtreibungen verarbeitet. Der winzige wahre Kern dieser Geschichte: Manche Impfstoffe wachsen auf fötalen Zellen. Diese stammen jedoch schon aus den 1960er-Jahren und wurden seit damals in Labors weitergezüchtet. Die vorhergehenden Abtreibungen kamen freilich nicht zwecks Impfstoffproduktion zustande, sondern aus ganz anderen medizinischen Gründen. Die Verwendung dieser Zelllinien beruht auf dem oben beschriebenen Prinzip der Antigenproduktion: Jene abgeschwächten Viren, die Schutzfunktion entfalten sollen, müssen zuvor angezüchtet und vermehrt werden. Dies kann mithilfe tierischer oder humaner Körperzellen oder in Hühnereiern bewerkstelligt werden.

6. Überfordern Impfungen das Immunsystem?

Viele Menschen befürworten Impfungen grundsätzich, fürchten aber, dass bei manchen davon zuviel auf einmal injiziert und das Immunsystem dadurch womöglich überlastet wird, vor allem jenes von Kindern. Tatsächlich lassen sich bis zu sechs Impfstoffe in einem einzigen Präparat kombinieren und auf einmal verabreichen. Ist das zuviel? Ein Vergleich macht relativ schnell sicher: Unser Körper ist jeden Tag mit bis zu 6000 Fremdmolekülen konfrontiert, mit harmlosen Viren und Bakterien wie auch mit potenziell problematischen – auf der Haut etwa oder im Darm. Und er hat kein Problem, mit Hunderten davon gleichzeitig fertig zu werden, quasi an zahlreichen Fronten simultan zu kämpfen, ohne dass der Mensch überhaupt Notiz davon nimmt. Sechs Antigene mehr fallen da überhaupt nicht ins Gewicht. Vermutlich könnte man problemlos ein paar Hundert Wirksubstanzen in einen Impfstoff packen.

Dies auch deshalb, weil moderne Impfstoffe eben viel weniger Erregermaterial enthalten als früher. Allein in den alten Generationen der Keuchhusten-Immunisierung befanden sich 3000 Antigene. Heute stecken in allen empfohlenen Schutzimpfungen zusammen bloß 150. Dass das Immunsystem, auch jenes von Kleinkindern, dadurch an seine Grenzen gelangt, ist so gut wie ausgeschlossen.

7. Sind ungeimpfte Kinder gesünder?

Es gibt die verbreitete Annahme, dass das Durchleben einer Infektionskrankheit ein sinnvoller Prozess sei, der die Entwicklung eines Kindes befördere und es irgendwie „reifen“ lasse. Richtig ist, dass der Kampf der Abwehr gegen einen Erreger eine Art Training für das Immunsystem darstellt – das bewirkt aber eine Impfung auch, nur bei viel weniger Gesundheitsrisiko. Dass eine „natürliche“ Infektion dem Effekt der „künstlichen“ Immunisierung überlegen sei, ist durch nichts belegt. Es gibt somit keinerlei Hinweise darauf, dass umgeimpfte Kinder körperlich oder geistig gesünder sind.

Inzwischen deutet viel darauf hin, dass sogar das Gegenteil der Fall ist. Eine Infektion mit Masern führt nicht nur zu den bekannten Symptomen auf der Haut, sondern kann auch eine wenig bekannte und unsichtbare Folge zeitigen: eine Löschung des immunologischen Gedächtnisses. Jene Gedächtniszellen, die sich den molekularen Steckbrief vieler Erreger merken und blitzschnell die Abwehr eines Angreifers veranlassen, sterben ab, wenn Masernerreger daran andocken. Das Immunsystem hängt dadurch gewissermaßen in den Seilen, kann sich gegen andere eindringende Viren oder Bakterien kaum noch wehren und muss erst allmählich wieder neu aufgebaut werden. Es ist gleichsam eine Neuprogrammierung erforderlich. Eine „Immunamnesie“ nennt dies Ursula Wiedermann. „Betroffene Kinder sind dann anfällig für alle möglichen anderen Keime und auch Superinfektionen. Der Preis für eine Masernerkrankung kann hoch sein.

8. Wie groß ist die Gefahr von Nebenwirkungen?

Impfungen können – wie jedes medizinisch wirksame Präparat – Nebenwirkungen hervorrufen, allerdings geschieht dies in extrem seltenen Fällen. Vor allem sind die potenziellen Folgen einer Infektion mit einem Virus oder Bakterium weitaus gravierender als jene durch die Impfung. Die Risiko-Nutzen-Rechnung geht somit überwältigend deutlich zugunsten der Impfungen aus.

Dies lässt sich mit Zahlen solide belegen. Bei der Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) kommt es in einem Fall pro einer Million zu einer Entzündung des Gehirns. Bei einer Ansteckung mit dem Masernvirus trifft dies aber auf eine von 1000 infizierten Personen zu, von denen wiederum 25 Prozent versterben. Das Risiko, noch dazu ein tödliches, liegt also um den Faktor 1000 höher. Hinzu kommt die Gefahr, sich als Spätfolge die ebenfalls tödlich verlaufende Hirnerkrankung SSPE einzuhandeln. Davon sind ein bis zwei von 10.000 Infizierten betroffen. Will man die Gefahren der MMR-Impfung mit jenen der Erreger vergleichen, muss man außerdem Mumps und Röteln in die Bewertung einschließen. Röteln führen bei einem Viertel aller schwangeren Frauen zu Fehlgeburten oder schweren Missbildungen des Kindes, Mumps bei vier Prozent der Erkrankten zu vorübergehender und bei einem von 20.000 zu bleibender Taubheit. Hinzu kommt die Gefahr von Hodenentzündung und daraus resultierender Unfruchtbarkeit.

Ein anderes Beispiel wäre die Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten. Sie kann US-Daten zufolge bei einer von etwa 14.000 Personen vorübergehende Krämpfe auslösen. Zum Vergleich dazu die Komplikationen durch eine Ansteckung mit den Erregern: An Tetanus stirbt einer von zehn, an Diphtherie einer von 20, an Keuchhusten einer von 500. Infolge einer Windpocken-Impfung landen zwei von 100.000 Personen im Spital, nach der Infektion 400. Impfungen können also durchaus Schäden hinterlassen, in manchen Fällen sogar bleibende. Aber genau dies können Infektionen ebenfalls, und zwar in enorm höherem Ausmaß.

9. Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Zunächst muss man zwischen Impfreaktionen und Impfkomplikationen unterscheiden, die im Extremfall zu einem dauerhaften Schaden führen. Zur ersten Gruppe zählen harmlose Reaktionen auf die Injektion wie Rötungen, Brennen oder Schwellungen an der Einstichstelle, Unwohlsein und Abgeschlagenheit. Auch Fieber kann auftreten. Diese Symptome, die ein bis drei Tage anhalten und rund zehn Prozent der Geimpften betreffen, zeigen vor allem eines: dass das Immunsystem seinen Job tut. Indem es als Antwort auf den Impfstoff in den Abwehrmodus schaltet, wappnet es sich für einen künftigen Kontakt mit echten Erregern. Seltener ist die sogenannte Impfkrankheit: In einigen Prozent treten beispielsweise „Impfmasern“ auf, leichte Anzeichen einer Infektion – jedoch ohne gravierende Folgen wie Gehirnentzündungen. Außerdem kann man keine weiteren Personen anstecken.

Solche Probleme beschränken sich auf Lebendimpftoffe wie jenen gegen Masern, weil sich darin zwar abgeschwächte, aber noch vermehrungsfähige Erreger befinden. Dass die Impfung die eigentliche Krankheit verursacht, kam früher immer wieder vor, zum Beispiel bei der Polio-Schluckimpfung, die ebenfalls auf einem Lebendimpfstoff beruhte. Die Ursache lag im Herstellungsverfahren: Will man vermehrungsfähige Viren verwenden, muss man ihnen die krankmachenden Eigenschaften über durch Mutation wegzüchten. Am Schluss hat man eine abgeschwächte Variante, die eine Immunreaktion auslöst, aber keine Krankheit. Beim Impfstoff gegen Kinderlähmung kam es in der Vergangenheit aber gleichsam zu einer Rückmutation: Die abgemilderten Viren entwickelten sich retour Richtung Wildtyp. Deshalb wurde der Polio-Impfstoff längst vom Markt genommen. Statt dessen kommen heute Totimpfstoffe zum Einsatz. Diese können keine Ssymptome der eigentlichen Krankheit auslösen, weil eben keine vermehrungsfähigen Erreger enthalten sind, sondern inaktivierte oder sogar nur Bruchstücke davon.

Die Probleme durch die Polio-Vakzine fielen allerdings bereits in die Klasse der echten Impfschäden. Das sind mit etwa einem Fall pro einer Million Geimpfter zum Glück sehr seltene, aber gravierende Ereignisse, die oft mit neurologischen Beeinträchtigungen oder einer Behinderung einhergehen. In Österreich langen pro Jahr zwischen ein und vier Anträge auf Erstattung eines vermuteten Impfschadens ein, erläutert der Wiener Infektionsexperte Herwig Kollaritsch. Im Schnitt wird jährlich einer davon anerkannt. Demgegenüber stehe die Menge der pro Jahr in Österreich verabreichten Impfdosen: 2,5 bis 3,5 Millionen. Über längere Zeiträume betrachtet, lag die Zahl anerkannter Impfschäden deutlich höher: 407 waren es insgesamt zwischen 1990 und 2018. Hier ist mehrheitlich der späte Abschluss weit zurückreichender Fälle ausschlaggebend, die längst nicht mehr in Verwendung befindliche Impfstoffe gegen TBC oder sogar die Pocken betrafen. Mit anderen Worten: Die heutigen Präparate sind viel sicherer, weshalb deutlich weniger Probleme gemeldet werden.

10. Warum kommt es überhaupt zu Impfschäden?

Was ist aber der Grund, dass die allermeisten Menschen Impfungen gut vertragen, einige wenige aber nicht? Dafür gibt es drei Möglichkeiten: Zum einen kann es an der geimpften Person liegen. „Es gibt genetische, metabolische oder hormonelle Einflüsse für erhöhte Reaktivität“, sagt Ursula Wiedermann, Professorin für Vakzinologie am Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin. Besonderheiten der genetischen Ausstattung wie angeborene Immunschwäche, des Stoffwechsels oder im Hormonhaushalt können dazu führen, dass sich das Immunsystem im Einzelfall anders verhält als bei der überwiegenden Mehrheit. Seltene genetische Veranlagungen, meist unerkannt, können zu besonders schweren Komplikationen führen. Hier gilt, was auch auf alle anderen Sparten der Medizin zutrifft: Unser Organismus ist ein höchst individuelles Konstrukt, nicht alle Menschen sprechen daher auf Behandlungen gleich gut an – und nicht alle vertragen sie gleich gut.

Weiters kann die fehlerhafte Anwendung von Impfstoffen Schäden verursachen. „Es liegt dann an der Impftechnik, an einer falschen Applikation oder schlechter Lagerung“, so Wiedermann. Zu diesem Problemkreis zählt, wenn eine Injektion unsachgemäß dosiert oder statt in den Muskel  knapp unter die Haut injiziert wird.

Drittens kann es der Impfstoff selber sein, der Komplikationen hervorruft – zum Glück selten, aber mitunter eben doch, und das sind dann jene Fälle, die beständig als Argument dafür herangezogen werden, dass Impfungen generell riskant sind. Ein Beispiel dafür ist Pandemrix, ein Präparat des Herstellers GlaxoSmithKline, das gegen die Schweinegrippe eingesetzt wurde. Im skandinavischen Raum, wo sich besonders viele Menschen gegen diese neue Form der Grippe impfen ließen, kam es in der Folge zu einer Häufung von Fällen der Narkolepsie, im Volksmund Schlafkrankheit. Die Ursache ist nicht restlos geklärt, doch es stellte sich heraus, dass Warnsignale hinsichtlich der Nebenwirkung ignoriert worden waren – ein grober Fehler, der zeigt, wie Versagen im Einzelfall eine ganze Gesundheitsmaßnahme in Misskredit bringt. Insgesamt traten etwa 160 Fälle von Narkolepsie auf – bei mehr als 30 Millionen verabreichten Impfstoffdosen. Und an der saisonalen Influenza versterben allein in Österreich, je nach Jahr, 800 bis 2000 Menschen. Dennoch: In Anbetracht des Zündstoffs, den das Thema Impfungen birgt, sind Vorfälle wie bei Pandemrix nicht tolerierbar.

11. Löst die Grippeimpfung Grippe aus?

Viele Menschen berichten, sich ausgerechnet nach der Grippeimpfung eine Grippe eingefangen zu haben. Sie gelangen daher zur Überzeugung, dass die Impfung problematischer als das Virus selbst ist und beschließen, sich nie wieder impfen zu lassen. Doch ein Zusammenhang ist hochgradig unwahrscheinlich, da es sich um einen Totimpfstoff handelt, der nicht imstande ist, die Symptome der tatsächlichen Infektion auszulösen. Viel naheliegender ist, dass, wie so oft im Leben, zwei Dinge zugleich auftreten, die aber nicht ursächlich verbunden sind: Wer impfen geht, tut dies meist im Herbst, wenn eine Vielzahl von Erkältungsviren kursiert. Die Chance ist relativ hoch, genau dann die Ordination zwecks Impfung aufzusuchen, wenn sich andere Personen wegen eines grippalen Infekts krankschreiben lassen. Wohl aber kann es infolge der Impfung zu leichten grippalen Beschwerden kommen – ein Anzeichen dafür, dass das Immunsystem seine Aufgabe erledigt.

Einige Studien deuten allerdings darauf hin, dass Influenzaimpfungen für das seltene Nervenleiden Guillain-Barré-Syndrom verantwortlich sein könnten, das zu Lähmungen führen kann – meist vorübergehend, manchmal aber bleibend. Der kausale Zusammenhang ist ebensowenig geklärt wie die Frage, welche konkreten Produkte ein potenzielles Risiko bergen, welches mit ein bis zwei Betroffenen pro Million Geimpfter jedenfalls ziemlich gering ist.

Das größte Manko der Influenzaimpfung ist die stark schwankende Wirksamkeit. In der aktuellen Saison war die Effektivität sehr hoch, 2017 dagegen wurde lediglich eine Schutzimmunität von um die 40 Prozent erzielt. Diese Unsicherheit ist darauf zurückzuführen, dass Influenzaviren besonders veränderungsfreudig sind. Impfstoffhersteller müssen aber schon Monate vor Beginn der Grippesaison mit der Produktion beginnen und daher die Beschaffenheit des nächsten Erregerstamms vorwegnehmen. Dabei treffen sie mal genauer ins Schwarze, mal weniger gut. 2017 starben in Österreich fast 3000 Menschen infolge einer Grippeinfektion – um ein Vielfaches mehr als durch sämtliche Impfkomplikationen seit Jahrzehnten.

12. Können Impfungen Allergien verursachen?

Diese Vermutung wurde immer wieder geäußert, ist allerdings durch nichts belegt. Stark gegen einen solchen Zusammenhang sprechen Beobachtungen im früheren Ostdeutschland. Die Region ist in Bezug auf viele Krankheiten interessant, weil man Unterschiede vor und nach der Wiedervereinigung studieren kann. In der DDR waren die Impfraten sehr hoch, viel höher als in westlichen Ländern. Zugleich jedoch hatte kaum jemand Allergien. Deren Zahl stieg erst nach der Wiedervereinigung auf westliches Niveau, was sehr wahrscheinlich an einem Bündel von Lebensstilfaktoren liegt. Impfungen haben aber offenkundig keinen Einfluss darauf. Wer allerdings unter einer Allergie gegen Hühnereiweiß leidet, verträgt womöglich Impfungen wie jene gegen Influenza nicht: Denn sie werden in Hühnereiern angezüchtet.

Eine weitere Befürchtung lautet, dass Impfungen plötzlichen Kindstod bewirken können. Auch hier konnten Studien bisher keinerlei kausalen Zusammenhang finden. Vermutlich handelt es sich ebenfalls um eine blanke Korrelation: Plötzlicher Kindstod tritt vor allem im ersten Lebensjahr auf – genau dann, wenn auch der erste Schwung an Impfungen verabreicht wird. Einige Studien deuten sogar eher darauf hin, dass am plötzlichen Kindstod verstorbene Kinder seltener und später geimpft wurden.

13. Wozu überhaupt ein Risiko in Kauf nehmen?

Warum sollte man aber ein noch so kleines Risiko durch eine Impfung akzeptieren, wo doch die meisten Infektionskrankheiten scheinbar keine Bedrohung mehr darstellen? Und haben nicht viele Menschen als Kinder noch Infektionen durchgemacht, ohne mehr zu erdulden als ein paar lästige Wochen? Zum ersten Einwand ist zu sagen: Tatsächlich ist die Erinnerung an Polio, Masern, Keuchhusten oder Keuchhusten ziemlich verblasst. Wer hat noch Begriffe wie „Würgeengel der Kinder“ für die Diphtherie im Kopf? Einst waren das geflügelte Worte, und dass sie weitgehend in Vergessenheit geraten sind, liegt eben am Erfolg der Impfungen. Das bedeutet aber nicht, dass es heute obsolet wäre, sich davor zu schützen: In Gebieten der ehemaligen Sowjetunion grassierte die Diphtherie in den 1990er-Jahren, weil viele Menschen die nötige Auffrischung aus den Augen verloren hatten. Die Folge waren an die 4000 Tote. Und in den vergangenen Jahren kam es in vielen Ländern immer wieder zu lokalen Masernausbrüchen. Aber ohne Zweifel bedarf es einer gewissen Überwindung, sich als völlig gesunder Mensch zu einem Eingriff – und einen solchen stellt eine Impfung nun mal dar – zu entschließen.

Zweitens stimmt es natürlich, dass viele Menschen Infektionen ohne große Probleme hinter sich bringen und nur eine Minderheit ernste Folgen erleidet. Da spielt aber leicht die eingeschränkte Wahrnehmung einen Streich: Nur weil man selbst glimpflich davonkam, trifft dies ja nicht auf alle Infizierten zu. Man müsste schon 1000 Leute kennen, um darunter einen zu finden, der an Enzepahlitis erkrankt ist, an einer Gehirnentzündung durch Masern. Andererseits: Man träfe unter 999.999 Bekannten keinen einzigen, der aufgrund einer Masernimpfung eine Enzephalitis erlitten hat.

Alwin   Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft