Besucher- und Ehrenschwund

Besucher- und Ehrenschwund: Die Proteste gegen den Burschenschafterball zeigen Wirkung

Burschenschafterball. Die Proteste zeigen Wirkung: Es gibt immer weniger Anmeldungen

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Rechte und rechtsextreme Burschenschaften sollten niemals mehr in den Prunksälen am Heldenplatz tanzen. So hatten es die Pächter der Wiener Hofburg vor zwei Jahren vereinbart. Rituelle Straßenkämpfe zwischen Befürwortern und Gegnern, bengalische Feuer und Knallkörper, großräumige Absperrungen, eine Hundertschaft von Ordnungskräften mit Helmen und Schildern und weitere Kompanien in Bereitschaft sowie die ewigen Schlagzeilen von rechtsradikalen Gästen aus ganz Europa waren für die Betreibergesellschaft nicht gerade geschäftsfördernd gewesen. Hinzu kam, dass der betagte Sozialdemokrat und Antifaschist Albrecht Konecny im Jänner 2012 nach einer Protestkundgebung auf seinem Heimweg von Rechtsradikalen zusammengeschlagen wurde (siehe Kasten am Ende).

Das Ende schien besiegelt. Doch dann wurde der Korporationsball in „Akademikerball“ umbenannt, die FPÖ übernahm die Anmeldung, die Burschenschafter organisierten aus dem Hintergrund und die Hofburg kam wieder ins Spiel. Doch es nützt nichts. Nach einem profil zugespielten Protokoll eines Vorbereitungstreffens des Wiener Akademischen Turnvereins fürchtet man diesmal ein Fiasko. Es gebe „sehr wenige Anmeldungen“, klagten die Burschen in einer Sitzung am 7. Jänner.

Ein Ball von Rechtsextremen am repräsentativsten Ort der Republik ist eine nationale Schande. Doch in den vergangenen Jahrzehnten wurde das keineswegs so gesehen. Der Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) findet seit 1968 in der Wiener Hofburg statt. Davor, in den ersten 16 Jahren, tanzten die Burschen im Konzerthaus. In der demokratischen Öffentlichkeit fand der Ball dennoch kaum Beachtung, obwohl die Organisatoren immer schon von einschlägiger Gesinnung waren und dies auch gar nicht verhehlten. Das langjährige Mitglied des Ballausschusses, Karl Bartl, fand noch Ende der 1980er-Jahre in der Zeitung seiner Burschenschaft lobende Worte für das „Dritte Reich“ und gab dem „Weltjudentum“ die Schuld am Krieg. Gemäß der üblen Tradition, in der sich Burschenschaften aus der „Ostmark“, wie sie sich selbst bezeichneten, von allem Anfang an stets viel radikaler und antisemitischer gebärdeten als ihre deutschen Verbindungsbrüder und lange vor Adolfs Hitlers Machtergreifung den „Arierparagrafen“ einführten, rühmten sich die Österreicher auch nach 1945, „die jüdischen Elemente entfernt“ zu haben und „seit 1882 judenrein“ zu sein.

Über Jahre hinweg schien der mittlerweile verstorbene NDP-Chef Norbert Burger im Ehrenkomitee des Korporationsballs auf. Die Elite des österreichischen Universitätswesens scheint das nicht gestört zu haben – im Gegenteil: Bei einer Solidaritätsdemonstration für den antisemitischen Welthandelsprofessor Taras Borodajkewycz im Jahr 1965 trugen Burschenschafter Transparente mit der Aufschrift „Hoch Auschwitz“. Jörg Haiders Doktorvater, Prorektor Günther Winkler, pries 1974 die Korporationen bei einem Stiftungsfest der berüchtigten rechtsradikalen Burschenschaft „Olympia“.* Und was noch schwerer wiegt: Bis weit in die 1990er-Jahre hinein waren sämtliche Rektoren sämtlicher österreichischen Universitäten im Ehrenkomitee des Korporationsballs vertreten. Bis vor vier Jahren hatte die Nobel-Tanzschule Schäfer-Elmayer die Eröffnungspolonaise organisiert. Unter den Debütanten findet man nicht wenige Personen, die später wegen einschlägiger Delikte vor Gericht standen.

1998 erlangte der rechte Mummenschanz auch im Ausland Aufmerksamkeit. In München regte sich Widerstand dagegen, dass der damalige Rektor der Technischen Universität, Wolfgang A. Herrmann, „mit rechtsradikalen Studenten feierte“, so ein Bericht in der deutschen „Bild“-Zeitung. Herrmann entschuldigte sich damals, er habe nicht gewusst, für wen er den Ehrenschutz abgebe. Auch der Rektor der Wiener Universtität, Alfred Ebenbauer, verweigerte den Ehrenschutz, den seine Vorgänger den Burschenschaftern gegeben hatten.

In den Jahren von Schwarz-Blau, als Burschenschafter generalstabsmäßig öffentliche Einrichtungen eroberten, entwickelte sich der Ball des WKR zu einem gesellschaftlichen Event der rechten und rechtsradikalen Szene in Europa. Jean-Marie Le Pen, bulgarische und russische Rechtsextremisten, flämische und deutsche Rechtspolitiker, NPD-Funktionäre, spanische Neofaschisten und schwedische Rechtspopulisten waren zu Gast. In diesen Jahren saß die halbe Bundesregierung im Ehrenkomitee.
Erst gegen Ende der blauen Regierungsbeteiligung kam es zur Absetzbewegung unter österreichischen Rektoren. 2008 waren noch die Rektoren der Technischen Universität Graz, der Technischen Universität Wien, der Veterinärmedizinischen Universtiät Wien, der Montan-Universität Leoben, des Mozarteums und der Akademie der bildenden Künste im Ehrenkomitee.

Doch es geht abwärts. Stargast des Jahres 2012, Marine le Pen, Vorsitzende des Front National, musste sich zu Hause rechtfertigen, was sie bei Rechtsradikalen tue. Der damalige Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle war empört, als er sich im selben Jahr – ohne sein Wissen – plötzlich im Ehrenkomitee fand. Wie sehr die Burschenschaften heute im rechten Eck stehen, belegen auch ihre Reaktionen: Der EU-Abgeordnete Andreas Mölzer zeigte im vergangenen Jahr den Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl an, weil er sich nicht ausreichend vor Demonstranten beschützt gefühlt hatte. Der FPÖ-Nationalrat Elmar Podgorschek rief gar den Verfassungsgerichtshof an, weil Bundesheerangehörigen das Tragen ihrer Ausgeh-Uniform auf diesem Ball verboten ist.

Noch in jedem Jahr mussten sich die Herren in ihrem farbenprächtigen Wichs und die Damen in Abendrobe an Demonstranten in Kapuzenanoraks vorbeischleichen und unter dem Schutz der Wega am äußeren Tor am Heldenplatz rütteln, das aus Sicherheitsgründen versperrt ist. Das wird auch heuer so sein. Nur werden die Ballgäste von Jahr zu Jahr weniger.

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„Gut getroffen“
Der Überfall auf den alten Sozialdemokraten Albrecht Konecny ist bis heute nicht­ ­aufgeklärt worden.

Im Februar 2012 hatte sich dem ehemaligen sozialdemokratischen Bundesrat Albrecht Konecny am Abend des Burschenschafterballs in der Wiener Innenstadt ein beleibter ­junger Mann in den Weg gestellt, ihm „Du ­Oarsch“ ins Gesicht geschrien und dann seine Fäuste sprechen lassen. Konecny wurde erheblich verletzt. Der Schlagring, mit dem der schmächtige Altpolitiker, der gerade von einer Anti-Burschenschafter-Kundgebung kam, malträtiert worden war, hatte in seinem Gesicht blutunterlaufene Flecken im Umriss ­einer Rune hinterlassen. Dutzende solcher Schlagringe hat die Polizei in den vergangenen Jahren bei Hausdurch­suchun­gen bei Rechtsradikalen sichergestellt.
Drei Tage nach dem Vorfall war auf einer Neonazi-Website eine Unterhaltung zwischen zwei Rechtsradikalen aufgetaucht. Einer der beiden, mit dem Nickname „Prinz Eugen“, der sich offenbar auf dem Burschenschafterball vergnügt hatte, erkundigte sich bei seinem Kameraden „Eispickel“: „Hast du dich an der alten roten Sau vergriffen?“. „Eispickel“: „Nein, ich war’s diesmal nicht, aber weiß, wer’s war. (…) Du kennst ihn auch. Gut getroffen hat er. Der Konecny hat g’spritzt wie die Sau. Wie war das Tanzen, sah dich nachher nicht mehr.“
„Prinz Eugen“ und „Eispickel“ sind den Behörden nicht unbekannt. Unter diesen Nicknames wurden in den vergangenen Jahren Mitarbeiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, Grün-Politiker und Antifaschisten bedroht. Die beiden Nicknames spielten beim Prozess gegen die Betreiber der neonazistischen „Alpen-Donau-Homepage“ sowie in einem weiteren ­Verfahren nach dem NS-Verbotsgesetz eine Rolle. Doch richtig nachgefragt hatten weder Ermittler noch Staats­anwälte.
Wer Konecny niederschlug, ist bis heute unbekannt. „Es hat sich offenbar niemand wirklich darum bemüht“, sagt Konecny. Dazu höre er aus Polizeikreisen, dass man noch immer der ­Legende anhänge, er sei von Linksradikalen niedergeschlagen worden. Dieses Gerücht hatte einst FPÖ-Obmann Heinz-­Christian Strache aufgebracht.

Christa   Zöchling

Christa Zöchling