@NeinQuarterly Eric Jarosinski: „Verglichen mit Karl Kraus bin ich ein Anfänger”

@NeinQuarterly Eric Jarosinski: „Verglichen mit Karl Kraus bin ich ein Anfänger”

Drucken

Schriftgröße

Wer richtig lachen will, sollte den Twitter-Account von Eric Jarosinski aufrufen. Unter dem Pseudonym "NeinQuarterly“ bringt der amerikanische Germanist dort kecke Wortspiele und witzelt auch über Eigenheiten der deutschen Sprache. Zum Beispiel: "Life is short, German words are long. Choose wisely.“ Lose übersetzt: "Das Leben ist kurz, deutsche Worte sind lang. Wählen Sie richtig.“

Mittlerweile hat Jarosinski mehr als 100.000 Follower, seine akademische Laufbahn als Germanist aufgegeben und schreibt stattdessen eine Kolumne in der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit“ sowie ein Buch im Fischer Verlag (mit dem wunderbaren Titel: "Nein.“). Sein Ziel ist, eine Art Karl Kraus 2.0 zu werden und messerscharfe Aphorismen für das Leben in digitalen Zeiten zu liefern.

Bei einem Besuch in Berlin, wo er auf der Internetkonferenz re:publica auftrat, sprach er mit profil - auf Deutsch und über deutsche Klischees.

profil: Sie twittern auf Englisch und auf Deutsch und immer in einer witzigen Untergangsstimmung. Neigt die deutsche Sprache zu einem besonderen Fatalismus? Eric Jarosinski: Nein, das glaube ich nicht. Nur wird der deutschen Sprache oft eine gewisse Schwere, ein besonderes Gewicht, zugeschrieben. Man kann die dümmsten Sachen im Deutschen sagen, für jemanden, der die Sprache nicht kann, wird das total ernst und auch irgendwie intelligent klingen. In vielen Parodien beispielsweise werden Deutsche oft so dargestellt, als würden sie extrem laut sprechen und extrem von sich selbst überzeugt sein. Das stimmt natürlich gar nicht. Aber mit dieser Wahrnehmung spiele ich.

profil: Wirkt Deutsch auch deswegen so ernst, weil unsere Sprachmelodie viel monotoner ist als in anderen Sprachen? Jarosinski: Durchaus. Wenn Deutsche ihre Arbeitskollegen begrüßen, bleibt die Stimme ziemlich monoton. Es heißt: "Guten Morgen, Frau Schmidt!“ Im Englischen hingegen wandert die Stimme oft auf und ab. Die Intonation spielt sicher eine Rolle. Hinzu kommt, dass deutsche Worte verdammt lang sind.

profil: Haben Sie ein Beispiel? Jarosinksi: Ja, die Vorratsdatenspeicherung. In diesem Wort stecken richtig viele Silben drinnen. Das wirkt für Nicht-Muttersprachler lang, wichtig, imposant, ist aber eigentlich nur das Ergebnis des deutschen Sprachaufbaus, wo Worte oft aus vielen Miniteilen bestehen. Genau das gefällt mir: Deutsch ist toll für Wortspiele. Man kann eine Silbe austauschen und plötzlich heißt das Wort das Gegenteil.

profil: Ein Beispiel wäre die österreichische Band "EAV“, kurz für: Erste Allgemeine Verunsicherung. Jarosinski: Verunsicherung statt Versicherung, ein gutes Beispiel! Selbst die kleine Silbe "un“ kann also zu sprachlicher Verunsicherung führen.

profil: Mehr als 100.000 Menschen folgen Ihnen auf Twitter. Baut Ihr Erfolg darauf auf, dass Sie unsere Sprache so genüsslich sezieren? Jarosinski: Das ist nur ein Teil der Erklärung. Sprache ist nicht das einzige Thema, das ich behandle. Aber vermutlich schätzen viele Deutsche, dass ich mit ihrer Sprache spiele. Und vielleicht hat man als Nicht-Muttersprachler dabei auch einen Vorteil: Man erkennt eher das Seltsame in einer Sprache. Für Sie als Muttersprachlerin wirken alle Worte ganz normal. Ich frage mich oft: "Komisch, warum schaut dieses Wort denn so aus?“

profil: Was sind denn Ihre deutschen Lieblingswörter? Jarosinski: "Stillstand“ mag ich gerne. Im Englischen sagen wir "standstill“, und mir gefällt, dass Sie es im Deutschen genau umgekehrt sagen. Dieses Wort enthält viel Bewegung, dabei beschreibt es das Gegenteil von Bewegung. Mir gefällt auch das Wort "lebensmüde“, ein schöner Begriff für etwas ziemlich Unschönes.

profil: Sie schreiben nun auch ein Buch voller solcher Wortspiele. Sie haben 100.000 Follower auf Twitter und Ihre akademische Laufbahn aufgegeben. Können Sie denn überhaupt davon leben, was Sie da im Netz fabrizieren? Jarosinski: Nein, noch nicht. Das geht sich jetzt für ein paar Monate aus, auch wegen dem Buch und der Kolumne für "Die Zeit“. Dann muss ich weiterschauen. Derzeit gefällt mir mein Leben. Ich habe keine Familie, bin relativ unabhängig, reise viel herum und halte Vorträge. Aber der Preis dafür ist natürlich fehlende Sicherheit.

profil: Ihr Stil als Kunstfigur "NeinQuarterly“ passt gut zur österreichischen Literatur, etwa zu bissigen Schriftstellern wie Karl Kraus. Von dem stammt zum Beispiel das Zitat: "In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige.“ Jarosinski: Karl Kraus ist großartig, überhaupt habe ich größten Respekt für die österreichische literarische Tradition. Ich bin verglichen mit Karl Kraus ja noch ein Anfänger, der war sicher scharfzüngiger als ich. Wobei: Mir geht es nicht nur darum, scharfzüngig zu sein, ich will mich selbst nicht so ernst nehmen. Sondern immer auch auf die Absurdität jedweder Kritik hinweisen.

profil: Haben Sie ein Beispiel? Jarosinski: Ja, passend zu den deutschen Klischees, mit denen ich gerne spiele. Einmal schrieb ich: "German isn’t too harsh. Your ears are too soft.“ Über das muss ich selber lachen, weil das eine absurde Aussage ist, dass nicht Deutsch als Sprache zu hart ist, sondern Ihre Ohren zu weich. Ich kenne niemanden in Deutschland oder Österreich, der so etwas Übertriebenes behaupten würde.

profil: Wir leiden ja eher unter dem Ruf, dass unsere Sprache so hart und unverspielt sei. Das stimmt doch gar nicht, wie auch Ihre Tweets zeigen. Jarosinski: Stimmt. In den USA mache ich auch Werbung für die deutsche Sprache. Ich arbeite mit dem "Deutschen Haus“ zusammen, einem Institut der New York University. Für die schrieb ich Werbeslogans, die diese Klischees aufgreifen und überspitzen. Das soll zeigen: Uns ist bewusst, wie Deutsch wahrgenommen wird, aber wir können darüber lachen. Dem Institut war es auch ein Anliegen, zu zeigen, dass Deutsch nicht nur in Deutschland gesprochen wird. Ich schrieb sogar einen Werbeslogan für österreichisches Deutsch.

profil: Echt? Wie warben Sie denn für die österreichische Sprache? Jarosinski: Das mag jetzt blöd klingen. Bei Werbeslogans muss man ja immer das aufgreifen, was die Menschen bereits über ein Land wissen, und so leid mir das tut: Die meisten Amerikaner assoziieren mit Österreich den Film "Sound of Music“.

profil: Sie meinen dieses seltsame Musical, wo alle inmitten der Alpen singen? Das kennen viele Österreicher nur vom Namen. Jarosinski: Ja, das muss ziemlich bizarr für Sie sein, dass Amerikaner ausgerechnet diesen Film mit Ihrem Land verbinden. Ich wollte aber genau damit spielen. Und heraus kam der Slogan: "Austrian: Looks like German. Sounds like Music.“

profil: Das ist doch nett, dass Sie unsere Sprache mit Musik vergleichen. Eines noch: Was wollen Sie denn eigentlich bei Ihren Lesern bewirken? Jarosinski: Was wohl jeder mit einem Witz bewirken will: dass der andere sich freut und auch ein bisschen überrascht ist. Es gibt schließlich kein Lachen ohne eine kleine Überraschung - und auch das Gefühl, dass einem ein Licht aufgegangen ist. Leute zu ermuntern, mag ein sehr banaler Anspruch sein, aber mir ist das wichtig. Wenn eines Tages auf meinem Grabstein steht: Der hat ein paar gute Witze erzählt, dann wäre ich schon zufrieden.

Eric Jarosinksi, 43, stammt aus Wisconsin in den USA, arbeitete als Germanistik-Assistenzprofessor an der University of Pennsylvania. Er hat seine wissenschaftliche Karriere aufgegeben und bezeichnet sich online als "#FailedIntellectual“, als gescheiterten Intellektuellen. Dafür schreibt er nun Zeitungs-Kolumnen, ein Buch und Aphorismen auf Twitter. Siehe twitter.com/NeinQuarterly.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.