Modedesignerin Marina Hörmanseder über Leder, Lady Gaga und die AUA

Vor zwei Jahren nähte Marina Hörmanseder an ihrer Modeschul-Abschlusskollektion. Heute entwirft sie Uniformen für die AUA und Kleider für Lady Gaga. Gespräch mit einer Senkrechtstarterin.

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profil: Vor ein paar Monaten fertigten Sie Ihre Entwürfe noch auf dem Küchenboden. Heute hat Ihr Label ein großes Atelier, 16 Mitarbeiter und erledigt Aufträge für internationale Konzerne. Wie konnte es dazu kommen? Hörmanseder: Ich hatte nicht den Plan, so schnell so erfolgreich zu sein. Ich bin dieser Entwicklung selbst hinterhergelaufen.

profil: Vor Ihrem Modestudium haben Sie einen Abschluss in internationaler Betriebswirtschaftslehre gemacht. Hilft das denn beim Erfolgreichsein? Hörmanseder: Meine Eltern haben mir ein wohlwollendes Ultimatum gestellt: Wenn ich meinen IBWL-Bachelor mache, kann ich anschließend Mode studieren. Nach dem Bachelor dachte ich, das ist mir jetzt auch nicht genug. Also habe ich den Master angehängt. Dafür war ich dann ein Semester auf Hawaii. Das war der zweite Teil des Deals.

profil: Kein ganz schlechtes Geschäft. Hörmanseder: Trotzdem war es nicht immer einfach. Freunde haben mich gefragt: "Warum tust du nichts für deinen Traum?“ Und ich musste Buchhaltung lernen. Aber im Nachhinein hat es sich absolut ausgezahlt. Einerseits wäre ich gleich nach der Matura wohl noch nicht reif genug gewesen, um allein ein Unternehmen aufzubauen. Andererseits wird mir mit meinem Abschluss eine gewisse Kompetenz zugestanden. Das hilft in Verhandlungen mit Lieferanten und Geschäftspartnern. Und natürlich wird man im Wirtschaftsstudium darauf gepolt, nicht ewig der Kunst zu dienen, sondern auch einmal Geld zu verdienen.

Ich war auf einer Stoffmesse in Italien und hab eine E-Mail bekommen mit der Betreffzeile ‘Marina Hörmanseder x Lady Gaga‘. Erstmal habe ich eine Vollbremsung gemacht und das Mail gleich wieder zugemacht. Ich dachte, das sei eine Ente.

profil: Wie vertragen sich Kunst und Kommerz aktuell im Hause Hörmanseder? Hörmanseder: Das eine führt zum anderen. Beim Designen denkt man natürlich auch an den Verkauf. Umgekehrt generiert die Kunst Aufmerksamkeit und wird damit ökonomisch wichtig. Insofern handelt es sich um eine Symbiose.

profil: Apropos Aufmerksamkeit: Wie kommt man als Modestudentin mit Lady Gaga in Kontakt? Hörmanseder: Ich war auf einer Stoffmesse in Italien und hab eine E-Mail bekommen mit der Betreffzeile "Marina Hörmanseder x Lady Gaga“. Erstmal habe ich eine Vollbremsung gemacht und das Mail gleich wieder zugemacht. Ich dachte, das sei eine Ente. Am Abend habe ich es mir nochmal näher angeschaut. Es war keine Ente.

profil: Wer hatte das Mail geschrieben? Hörmanseder: Der Stylist von Lady Gaga war über Presseberichte auf meine Diplomkollektion aufmerksam geworden. Für mich ist in dieser Hinsicht vor allem Instagram unglaublich wichtig geworden. Von den meisten Stylisten, zum Beispiel auch jenem von Rihanna, bekomme ich heute nur noch Screenshots von Instagram: Das hier hätten wir gerne. Ich verbringe auch entsprechend viel Zeit mit der Plattform - um Traffic zu generieren, um Stylisten zu kontaktieren, ihnen zu folgen, sie zu kommentieren, damit sie wiederum auf mich aufmerksam werden. Unsere Kunden in Amerika kommen inzwischen zum Großteil auf diesem Weg. Erst heute Nacht ging eine Bestellung aus Mexiko ein: Bitte den einen Rock von Instagram!

Mein Vater hat den Leitsatz geprägt: Marina, der Meister brilliert in der Knappheit der Ressourcen.

profil: Produziert wird aber nach wie vor traditionell-handwerklich? Hörmanseder: Zu den größten Herausforderungen zählt tatsächlich, Betriebe zu finden, die das für einen herstellen können. Einen Lederstriemenrock zum Beispiel machen wir nach wie vor bei uns im Atelier. Man kann keinen Hersteller dazu bewegen, das zu produzieren. Der Aufwand und die Kosten stehen in keiner Relation zum Handelspreis. Mein Vater hat dazu den Leitsatz geprägt: Marina, der Meister brilliert in der Knappheit der Ressourcen. Dieser Satz war auch der Ansporn, wenn ich mal wieder kilometerlange Lederstriemen auf dem Küchenboden zurechtgeschnitten habe.

profil: Sie waren Kummer gewohnt: Ihr Praktikum bei Alexander McQueen war, wie man hört, eine eher schwierige Zeit. Muss man in der Mode erst einmal leiden lernen? Hörmanseder: Im Nachhinein war das tatsächlich die härteste Zeit meines Lebens - aber auch die beste Schule für das, was ich heute mache. Die 18-Stunden-Tage, diese beinharte Kompromisslosigkeit haben mir eine Arbeitseinstellung antrainiert, die man einfach braucht: Etwas wird im Zweifelsfall eben 20 Mal gemacht, bis es perfekt ist. Es geht nichts hinaus, womit man nicht hundertprozentig zufrieden ist - und wenn das bedeutet, dass man noch eine Nacht durchmacht.

profil: "Wird schon gehen“ geht nicht? Hörmanseder: Geht definitiv nicht. Auch bei mir in der Firma ziehe ich diese Mentalität durch. Ich bin aber möglicherweise nicht so hart zu meinen Praktikanten.

profil: Ihr jüngster Coup war die Gestaltung der neuen AUA-Uniformen. Bei einem derartigen Auftrag sind Kompromisse wohl unvermeidlich. Hörmanseder: In der Ausschreibung hieß es zunächst: Seid ganz frei, verwegen, kreativ. Also bin ich in die Präsentation hineingegangen und habe gesagt: Wenn ich komplett frei wäre, würde die AUA-Uniform so aussehen: roter Schnallenlederrock, rotes Korsett. Die Aufmerksamkeit war mir damit sicher. Dann habe ich mein eigentliches, praxisnäheres Konzept präsentiert. Aber auch daran wurde natürlich noch viel gefeilt. Da geht es um Kosten, um Funktionalität, um Stoffe. Aber auch um Rock- oder Ärmellängen, die weltweit politisch akzeptabel sind. Um Temperaturunterschiede und Bewegungsabläufe.

profil: Bewegungsabläufe? Hörmanseder: Mittlerweile kann ich nicht mehr entspannt fliegen, weil ich immer studieren muss, was die Flugbegleiterinnen gerade machen - zum Beispiel, wie oft sie die Hände zum Gepäckfach heben. Deshalb macht es zum Beispiel Sinn, die Bluse als Body zu gestalten, damit sie nicht rausrutscht. Oder beim Bodenpersonal: Die immergleiche Bewegung zum Koffer am Gepäckband nützt den Blazer an einer ganz bestimmten Stelle ab, der muss also genau dort verstärkt sein. Hochinteressant!

Marina Hörmanseder, 28

Mit ihren Kollektionen, die häufig mit Fetisch-Elementen durchsetzt oder von orthopädischen Produkten inspiriert sind, hat die gebürtige Wienerin, die nach einem Wirtschaftsstudium erst vor knapp zwei Jahren in die Modebranche einstieg, bereits für erhebliche internationale Aufmerksamkeit gesorgt. Prominente wie Lady Gaga oder FKA Twigs trugen öffentlich ihre Entwürfe, die AUA ließ ihre neuen Mitarbeiter-Uniformen von Hörmanseder entwerfen, auch mit Nike wird kooperiert. Die Lederstriemen-Röcke der 28-Jährigen sind bereits zu so etwas wie zeitgenössischen Klassikern avanciert. Vom 11. bis 13. Juni präsentiert Hörmanseder ihre Frühjahr/Sommer-Kollektion 2015 in einem Pop-up-Laden in Wien (Lindengasse 27, 1070 Wien). Die Designerin ist anwesend. www.marinahoermanseder.com

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.