Projekt Klimt

Dorotheum-Privatisierung: Prozess wegen falscher Zeugenaussage gegen Ex-Soravia-Manager

Affäre. Mauscheleien und falsche Zeugenaussagen rund um die Privatisierung des Dorotheums

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Im Mai 2001 war die Welt der Familie Soravia noch in Ordnung. Unter dem Motto „Kärnten trifft Wien“ lud der Unternehmerclan zum „1. Soravia-Kirchtag“ in die vornehme Konzernzentrale in Wien-Landstraße. Prominenz im Trachtenanzug und Kärntner Schmankerlbuffet – da konnte auch der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser nicht fehlen. Ein Ende der Partystimmung war damals nicht abzusehen. Im Gegenteil: Wenige Monate später erhielt das Bieterkonsortium um die Brüder Soravia und Christoph Dichand, Sohn des inzwischen verstorbenen „Kronen Zeitung“-Tycoons Hans Dichand, den Zuschlag bei der von Grassers Ressort abgewickelten Privatisierung des Auktionshauses Dorotheum.

Um den alljährlichen Soravia-Kirchtag ist es still geworden, seit der Konzern vor ein paar Jahren seine Zentrale aus der Landstraßer Villa in das Erdberger Immobilienprojekt TownTown verlegt hat. Es fehlt wohl vielleicht auch ein bisschen der Grund zum Feiern: Die Osteuropageschäfte der Unternehmensgruppe haben arg unter der Finanzkrise gelitten, unter dem Druck der Banken mussten Beteiligungen verkauft werden, und die Privatisierung des Dorotheums wird nun von der Staatsanwaltschaft untersucht. Ein ehemaliger Manager der Soravia-Gruppe muss sich demnächst wegen falscher Zeugenaussage vor Gericht verantworten.

Der Grund für den Gerichtstermin ist eine zufällige Begegnung. Im Herbst 2009, die Malversationen um die Buwog-Privatisierung waren soeben publik geworden, traf der langjährige Soravia-Finanzvorstand Martin Ohneberg einen Bekannten auf der Straße. Man unterhielt sich, auch über die von Michael Ramprecht in profil erhobenen Vorwürfe gegen Karl-Heinz Grasser. Ramprecht hatte von angeblichen Manipulationen rund um das Privatisierungsverfahren von rund 60.000 Bundeswohnungen im Jahr 2004 berichtet.

Was genau bei der Zufallsbegegnung gesagt wurde, ­darüber scheiden sich nun die Geister. Denn was Ohneberg nicht wusste: Sein Bekannter war gerade auf dem Weg zu einer Zeugenaussage in Sachen Buwog bei der Staatsanwaltschaft Wien. „Ohneberg hat zu mir gesagt: Ich hoffe, die Rechnung von Ramprecht geht auf. Aber das wird sein wie bei uns – er hat nur Bargeld genommen“, gab der Zeuge – der Mann ist profil namentlich bekannt, will aber nicht öffentlich genannt werden – zu Protokoll. Gegenüber der Staatsanwaltschaft Wien behauptet Ohneberg nun, er habe derlei nie gesagt. Damit steht Aussage gegen Aussage. Die Ermittlungsbehörden verfügen anscheinend über Material, das gegen Ohnebergs Darstellung spricht. Darunter sind SMS-Nachrichten, die auf einem Handy bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt wurden. Gegen Ohneberg wurde deshalb wegen falscher Aussage Anklage erhoben, am 14. April ist der erste Verhandlungstag. Dabei klärt das Gericht allerdings nicht, ob Grasser tatsächlich Geld genommen hat, sondern nur, ob Ohneberg dies behauptet hat. Grassers Anwalt Manfred Ainedter stellt jede Manipulation der Dorotheum-Privatisierung in Abrede: „Das ist völliger Schwachsinn. Sollte jemand behaupten, dass Grasser Geld genommen hat, wird man ihn klagen müssen.“

Das Verfahren wegen falscher Zeugenaussage ist möglicherweise nur das Vorspiel. Seit nunmehr eineinhalb Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien die Vorgänge bei der Dorotheum-Privatisierung.

Gruppenbildung.
Zurück ins Jahr 2001: Knapp zwei Wochen nachdem Karl-Heinz Grasser den munteren Trachtenauflauf bei Soravias besucht hat, wird mit einer Ankündigung im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ offiziell die Privatisierung des Dorotheums eingeleitet. Die Erwartungen sind hoch: Das staatliche Unternehmen hat soeben das beste Geschäftsjahr der Geschichte hinter sich. Das Finanzministerium darf sich über eine Gewinnausschüttung von 50 Millionen Schilling freuen, als Untergrenze beim Privatisierungserlös wird eine Milliarde Schilling ventiliert. Die mit der Abwicklung beauftragte Investmentbank UBS Warburg gibt dem Bieterwettbewerb den bildhaften Arbeitstitel „Projekt Klimt“. Die umtriebigen Unternehmer Hanno und Erwin Soravia haben Witterung aufgenommen. Die Brüder haben nicht nur im vom Vater geerbten Baugewerbe ihren Geschäftssinn bewiesen. Sie haben sich der Diversifikation verschrieben. Gemeinsam mit Verlegersohn Christoph Dichand betreiben Soravias damals das Internetauktionshaus OneTwoSold. Die Übernahme der Institution „Tante Dorothee“ würde sich also strategisch gut fügen – und dazu noch einige prominente Immobilien, darunter das Palais Eskeles in der Wiener Dorotheergasse, in das Portfolio der beiden Unternehmerdynastien spülen. Und ein Verkauf an ein österreichisches Unternehmen der „New Economy“ würde Karl-Heinz Grasser gut zu Gesicht stehen.

Beinahe zeitgleich formiert sich im Büro des Immobilienmaklers Ernst Karl Plech ein weniger illustrer Zirkel, der ebenfalls um das Dorotheum mitbieten will: ein oberösterreichischer Antiquitätenhändler, zwei Immobilienmakler, ein Steuerberater und die Brüder Peter und Paul Hochegger, Inhaber einer PR-Agentur. Mittendrin: der ehemalige ÖIAG-Manager Peter Newole. Ihn hat Paul Hochegger angesprochen, ob er eine Beteiligungsgesellschaft leiten möchte. Der Name der Neugründung: Valora Unternehmensberatung und -beteiligung AG. Die ­Valora AG sollte später zweifelhaften Ruhm erlangen, als sich herausstellt, dass Peter Hochegger und Walter Meischberger über diese Gesellschaft Rechnungen aus unklaren Lobbyingverträgen an die Telekom Austria und andere österreichische Konzerne gestellt hatten.

Investorensuche.
Rasch ist zumindest klar, wer die Übernahme des Dorotheums finanzieren soll – die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich wird Konsortialführer. Das Linzer Kreditinstitut und Peter Hochegger sollten später noch mehrmals – indirekt – in Geschäftskontakt stehen: Bei der Buwog-Privatisierung ist die RLB Oberösterreich Konsortialpartner der siegreichen Immofinanz und Peter Hochegger Provisionsempfänger. Auch beim Linzer Immobilienprojekt „Terminal Tower“ von Porr und RLB Oberösterreich fließt Geld an eine Hochegger-Gesellschaft.

Über finanzielle Engagements der anderen Beteiligten im Dorotheum-Bieterkonsortium rund um die RLB OÖ herrscht ­Mitte 2001 großteils Unklarheit. Noch am 11. Juli heißt es in einem internen Schriftstück knapp: „Einvernehmen über Kapitalaufbringung ist herzustellen.“ Einzig der Welser Antiquitätenhändler Jürgen Hesz scheint in größerem Stil Eigenmittel investieren zu wollen. Sein Steuerberater schreibt an das Konsortium: „Die Verkehrswerte der Liegenschaften der Hesz’schen Privatstiftung werden aktuell von der Hausbank VKB mit ATS 105.000.000 bewertet.“ Wie viel davon für den Dorotheum-Kauf aufgewandt werden soll, bleibt unklar. Ernst Karl Plech ist zwar stets mit von der Partie, sein Beitrag bleibt jedoch im Dunkeln. Peter Newole, der als Valora-Vorstand den Großteil der Kommunikation mit der Investmentbank UBS Warburg übernimmt, soll dafür ein Prozent erhalten. Paul und Peter Hochegger sollen für Öffentlichkeitsarbeit und andere Tätigkeiten im Rahmen der Privatisierung mit je 0,5 Prozent am Dorotheum beteiligt werden.

Um öffentlich gute Stimmung für das OneTwoSold-Konsortium zu machen, wird auf der anderen Seite die PR-Agentur Publico beauftragt. Der damalige Agenturchef Wolfgang Rosam: „Der Auftrag war es, die Wettbewerbsvorteile der Gruppe hervorzuheben: eine Online-Zukunft für das Dorotheum. Wir haben Pressearbeit gemacht, klassische PR.“ Von den in Rechnung gestellten 165.000 Euro sei jedenfalls nichts an etwaige Subauftragnehmer oder „Lobbyisten“ geflossen. „Da ist sicher nichts gedreht worden. Das war ja nicht irgendeine freihändige Vergabe, sondern ein streng vertraulicher Prozess unter Führung der ÖIAG“, sagt Erwin Soravia.

Nach einem ersten Angebot werden von der ÖIAG vier Konsortien schließlich zu ­einer Final-Offer-Runde eingeladen: OneTwoSold, die Unternehmens Invest AG (UIAG), die spanische Afinsa Group sowie jenes Konsortium unter Führung der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. In den Wochen vor Abgabeschluss eines bindenden Angebots im August 2001 sollen sich seltsame Dinge abgespielt haben. Dies berichtet zumindest Peter Newole, damals Vorstand der Valora AG. Vor einem gemeinsamen Termin mit Vertretern der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich traf sich Newole noch zum Gespräch mit Paul Hochegger in einem Linzer Kaffeehaus.

Hochegger soll dabei nervös gewirkt haben. „Er hat gesagt, es würde noch jemand dazustoßen“, so Newole gegenüber profil. Plötzlich stand Walter Meischberger mit einem breiten Lächeln im Gesicht am Tisch. Dieser sei auch gleich zur Sache gekommen. „Er hat zu mir gesagt: ‚Du musst mir die Hälfte von deinem Anteil geben, sonst wird das nichts‘“, erklärt Newole. Und weiter: „Ich habe ihm gesagt: ‚Wir sind erstens nicht per Du, und zweitens haben Sie hier gar nichts zu verlangen.‘“ Wofür genau Meischberger auf Newoles Kosten am Dorotheum beteiligt werden wollte, wurde gar nicht mehr erörtert. Meischberger habe das Lokal verlassen – immer noch mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Walter Meischbergers Rechtsanwalt Eduard Salzborn wollte sich zu dieser Darstellung nicht äußern. Er ließ es auf profil-Anfrage mit einem knappen „Kein Kommentar“ bewenden.

Unerhörte Avancen.
Der ehemalige FPÖ-Politiker Meischberger dürfte sich aber nicht nur auf den Kontakt mit dem Konsortium der RLB Oberösterreich beschränkt haben. „Meischberger hat während der Angebotsphase bei uns angerufen. Wir haben ihm aber gleich gesagt: Schleich dich!“, so ein damals mit der Causa befasster Manager der Soravia-Gruppe. Walter Meischberger soll das allerdings relativ unbeeindruckt ­gelassen haben. Im Gegenteil: „Er hat nach dem Dorotheum-Verkauf tatsächlich noch einmal angerufen und wieder eine Abfuhr erhalten“, so der Soravia-Manager. Das Bieterkonsortium um Soravias und Dichands erhielt im September 2001 für knapp unter einer Milliarde Schilling (rund 70 Millionen Euro) den Zuschlag. Im Konsortium rund um die RLB Oberösterreich wähnte damals manch ein Beteiligter ein Informationsleck, da das eigene Gebot mit rund 66 Millionen Euro nur knapp darunter gelegen sei.

Ein gutes Geschäft.
Zunächst beteiligte das Siegerkonsortium Finanzinvestoren, darunter die in der Privatisierung unterlegene UIAG. Noch Ende 2001 wurden dann die Dorotheum-Immobilien in eine eigene Gesellschaft eingebracht und 2002 um kolportierte 42 Millionen Euro – ausgerechnet – an die Immofinanz-Gruppe verkauft. Damit war das Dorotheum zwar nur noch Mieter in den eigenen Liegenschaften, dafür hatten die Eigentümer nach knapp einem Jahr deutlich mehr als die Hälfte des Kaufpreises wieder zurückverdient.

Mit Karl-Heinz Grasser wollen die Brüder Soravia – so ist aus ihrem Umfeld zu erfahren – heute nur ungern in Verbindung gebracht werden. Das war einmal anders: Im November des Jahres 2000 versteigerte die Internetplattform OneTwoSold ein Abendessen mit dem damaligen Finanzminister Grasser an den Bestbieter. Für eine Wohltätigkeitsorganisation bedeutete dies eine Spende von 88.000 Schilling. Für die Soravias Gratiswerbung.

Mitarbeit: Ulla Schmid

Lesen Sie im profil 13/2011 die Erfolgsstory des Dorotheums mit Auktionen, Expansionen, Pfandgeschäften und einer eigenen Juwelierkette.