Neue Alben: Tents, Grant und Kidcat Lo-fi

Drei österreichische Bands im Schnelldurchlauf.

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Grant: Grant (Problembär)

Ja, genau. Grant. Im November. Bei diesem Wetter. Klingt eher nach Selbstmord als nach Aufstehhilfe. "Ich möchte gar nicht hier sein. Ich möchte einfach gehen", heißt es dann auch gleich auf dem Openerstück "Enigma". Und wir sind noch nicht einmal bei Sekunde 40 und die Wörter gschissen und Gsindl sind auch schon gefallen. Stimmunsgtechnisch und musikalisch geht es so weiter im legeren Raunzstil. "Niemand ist so kalt wie du " heißt Stück Nummer fünf. Eine kleine Einstimmung auf die nächsten Monate? Auf der Suche nach ein bisschen Hoffnung landen wir beim Abschlussstück mit dem nicht a priori aussichtlosen Titel "Was bleibt". Doch es gibt nicht einmal einen Schimmer davon. "Ich erzähle jetzt vom Schmerz", geht es da gleich los. Decke tief übers Gesicht ziehen und warten, schlafen, träumen bis sich der Nebel verzogen hat. Aufstehhilfe: 1 von 10.

Tents: Under My Wings (Numavi)

Der Titel der ersten Veröffentlichung des Trios klingt vielversprechend. Wer im November schwer aus dem Bett kommt, lässt sich gerne unter die Flügel nehmen und wärmen. Das erste Stück "Landscaper" geht los und ich habe beim Einsetzen des Gesangs kurz das Gefühl, Ian Curtis ist zurückgekommen, um mir klar und deutlich ins Ohr zu singen, dass sich meine lächerliche Hoffnung gleich wieder schlafen legen kann. Aber je länger das kurze Album Orgelschicht um Orgelschicht, Post-Punk-Riff um Post-Punk-Riff und Basslinie um Basslinie vorrückt, desto klarer wird: Under My Wings baut Lied um Lied einen düster-anschmiegsamen Kokon auf, der mich nach einiger Zeit beinahe trancenhaft aus dem Bett, ins Bad, zum Kaffee in die Küche, aus der Wohnung, auf das Rad, in die Arbeit und durch den Tag bringt. Und zwischendurch will man sogar fast noch Tanzen gehen. Man fährt dann aber doch nachhause, der November ist halt schon kalt. Vorm Einschlafen denkt man sich dann aber doch kurz: Kein schlechter Tag. Aufstehhilfe: 5 von 10.

Kidcat Lo-fi: The Wet Album (Problembär)

Sehr schön. Ein Album das die Nässe schon im Titel trägt hat es schwer, um dich zur frühen Stunden an einem diesigen Novembertag voller Freude und Euphorie aufspringen und zur Stereoanlage springen zu lassen. "I got the blues", heißt es dann auch gleich konsequent auf dem dritten Lied "Domestic Violence Hurts The Most". Und Sängerin Katrin Wiese spricht hier nicht von einer Musikrichtung, sondern von einem Gefühlszustand, der zwar jahreszeitenunabhängig ist, sich an kalten Tagen aber besonders gerne auszubreiten scheint. Der melodische Folk-Pop von Kidcat Lo-fi lässt sich aber vom Blues nicht unterkriegen und versucht ihn mit Wein, Kaffee, Blut, Tränen, Gin, Tonic, Tee und trotzig-fröhlichem Grundton im Keller der eigenen Existenz zu halten ("I will keep you in my basement forever ever and ever and never and ever and ever....") Kidcat Lo-fi wissen zwar auch, dass es am Ende vor dem Aufstehen im Novemberblues kein Entkommen gibt - "I have to get up early tomorrow and it will be the same thing tomorrow" - heißt es auf dem Abschlusslied "Lullaby" - aber mit einem guten Glas Wein am Abend, einem gehauchten "Good Night" und dem Trost, am nächsten Tag wieder Musikhören zu können, lässt sich es sich doch ganz gut schlafen - und aufstehen. Aufstehhilfe: 7 von 10.