Wahlexperte Krimmer: "Der Wahlausgang war für Österreich natürlich eine Erschütterung"

Wahlexperte Krimmer: "Wahlbehörden brauchen mehr Training"

Der Verfassungsgerichtshof gab am Freitag seine Entscheidung zur Anfechtung der Stichwahl bekannt. profil sprach mit dem Wahlexperten Robert Krimmer über die Konsequenzen der aufgehobenen Stichwahl.

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profil: Der Verfassungsgerichtshof (VfGh) hat soeben sein Urteil über die Anfechtung der Stichwahl verkündet. Der Anfechtung wurde stattgegeben. Warum? Robert Krimmer: Der Hauptgrund für das Urteil des VfGhs ist, dass das Wahlgesetz verletzt wurde. Die Wahlleiter haben eingenmächtig und ohne Aufsicht ihrer Hilfsorgane gehandelt. Das verletzt das Vier-Augenprinzip, das demokratische Wahlen auszeichnet.

profil: Inwiefern wurde das Wahlrecht noch verletzt? Krimmer: Die Wahlbehördensitzungen wurden nicht ordnungsgemäß einberufen. Der VfGh muss sich hier an eine strikte Wortinterpretation der Zeugenaussagen halten. Es gab auch Probleme im Ablauf der Auszählungen. So wurden beispielsweise Protokolle zu früh unterzeichnet.

Die Empfehlungen der OSZE wurden von Österreich nur teilweise umgesetzt.

profil: Was sind die Konsequenzen für die Wahlbehörden? Krimmer: Grundsätzlich brauchen die österreichischen Wahlbehörden mehr Training, mehr Expertise. Die Wahlbeisitzer werden von den Parteien geschult, mit unterschiedlichem Erfolg. Da muss es in Zukunft eine größere öffentliche Verantwortung geben. Österreich hat sehr viel Nachholbedarf.

profil: Gab es in der Vergangenheit bereits Ungereimtheiten bei Wahlen in Österreich? Krimmer: Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zählt zeitliche Effizienz, Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu den internationalen Standards bei Wahlen. Bereits 2010, bei der Wiederwahl Heinz Fischers, wurde bekannt, dass Wahlbeisitzer in Österreich Protokolle zu früh unterschrieben haben.

profil: Warum gab es 2010 keine Konsequenzen seitens der OSZE? Krimmer: Die Wahlbeobachtungsmission hat 2010 entsprechende Empfehlungen ausgesprochen. Diese Empfehlungen wurden jedoch von Österreich nur teilweise umgesetzt, da von den politischen Entscheidungsträgern nur bedingte Notwendigkeit gesehen wurde. Aufgrund des hohen Vertrauens entschied die OSZE auch vor der Bundespräsidentschaftswahl 2016 keine Beobachter zu entsenden.

Gerade in Österreich, als Sitzstaat der OSZE, ist eine saubere Wahl sehr wichtig.

profil: Wie kann der Ablauf einer Wahl in Österreich zukünftig verbessert werden? Krimmer: In Österreich gibt es derzeit keinen einheitlichen Technologiestandard. Jedes Bundesland hat sein eigenes Vorgehen, wie die Wahl administriert wird. Die jeweiligen Systeme sind teilweise sehr stark elektronisch unterstützt, in manchen Bundesländern wird nur mit Papier gearbeitet. Mit einer einheitlichen Technologie wären die Auszählungen weniger fehleranfällig.

profil: Wie kann für mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit gesorgt werden? Krimmer: Die Wahladministration findet im Hinterzimmer statt. Österreich ist bekannt dafür, dass die Wähler sofort nach Stimmabgabe das Wahllokal verlassen müssen. In Deutschland ist das anders. Dort können Wähler die Auszählungen beobachten und tragen so zu einer besseren Nachvollziehbarkeit und höheren Transparenz bei.

profil: Wie wird die OSZE in Zukunft reagieren? Krimmer: Sie wird hoffentlich künftige Wahlen wieder beobachten. Denn gerade in Österreich, als Sitzstaat der OSZE, ist eine saubere Wahl sehr wichtig.

Zur Person Robert Krimmer ist Wahlexperte und Professor an der Technischen Universität Tallinn in Estland.