Die drei Leben des Peter H.

Porträt. Herbert Lackner über den Lobbyisten Peter Hochegger, der seine alten Freunde nun schwer belastet

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Freunde von früher erzählen, Tage wie dieser Montag vor Gericht würden ihm Höllenqualen bereiten: Kameras, Fotografen, neugierige Journalisten – das mag Peter Hochegger gar nicht. Das ist nicht seine Welt, das weiß er jetzt.

Er hatte sich selbst in sie hineinreklamiert, damals um das Jahr 2000, als er zuerst Karl-Heinz Grasser und dann dessen besten Freund, den früheren FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger, kennen lernte. Und eine Zeit lang schien er sich sehr gut in ihr eingelebt gehabt. Das ist vorbei. Jetzt gilt: Rette sich, wer kann. Mit seiner Medienoffensive der vergangenen Woche hat der Lobbyist seine alten Freunde in arge Kalamitäten gebracht.

Es geht um die Schlüsselszene im illustresten Fall des aktuellen Skandaldramoletts – der Buwog-Affäre: Vor Gericht bestätigte Peter Hochegger vergangenen Montag, er habe das Höchstgebot der CA-Immobilien, 960 Millionen Euro, von Walter Meischberger gewispert bekommen und die Information wie vereinbart dem Mitbieter Immofinanz weitergeflüstert. Der dann etwas unelegant 961 Millionen bot.

Meischberger erklärte bei derselben Gerichtsverhandlung (es ging gegen Grassers ehemaligen Kabinettsmitarbeiter Michael Ramprecht und profil), das hätten doch „hundert Leute“ gewusst, etwa der Aufsichtsrat der Bank Austria wegen der Finanzierungsgarantie für die Immobilientochter.

Die Frage der Richterin, warum der Immofinanz ein solcher Gassenhauer dann fast zehn Millionen wert war, ließ Meischberger ebenso unbeantwortet wie jene nach seinem Informanten: Er kann sich einfach nicht mehr erinnern. 7,7 Millionen, das war sein Anteil an der Beute, sind für Kerle wie ihn offenkundig nichts Prägendes.

Unschön auch, dass Freund KHG, der Finanzminister, stets beteuert hatte, die magische Zahl von 960 Millionen sei erst bei einer kameraüberwachten Kuvertöffnung unter notarieller Aufsicht festgestellt worden. So beiläufig, dass es kein Medium aufgriff, ließ Peter Hochegger in seinem TV-Interview dann fallen, dass ihn Meischberger auch schon vom ersten Gebot, 925 Millionen, informiert hatte.

Interessant auch seine Andeutung, beim Aufsetzen des Vertrags mit der Immofinanz über das Honorar (ein Prozent des Verkaufspreises) sei Ernst Karl Plech anwesend gewesen, enger Spezi von Grasser und Meischberger und damals Aufsichtsratschef der Buwog. Was hatte denn der dort verloren?

Seit also Peter Hochegger vor nunmehr zehn Tagen Lust am Outing gefunden hat, fragen sich viele: Warum tut er das? Weil er seit dem Auffliegen der Telekom-Affäre das Gefühl habe, dass er als Einziger übrig bleibt, wenn es vor Gericht zur Schlussabrechnung kommt, meinen manche. Es sei die neue Anwältin, glauben andere: Seine alte Kanzlei Lansky, Ganzger & Partner, die Hochegger bisher unter den Fittichen hatte und die sich vergangene Woche von ihm „absolut im Guten“ ­(Gerald Ganzger) getrennt hat, hatte stets zu Maulfaulheit ­geraten. Vielleicht will ein Mann mit 62 bloß endlich reinen Tisch machen. Die Dinge waren schließlich lange genug und immer schneller in ein sehr dunkles Tal gelaufen.

Peter Hochegger kennt die dunklen Täler, aus denen man so schwer ans Licht kommt. Er ist in einem solchen geboren, in Mürzsteg, in einem wildromantischen, allerdings bisweilen eher feuchten Tal am Ufer der noch jungen Mürz gelegen, wo der Bundespräsident an manchen Wochenenden eine verwunschene Kaiservilla bewohnt.

Die Hocheggers lebten gleich nebenan. Die Familie besaß ein Sägewerk und ein Wirtshaus, der Vater war Obmann des Kameradschaftsbunds und des Tourismusvereins: Dorf-Nomenklatura. Peter und sein vier Jahre jüngerer Bruder Paul wurden ins Internat der HTL Waidhofen/Ybbs geschickt.
Peter Hochegger ließ sich mit der Karriere Zeit. Als er 1980 sein Studium an der Hochschule für Welthandel mit seiner 180-seitigen Dissertation „Fremdenverkehrspolitisches Konzept für Südafrika“ abschloss, war er 31, die Hochschule hieß längst Wirtschaftsuniversität und war aus Döbling zur Spittelau übersiedelt.

In den Jahren, in denen andere ihre Karrieren begründeten, hatte sich Peter Hochegger als Reiseleiter durchgeschlagen, oft in Afrika.
In Österreich liefen die Dinge nicht wirklich gut, erste Projekte in der Werbebranche scheiterten. 1988, jetzt war Peter 39, gründeten die Gebrüder Hochegger eine Unternehmensberatung. Paul kümmerte sich um die Kontakte zur linken Reichshälfte, Peter um jene zur Wirtschaft. Die Firma hatte vier Mitarbeiter.

Damals ging gerade die Verstaatlichte unter, alles ordnete sich neu. Die Hocheggers zogen große Fische an Land: Unilever, die Zeckenschutzimpfung, Wienerberger. In den guten neunziger Jahren beschäftigten Hochegger Communications 120 Leute. „Die Leute haben wie die Tiere gearbeitet“, erinnert sich ein Mitarbeiter von damals. Man fuhr nationale und internationale Preise ein.

1999, Peter Hochegger war jetzt 50, mit der Tochter eines Ministers des Inselstaats Trinidad & Tobago verheiratet und hatte ein Mädchen adoptiert, fragte ein junger Mann, der seine Zukunft hinter sich zu haben schien, bei Peter Hochegger mit einem unmöglichen Projekt an: Der 30-jährige Karl-Heinz Grasser war immerhin schon Vizelandeshauptmann von ­Kärnten gewesen. Jetzt, bei Jörg Haider in Ungnade gefallen, sollte er eine meschuggene Idee seines neuen Chefs Frank Stronach umsetzen – eine riesige Entertainment-Kugel im ­südlichen Flachland vor Wien – und fragte Peter Hochegger um Rat.

Der hatte auch keine Idee, aber die Leichtlebigkeit des 20 Jahre Jüngeren gefiel ihm. Hochegger kaufte sich einen Vorführwagen aus dem Klagenfurter Autohaus von Grassers Eltern, einen Jaguar. Den Freund seines neuen Freundes lernte er bei einem Treffen im Café Landtmann kennen: den stets gut gelaunten Walter Meischberger, den er aus dem Fernsehen als FPÖ-Politiker kannte. Ein Jahr später war KHG Finanzminister.

In dieser Zeit habe sich bei Peter Hochegger „ein Schalter umgelegt“, glauben Freunde von damals, er habe die Bodenhaftung verloren. Dem immerhin schon 50-Jährigen hätte der Lebensstil der jüngeren Männer imponiert, „vielleicht war es einfach die Midlife-Crisis“.

Der junge Minister kann den PR-Mann Hochegger gut gebrauchen, der wiederum verdient dabei nicht schlecht: Für fast drei Millionen Euro organisiert er Grasser eine Roadshow vor Vertretern der mittelständischen Wirtschaft. Als man nach Ende der Aktion nachrechnet, ergibt sich, dass jeder Kontakt Grassers mit einem Klein- oder Mittelunternehmer die Steuerzahler 380 Euro gekostet hat.

Willi Berner, der Kabinettschef von FPÖ-Infrastrukturminister Michael Schmid, erzählte später eine fast unglaubliche Geschichte: Hochegger habe ihm damals, kurz nach der Wende, in einem Wiener Nobelhotel einen Masterplan präsentiert, wie sich die jeweiligen Seilschaften von Jörg Haider und Karl-Heinz Grasser allfällige Beute aus Privatisierungen aufteilen könnten. Die Darstellung Berners wird von allen Beteiligten dementiert. Peter Hochegger ist in dieser Zeit wirtschaftlich erfolgreich wie noch nie, aber seine Ehe zerbricht, er zieht in eine Suite im Hotel Intercontinental. So wie Grasser und Meischberger ist auch er jetzt mit jungen Frauen unterwegs.

Seine Geschäfte laufen nicht mehr über die Hochegger Communications, sondern über seine neue Firma Valora. Er hat jetzt nicht einmal mehr einen Schreibtisch in der alten Firma. Zur selben Zeit erkrankt sein Bruder Paul schwer, er ist die von allen Mitarbeitern hoch geachtete Stütze des Unternehmens.

„Astropolis“, Sternenstadt, nennt Peter Hochegger jenes Konto auf Zypern, auf das die bei der Buwog-Privatisierung zum Zug gekommene Immofinanz 2004 nicht weniger als 9,9 Millionen Euro überweist. Hochegger darf 2,3 Millionen behalten, der Rest geht an Walter Meischberger.

In diesen Nuller-Jahren des neuen Jahrtausends fließt viel Geld: Insgesamt 38 Millionen werden Peter Hochegger von der Telekom anvertraut. Für neun davon ist laut internem Revisionsbericht bis heute keine Gegenleistung nachvollziehbar. Der burgenländische Energieversorger Bewag zahlt Hochegger 3,6 Millionen. Die Porr AG macht 200.000 Euro „Beraterhonorar“ locker, wenig später übersiedelt Freund Grasser die Finanzlandesdirektion in ein leer stehendes Porr-Objekt in Linz.

Hochegger zahlt seinerseits für Kontakte in alle politischen Richtungen – die Grünen ausgenommen. 900.000 Telekom-Euro gibt er an Walter Meischberger weiter, „für die rasche Herstellung von Kontakten ins Finanzministerium“.

In jenen Jahren ist er allgegenwärtig. Bei der Aufarbeitung des Hypo-Skandals stießen die Fahnder auf eine Honorarrechnung Hocheggers aus dem Jahr 2006: Er hatte dem Management Tipps gegeben, wie es Fehlspekulationen günstig darstellen könnte. Kostenpunkt: 43.000 Euro. Wie Hochegger und wohl auch andere „Berater“ arbeiten, zeigt ein Strategiepapier für den unter Beschuss der ÖVP geratenen SP-nahen Flughafendirektor Herbert Kaufmann aus dem Jahr 2004. Hochegger rät darin zu „verdeckter Kommunikation“: „Dabei wird auf dritte Personen in ihrer Funktion als Experten und Botschafter zurückgegriffen, die im Interesse, nicht aber im Namen des Flughafens teilweise im Hintergrund, teilweise in der Öffentlichkeit aktiv werden.“ Der Flughafen zahlte Hochegger zwischen 2004 und 2009 monatlich 20.000 Euro Honorar.

Mit dem Auffliegen des Buwog-Deals im September 2009 ändert sich das Leben des nun 60-Jährigen abermals schlagartig. Nicht nur seine neue, auch seine alte Welt bricht zusammen: Die Marke Hochegger ist kaputt, Hochegger Communications, einst zweitgrößte PR-Agentur des Landes, stellt den Betrieb ein.

Mit Walter Meischberger und Karl-Heinz Grasser hat er schon vor einiger Zeit gebrochen. Die Freimaurerloge nach schottischem Ritus, in der er Mitglied war, hat ihm nach Platzen der Buwog-Blase sofort die Tür gewiesen. Seine andere Loge hat ihm erst unlängst nahegelegt, nicht mehr zu kommen.

Er hat noch ein Unternehmen, die Sicon-Beteiligungsholding mit Sitz in der Wiener Walfischgasse. Deren Tochterfirma „Alondo Bio-k“ stellt im Burgenland Brotaufstriche auf Sojabasis her. An einem Unternehmen, das in Österreich Segway-Elektroroller vertreibt, hält er eine geringfügige Beteiligung. Peter Hocheggers Reich ist klein geworden.

Er hat sich eine Wohnung genommen und ist aus der Intercontinental-Suite ausgezogen. Szenelokale meidet er. Er lese viel und meditiere, heißt es. Und er habe wieder Kontakt mit seiner Ex-Frau und seiner Adoptivtochter, erzählen Vertraute.

Dass der Weg zurück nicht einfach, ja vielleicht sogar unmöglich ist, weiß er selbst: „Wie das alles ausgeht, das steht in den Sternen.“