Wem die Viertelstunde schlägt

Rapid Wien ist unsterblich - dank der Maßnahmen der Wiener SPÖ

Fußball. Der SK Rapid Wien ist unsterblich - dank der lebenserhaltenden Maßnahmen der Wiener SPÖ

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Ein echter Fan weiß, wann seine Leidenschaft ausbrach. Norbert Darabos war knapp 13, als er am 10. Mai 1977 mit seinem Vater das erste Fußballspiel im neu errichteten Gerhard-Hanappi-Stadion - damals noch "Weststadion“ - in Wien-Hütteldorf sah. Der SK Rapid Wien schlug die Austria 1:0. Erwin Rasinger war zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre alt und stand knapp vor dem Abschluss seines Medizinstudiums. Als Bub pilgerte Rasinger regelmäßig auf die legendäre Pfarrwiese, die frühere Rapid-Spielstätte. Peter Pilz, geboren 1954 in Kapfenberg, studierte 1977 Volkswirtschaft an der Universität Wien. Neben dem Marxismus huldigte er einer weiteren Glaubenslehre: "Ich war schon ein Grüner, bevor ich einer wurde.“

Sportlich vereint
Im Parlament sitzen die Abgeordneten Darabos (SPÖ), Rasinger (ÖVP) und Pilz (Grüne) in verschiedenen Klubs. Sportlich vereint sie ein grün-weißer: der SK Rapid Wien. Der rote Bundesgeschäftsführer, der schwarze Gesundheitssprecher und der grüne Chefaufdecker sind allesamt Mitglieder im Kuratorium des Rekordmeisters. Und alle verweisen dieser Tage darauf, dass das 40-köpfige Gremium rein beratende Funktion hat - und selbstverständlich keinen Einblick in die Gebarung des Vereins.

Die Vereinskassa ist leer

Die Klarstellung ist verständlich. Der SK Rapid Wien steckt in der schwersten Krise seiner jüngeren Geschichte. Die Vereinskassa ist leer, der mit Amateuren aufgestockte Spielerkader hat teilweise Regionalliga-Niveau. Angesichts der prekären Lage sind keine Neuverpflichtungen für die neue Saison möglich. Der gewünschte Neubau des Hanappi-Stadions ist unwahrscheinlicher als der Gewinn der Champions League innerhalb der nächsten drei Jahre.

Fetzenlaberl-Sektion

Wäre Rapid Wien ein normaler Verein, könnte die Bundesliga früher oder später aktive Sterbehilfe durch Verweigerung der Lizenz leisten. Doch Rapid ist bekanntlich eine Religion und hat daher wie alle Glaubenslehren kein Ablaufdatum - dank lebenserhaltender Maßnahmen roter Spitzenpolitiker.

Trotz politisch bunter Zusammensetzung der Gremien ist der proletarische SK Rapid - mehr noch als die bürgerlich angehauchte Austria - de facto eine Fetzenlaberl-Sektion der Wiener SPÖ. Neben Norbert Darabos und Staatssekretär Andreas Schieder ist auch Vizebürgermeisterin und Finanzstadträtin Renate Brauner Mitglied des Kuratoriums. "Rein als Privatperson und eingefleischter Rapid-Fan“, wie Brauner auf Anfrage ausrichten lässt.

Präsident des Vereins ist seit 2001 einer von Brauners Vorgängern als Finanzstadtrat: Rudolf Edlinger. Die Finanzen von Rapid sind dem früheren SPÖ-Finanzminister (1997 bis 2000) freilich entglitten. In der Saison 2011/2012 kickte Rapid laut "Kurier“ bei einem Jahresbudget von rund 20 Millionen Euro einen Verlust von 3,3 Millionen ein. Das negative Eigenkapital belief sich auf 1,8 Millionen Euro. Für die heurige Saison dürfte sich immerhin ein minimales Plus von 250.000 Euro ausgehen.

Das Geschäftsfeld Profi-Fußballverein ist in Österreich überaus zäh. Spielergehälter belasten die Bilanzen, die Einnahmen aus TV-Lizenzen und Sponsor-Verträgen sind angesichts der Größe des Landes und der Bedeutung der heimischen Bundesliga beschränkt. Und selbst ein Kultklub wie Rapid mit hohen Besucherzahlen lukriert aus dem Ticketverkauf nur 1,5 Millionen Euro jährlich.

Freilich erinnert die Finanzgebarung von Rapid Wien an das Schuldenmanagement der früheren Salzburger Landesregierung. So wie die langjährige rot-schwarze Koalition an der Salzach mit fixen Erträgen aus den Millionenveranlagungen der Landes-Finanzabteilung rechnete, kalkuliert auch die grün-weiße Vereinsführung in Hütteldorf mit jährlichen Zusatzeinnahmen von zumindest zwei Millionen Euro durch die erhoffte, aber nicht immer realisierte Teilnahme an internationalen Bewerben.

Der negative Saldo aus Kauf von teuren und Verkauf von billigeren Spielern belastete den Vereinsetat zusätzlich. Und hat man kein Glück, kommt im Sport bekanntlich noch Pech dazu: Erst in der Vorwoche verlor Rapid mit dem Mobilfunker Orange - aufgrund der Übernahme durch Drei - einen Hauptsponsor und damit 1,4 Millionen Euro. Schon zuvor hatte die OMV ihren Jahresbeitrag in Höhe von 1,8 Millionen Euro massiv gekürzt.

Negative Schlagzeilen
Dass der Verein einerseits Sponsoren verliert, andererseits keine neuen gewinnt, liegt auch an den Glaubenskriegern der Rapid-Religion. Im Derby gegen die Austria 2011 stürmten die sogenannten Ultras - Hardcore-Fans der Westbühne - das Spielfeld. Beim Auswärtsspiel gegen PAOK Saloniki im August 2012 lieferten sie sich mit gewalttätigen griechischen Fans regelrechte Schlachten.

Auch wenn "Rapid“ die wohl stärkste Marke des österreichischen Mannschaftssportwesens darstellt - Fanausschreitungen schädigen das Image massiv. Kuratoriumsmitglied Norbert Darabos: "Ich selbst hätte zwei potenzielle Sponsoren für Rapid gewonnen, die nach den Vorkommnissen wieder abgesprungen sind, weil sie negative Schlagzeilen befürchteten.“

„Entschlossen aufgeräumt”
Dass unter Rudolf Edlingers Regime die Vereinsführung allzu nachsichtig gegenüber den Ultras war, ist im Kuratorium nahezu Konsens. Ein Mitglied: "Angesichts des Ausmaßes der Verbrüderung der Vereinsführung mit radikalen Fans konnte man bisweilen nicht mehr klar sagen, wer die Entscheidungsgewalt bei Rapid hat.“ Norbert Darabos sieht Versäumnisse beim Klub: "Die Austria hatte ähnliche Probleme mit weit rechts stehenden Fans. Aber dort hat die Vereinsführung entschlossen aufgeräumt und kompromisslos Stadionverbote erteilt.“

Fußballfans als Wähler
Dank der Beziehungen zum Rathaus kann der SK Rapid Wien den Ausfall privater Sponsoren durch das Anzapfen öffentlicher Quellen zumindest teilweise kompensieren. Einzig verbliebener Hauptmäzen des Vereins ist die gemeindeeigene Wien Energie. Dass ein Marktbeherrscher wie der städtische Stromversorger einen Fußballklub sponsert, ergibt werbetechnisch nur bedingt, politisch aber umso mehr Sinn - schließlich sind Fußballfans auch Wähler. Wo keine offizielle öffentliche Förderung besteht, wird eben über die Bande subventioniert. Rapid-Präsident Edlinger kontert: "Der Werbewert für Wien Energie ist doppelt so hoch wie die eingesetzten Sponsorgelder.“ Laut Wien Energie gebe es keinen politischen Druck zum Sponsoring.

Von Transparenz im Umgang mit öffentlichen Mitteln halten Edlinger und die Geschäftsführung des städtischen Energieversorgers wenig. Die Höhe des Sponsorings bleibt ein Geschäftsgeheimnis. Insider gehen von bis zu 2,5 Millionen Euro aus.

Zu Edlingers aktiver Zeit als Politiker funktionierte das Modell des politisch induzierten Zwangssponsorings deutlich besser. Laut langjährigen Mitgliedern des Rapid-Kuratoriums hielt der ehemalige Chef (1995 bis 2000) der Bank Austria, Gerhard Randa, wenig von der Werbewirksamkeit seines Unternehmenslogos auf den Dressen des SK Rapid. Doch aufgrund des Einflusses der Wiener SPÖ auf die frühere städtische Zentralsparkasse konnte sich Randa Wünschen aus dem Rathaus kaum entziehen. Vier Millionen Euro überwies die Bank Austria jährlich auf das Vereinskonto von Rapid Wien. Bei finanziellen Engpässen soll die Bank - auf Anregung des damaligen Finanzstadtrats Rudolf Edlinger - kurzfristig mit Sonderfinanzierungen eingesprungen sein. Edlinger dementiert: "Das Aktiengesetz stellt ganz klar fest, dass ein Vorstand weisungsunabhängig ist. Ich habe als Stadtrat nie für den Verein interveniert.“

Edlinger-Nachfolger
Edlinger wird im November wie geplant als Rapid-Präsident abdanken. Der logische Nachfolger, Kuratoriumsvorsitzender Dietmar Hoscher, Vorstandsmitglied der Casinos Austria und früherer SPÖ-Nationalratsabgeordneter, sagte im Juni ab - dem Vernehmen nach aufgrund des Ausmaßes der Finanzprobleme und der chaotischen Zustände in der Vereinsorganisation. Als Favorit gilt nun der Xerox-Manager und Ex-Ligakicker Erich Kirisits.

Geht es um Rapid, akzeptierten Edlinger und die SPÖ auch weniger sympathische Geschäftspartner. So pumpte der Eurofighter-Hersteller EADS zwischen 2005 und 2007 kolportierte fünf Millionen Euro in den Verein - offiziell zur Förderung der Jugendarbeit. Aus Sicht der EADS-Lobbyisten dienten die Sponsormillionen freilich als Goodwill-Versuch zur Besänftigung der Eurofighter-Gegner in der SPÖ.

Eine Gegenleistung für das Sponsoring wurde von Rapid nicht verlangt.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.