Suljovic beim Training.

Darts-Star Suljović: "Wir sind keine Wirtshaus-Sportler“

Österreich Darts-Sensation Mensur Suljović (43) über mediale Missverständnisse, den Stellenwert seiner Sportart in anderen Ländern und die Möglichkeit, mit Erfolgen Vorurteilen entgegenzuwirken.

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Ein Österreicher mischt die große Welt des Darts-Sport auf: Der Wiener Mensur Suljović besiegte zuletzt beim zweitgrößten Turnier der Welt den amtierenden Weltmeister Gary Anderson aus Schottland und sorgte damit für allerlei Aufsehen. Suljović ist jedoch nicht nur ein Vorzeige-Sportler, sondern auch ein ausgesprochen umgänglicher und bescheidener Charakter. Nicht umsonst wird der 43-Jährige auf der Darts-Tour „The Gentle“ („Der Sanfte“) genannt. Denselben Namen trägt auch Suljovićs Lokal im 20. Wiener Gemeindebezirk, wo profil den erfolgreichsten Darts-Sportler im deutschsprachigen Raum zum Interview traf.

Mensur Suljovic vor seinem Lokal „The Gentle“ (Pasettistraße 107, 1200 Wien)

INTERVIEW: CLEMENS ENGERT FOTOS: MARTIN GAMPER

profil: Herr Suljović, wie oft hat bei Ihnen seit dem Sensations-Sieg über Weltmeister Gary Anderson das Handy geklingelt? Mensur Suljović: Extrem oft. Gott sei dank.

profil: Sie sind der beste Dartspieler im deutschsprachigen Raum. Im deutschen Fernsehen (Anm.: der Sender Sport 1 überträgt regelmäßig) werden Ihre Auftritte bejubelt. Fühlen Sie sich in Österreich teilweise zu wenig beachtet? Suljović: Ja, leider gab es in Österreich bislang kaum Interesse. Ein paar Mal haben Journalisten bei Turnieren vorbeigeschaut, aber es hat ihnen offenbar nicht sonderlich gefallen. Wir haben hier leider auch nicht die Möglichkeiten, so große, professionelle Veranstaltungen auf die Beine zu stellen wie etwa die BBC in England. Auch in Deutschland ist Darts schon viel populärer als bei uns. Dort wird es als Sportart wirklich Ernst genommen. In Großbritannien und Holland sowieso. In Österreich heißt es oft: „Du bist Darts-Spieler? Na und? Das hab ich ja auch schon mal gespielt.“

profil: Welchen Beitrag leisten die Darts-Übertragungen im Fernsehen für die Popularität des Sports? Suljovic: Einen sehr großen. Mir ist es früher zum Beispiel nie passiert, dass ich auf der Straße angesprochen werde oder, dass mir einfach so gratuliert wird. Das kommt in letzter Zeit doch häufiger vor, weil neue Leute die Sportart entdecken und positiv überrascht sind. Viele sagen mir jetzt persönlich, dass sie – obwohl sie Darts vorher nie beachtet haben - im Fernsehen mitgefiebert haben. Das ist wirklich etwas Schönes.

profil: Glauben Sie, dass Sie mit Ihren Erfolgen dazu beitragen können, dass auch das mediale Interesse am Darts-Sport in Österreich steigt? Suljović: Ich hoffe es, glaube aber eher nicht daran. Nach Erfolgen gibt es manchmal kurze Berichte, rund um die Weltmeisterschaft im Dezember kommen normalerweise auch ein paar Anfragen – aber danach ebbt es gleich wieder ab.

profil: Können Sie mittlerweile vom Darts-Sport leben? Suljović: Nein, keine Chance.

profil: Ab welcher Weltranglisten-Position geht sich das in etwa aus? Suljović: Ab Platz 16 etwa.

profil: Mit Platz 28 sind Sie ja davon derzeit gar nicht so weit entfernt. Suljović: Ja, ich werde auf jeden Fall versuchen, mich noch weiter nach vorne zu kämpfen. Aber es ist halt eine schwierige Sache: Wenn man ein Jahr gut spielt, muss man im Jahr darauf auch gut spielen und seine Punkte verteidigen.

profil: Wie oft und wie lange trainieren Sie? Suljović: Ich habe eigentlich früher viel mehr trainiert als jetzt. Damals waren es so sechs, sieben Stunden am Tag – jetzt sind es doch weniger, weil ich ja auch andere Verpflichtungen wie zum Beispiel die Familie habe. Aber drei bis fünf Stunden brauche ich einfach, um mein Niveau halten zu können.

Manche Medienvertreter kommen auf unsere Events, sehen ein paar wenige Betrunkene im Publikum und drücken uns dann diesen Wirtshaus-Stempel auf.

profil: Welchen Stellenwert haben beim Darts Talent und Trainingsfleiß im Vergleich zu Sportarten wie Tennis? Suljović: Ich sage immer, 80 Prozent ist Fleiß und 20 Prozent Talent.

profil: Wäre es für Sie wünschenswert, dass in Zukunft Events vermehrt in „echten“ Sportstätten ausgetragen werden und weniger in Pubs? Suljović: Ja, das hoffe ich. Gerade die Medien machen es uns oft schwer, weil sie uns gerne den „Wirtshaus-Sport“-Stempel aufdrücken. Die wissen einfach nicht, dass wir fünf, sechs Stunden am Tag vor dem Board stehen und welche Konzentration dafür erforderlich ist. Manche Medienvertreter kommen auf unsere Events, sehen ein paar wenige Betrunkene im Publikum und drücken uns dann diesen Stempel auf. Ich finde das einfach nicht korrekt, wenn unsere sportliche Leistung deswegen nicht anerkannt wird. Bei anderen Sportarten gibt es genauso Zuseher, die Alkohol trinken.

profil: Auch bei Großveranstaltungen wie der WM herrscht im Publikum eine ausgelassene Partystimmung. Nervt Sie das manchmal oder können Sie damit gut leben? Suljović: Die Leute, die kommen, sind ja trotzdem auch Fans des Darts-Sports. Es ist für alle ein Erlebnis, ihre Idole sehen zu können und deshalb darf auch ruhig gefeiert werden. Im Fernsehen hat man oft den Eindruck, dass manche Leute im Publikum gar nicht das Geschehen auf der Bühne verfolgen, aber das stimmt so nicht - es sind ja überall Leinwände. Die Stimmung ist jedenfalls einzigartig.

profil: Wie ist die Kameradschaft zwischen den Dartspielern? Gibt es große Rivalitäten oder läuft alles eher amikal ab? Suljović: Wir verstehen uns untereinander eigentlich alle gut. Hin und wieder gibt es kleinere Konflikte, aber das regelt sich dann meist auch bald. Allerdings gibt es auch nur selten echte Freundschaften. Das ist glaube ich ähnlich wie bei anderen Sportarten.

Das Gute an dieser Sportart ist, dass sie jeder betreiben kann. (...) Es gibt im Prinzip kein Handicap.

profil: Viele Darts-Profis haben – vorsichtig formuliert – eine nicht gerade sehr sportliche Figur. Suljović: Ja, viele sind übergewichtig, das stimmt schon. Das Gute an dieser Sportart ist, dass sie jeder betreiben kann. Ein Dünner kann genauso Darts spielen wie ein Dicker. Ein Kleiner wie ein Großer. Ein Zehnjähriger wie ein Fünfzigjähriger. Es gibt im Prinzip kein Handicap.

profil: Wie sieht es in Österreich mit dem Darts-Nachwuchs aus? Kann man in Zukunft mit mehr Suljovićs rechnen? Suljović: Österreich ist ein kleines Land, aber es passiert relativ viel. Es wird wirklich viel für den Nachwuchs gemacht. Ich habe zuletzt auch mit jungen, österreichischen Spielern trainiert – gerade durch meine jüngsten Erfolge fühlen die sich zusätzlich motiviert.

profil: Wie kann man sich den Stellenwert von Darts in Großbritannien vorstellen? Ist jemand wie Phil Taylor (Anm.: sechzehnfacher Weltmeister und allgemein als bester Dartspieler aller Zeiten anerkannt) ähnlich populär wie Wayne Rooney & Co.? Suljović: Absolut. Taylor kann sich nicht in der Öffentlichkeit bewegen, ohne ständig angesprochen zu werden – das hat er mir selbst schon erzählt. Jeder kennt ihn. In England stehen halt in jedem Pub drei, vier Leinwände, wo ständig Darts gezeigt wird. Da muss fast zwangsläufig jeder Phil Taylor kennen.

profil: Was hat Taylor sportlich so einzigartig gemacht? Warum wurde er der Beste der Besten? Suljović: Er hat selber einmal gesagt: „Wenn ihr acht Stunden trainiert, trainiere ich zehn Stunden“. Das ist ganz simpel. Vielleicht ist er nicht der Schönste, aber er hat einen unbändigen Willen und ist im Kopf der Stärkste.

profil: Als wir über ihren Sieg gegen Weltmeister Gary Anderson berichtet haben, haben manche Leute – in Anspielung auf Ihren Migrationshintergrund – gemeint: „Sobald er erfolgreich ist, wird er als Wiener anerkannt und bejubelt – hätte er etwas angestellt, wäre er immer noch Serbe.“ Suljović: Ich kann nur sagen, ich fühle mich als Österreicher und es ist mir egal, was andere darüber denken.

Wenn mich jemand nicht akzeptiert, dann akzeptiert er mich nicht – ich kann und will ihn nicht dazu zwingen.

profil: Haben Sie in der Vergangenheit negative Erfahrungen mit Vorurteilen gemacht oder wurden Sie überall als „echter Wiener“ akzeptiert? Suljović: Nicht überall, aber das hat mich nie gestört. Wenn mich jemand nicht akzeptiert, dann akzeptiert er mich nicht – ich kann und will ihn nicht dazu zwingen. Natürlich hat man es da auch leichter, wenn man erfolgreich ist. Das ist ganz normal.

profil: Was halten Sie von der Integrationspolitik in Österreich? Suljović: Ich bin Sportler und kein Politiker. Da mische ich mich nicht ein.

profil: Was ist die beste Anlaufstelle, wenn man in Wien mit dem Darts-Sport beginnen will? Suljović: Wir haben hier im „Gentle“ einen super Verein, den „DC Darts-Control“. Wir trainieren jeden Dienstag, Neulinge sind jederzeit herzlich willkommen. Ich nehme mir auch gerne persönlich eine halbe Stunde Zeit und gebe Tipps.

profil: Wie lange braucht man als Anfänger in etwa, bis man die Höchstpunktezahl von 180 zumindest hin und wieder werfen kann? Suljović: Wenn man jeden Tag wirklich hochkonzentriert trainiert, schafft man vielleicht nach ein, zwei Wochen die 180. Wenn man allerdings einfach nur ziellos auf die Scheibe wirft, wird das garantiert Nichts.

DARTS FÜR DUMMIES

- Die größten Turniere sind das „Darts World Matchplay“, bei dem Suljović zuletzt groß aufzeigen konnte, und die offiziellen Weltmeisterschaften „World Professional Darts Championship“, die jedes Jahr rund um die Weihnachtszeit ausgetragen werden.

- Ein Dartboard besteht aus 20 Feldern, die jeweils einen „Double ring“ (Punktezahl wird verdoppelt) und einen „Triple ring“ (Punktezahl wird verdreifacht) haben. In der Mitte des Boards liegen das grüne „Bull“ (25 Punkte) und das rote „Bull´s Eye“ (50 Punkte).

- Bei den meisten Turnieren wird im 501-Punkte-Modus gespielt: Die Spieler werfen abwechselnd ihre drei Pfeile auf die Scheibe. Die vom Spieler erreichten Punkte werden von den 501 Punkten abgezogen. Wer zuerst genau null Punkte erreicht, hat ein sogenanntes „Leg“ gewonnen. Je nach Turniermodus variiert die Anzahl der „Legs“ oder „Sets“ (ein Set setzt sich in der Regel aus drei gewonnen Legs zusammen), die gewonnen werden müssen, um ein Spiel für sich zu entscheiden.

- Entgegen einem weitverbreiteten Irrtum ist nicht das „Bull´s Eye“ das Non-Plus-Ultra, das man mit einem Dart erzielen kann, sondern das Triple-20-Feld. Das Maximum einer „Aufnahme“ aus drei Darts sind somit 180 (3x60) Punkte. Theoretisch hat man die Chance, ein 501-Punkte-Leg mit nur 9 Darts zu gewinnen – dieses sogenannte „9-Dart Finish“ kommt jedoch äußerst selten vor (von der Häufigkeit her etwa vergleichbar mit einem Hole-in-one beim Golf) und wird dementsprechend euphorisch bejubelt.

- Die beiden Darts-Nationen mit den meistens Spitzenspielern sind Großbritannien und die Niederlande – in beiden Ländern erreichen die Fernsehübertragungen der großen Turniere Rekordquoten.

- Wer in Österreich mit dem Darts-Sport beginnen will, kann sich zum Beispiel an Suljovićs Verein DC Darts-Control (http://www.darts-control.at/) wenden. Unter www.wdv-dart.at/_links/ findet sich auch eine Auflistung von Vereinen in den Bundesländern.