Wirtschaft

Kleine Firmen, große Wirkung: 2023 wird zum Schicksalsjahr für Klein- und Mittelbetriebe

Die Folgen der Corona-Krise sind noch spürbar, gleichzeitig explodieren die Kosten und steigen die Zinsen. profil hat sich bei betroffenen Unternehmen umgehört.

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Schon beim Öffnen der Tür zum Geschäft, das sich mitten in der historischen Altstadt von Dürnstein befindet, weht einem der Duft frischer Backwaren entgegen. Über 100 Sorten Brot, Gebäck und Mehlspeisen lagern in den weißen Vintage-Verkaufsregalen. Unter anderem das berühmte „Wachauer Laberl“ –   das Original erkennt man am eingebackenen „S“ an der Unterseite – welches Rudolf Schmidl im Jahr 1905 kreierte. Heute hat hier seine Urenkelin das Sagen.

Barbara Schmidl ist das, was man krisenerprobt nennen kann. Als sie 2014 die elterliche Bäckerei in Dürnstein übernahm, musste sie das 1780 gegründete Familienunternehmen aus der Insolvenz herausführen. „Das waren zwei sehr harte Jahre. Aber sie haben mich und mein Team zusammengeschweißt“, erzählt die Bäckerin. Nun steht Schmidl mit ihren 68 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wieder vor enormen Herausforderungen. Gasofen heißt aktuell das Sorgenkind des Backgewerbes. Seine nicht minder problembehafteten Geschwister sind der Kühlschrank und die Gefriertruhe.

„Kosten über der Inflationsrate“

Energiekrise, Teuerung, steigende Zinsen: Es ist eine grimmige Gemengelage, der sich die Wirtschaft derzeit ausgesetzt sieht. Das Jahr 2023 bringt so viele Herausforderungen wie kaum jemals zuvor. Die Wirtschaftsforschungsinstitute IHS und WIFO prognostizieren dem Land eine Stagflation – also kaum Wirtschaftswachstum bei weiterhin hoher Inflation. Die Talsohle ist nach zwei Jahren Pandemie noch nicht durchschritten. Wie geht es den österreichischen  klein- und mittelständischen Unternehmen? Wie wollen sie sich gegen weiteren Unbill stemmen? Und hat die Politik die richtigen Antworten auf die Probleme des viel beschworenen Rückgrats der heimischen Wirtschaft in diesem Schicksalsjahr?

Der Gaspreis habe sich in den letzten Monaten verzehnfacht, Strom sei sieben Mal so teuer geworden, erzählt Bäckerin Schmidl. „Obwohl wir unsere Backöfen schon vor ein paar Jahren auf sparsamere Modelle ausgetauscht haben, ist unsere Produktion nach wie vor sehr energieintensiv“, sagt Schmidl, „auch Strom sei ein enormer Faktor: „80 Prozent unserer Ware wird vorgebacken, dann schockgefrostet und tiefgekühlt.“ Während sich der Anteil der Energie an den Produktionskosten im Jahr 2021 noch auf 3,5 Prozent belief, war es im Vorjahr rund ein Drittel. Dazu kommen Preisanstiege bei so gut wie allen Rohstoffen und Vorprodukten, wie etwa Weizen mit plus 40 Prozent oder Rapsöl mit plus 100 Prozent. Und die Kollektivvertragsverhandlungen im vergangenen Herbst brachten für die Bäcker eine Lohnerhöhung um 6,5 Prozent. „In Summe sind unsere Kosten weit über die Inflationsrate gestiegen“, sagt Schmidl.

Alles in allem ein explosives Gemisch, welches einige ihrer Kollegen bereits die wirtschaftliche Existenz gekostet hat. Zu Jahresende musste etwa der Edelbäcker Gragger mit seinen vier Filialen in Wien Insolvenz anmelden, in Oberösterreich erwischte es mit Weinhäupl eine der ältesten Bäckereien Österreichs, und in Kärnten ging Sonnenbäcker Marinitsch pleite. Betriebe, denen die Rücklagen fehlten und die damit in Folge die exorbitanten Mehrkosten weder an ihre Kunden weitergeben noch selbst stemmen konnten.

„Ich habe immer versucht, Reserven zu bilden. Dieser finanzielle Polster hat uns ganz gut durch die Corona-Krise getragen“, sagt Schmidl. Doch irgendwann komme man trotz aller kaufmännischen Vorsicht an Grenzen, wo eine Preiserhöhung unausweichlich wurde. „Das hat mir wochenlang schlaflose Nächte verursacht. Schließlich verkaufe ich hier ein Grundnahrungsmittel. Da hat man schon eine andere Sensibilität. Aber bei der Qualität wollte ich auch keine Kompromisse eingehen.“ Zwischen zwölf und 14 Prozent sind Brot und Gebäck nun teurer. Die Kunden hätten Verständnis gezeigt, aber Schmidl stellte Veränderungen im Kaufverhalten fest. Zum einen werde viel kurzfristiger bestellt: 65 Prozent ihrer Ware liefert Schmidl an Feinkostläden und Gastronomie – von den Heurigenbetrieben in der Umgebung bis hin zu Top-Restaurants wie dem Steirereck in Wien oder dem Landhaus Bacher in Mautern an der Donau. Zum anderen habe sie bei Stammkunden im Dürnsteiner Stammhaus sowie in den zwei Filialen in Krems beobachtet, dass nun statt zur Handsemmel häufiger zur günstigeren Kaisersemmel gegriffen wird.

Umfrage: Strom- und Gaspreise größte Gefahr

Einer, der die wirtschaftliche Lage heimischer Klein- und Mittelbetriebe (KMU) genau im Blick hat, ist Gerald Zmuegg vom Beratungsunternehmen „Finanzombudsteam“. Zmuegg lotet mittels regelmäßiger Umfragen die Befindlichkeiten in diesem wichtigen Segment der österreichischen Wirtschaft aus. Die jüngste derartige Erhebung wurde in der ersten Jännerhälfte durchgeführt. Dabei wurden Verantwortliche von 743 Unternehmen aus den Branchen Handel, Gastronomie und Hotellerie befragt. Das ernüchternde Ergebnis: Knapp drei Viertel gaben an, 2023 in ihrer jeweiligen Branche mit einem Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr zu rechnen – einem Jahr, das zu Beginn immerhin noch von der Corona-Krise gezeichnet war. Mehr als die Hälfte rechnen sogar mit einem Umsatzminus von mehr als 15 Prozent.

Dabei droht bekanntlich nicht nur auf der Erlösseite Ungemach. Gefragt nach der größten Gefahr für ihr eigenes Unternehmen, nannten rund zwei Drittel der Befragten die stark gestiegenen Strom- und Gaspreise. Bei sieben von zehn KMU erwartet man, dass sich die Kostensteigerungen in den Bereichen Energie, Personal, Zinsen, Mieten und Wareneinkauf im heurigen Jahr auf mehr als 20 Prozent des Umsatzes belaufen werden.

Zmuegg warnt davor, aus starken Umsatzzahlen gegen Ende des Vorjahres voreilige Schlüsse zu ziehen: Bei vielen Unternehmen hätten die guten Monate November und Dezember gerade einmal ausgereicht, dass unter dem Strich eine schwarze Null stehen konnte: „Zwar lag der Umsatz bei fast 85 Prozent der Befragten über dem Vorkrisenniveau, damit konnten der Geschäftsentgang des ersten Quartals 2022 und die inflationsbedingten Kostensteigerungen aber nur teilweise aufgeholt werden“, erklärt der Unternehmensberater.

Unverändert angespannt ist laut Zmuegg die Liquiditätslage: Knapp mehr als die Hälfte der KMU aus der Befragung hätten bereits versucht, von ihrer Hausbank zusätzliche Kredite für die Vorfinanzierung der laufenden Betriebsausgaben zu erhalten. Von diesen 393 Unternehmen hätten jedoch gerade einmal acht eine Aufstockung erhalten, ohne dafür zusätzliche Sicherheiten stellen zu müssen. Insgesamt gaben nur 35 der befragten KMU an, dass die erbetene Krediterhöhung bewilligt worden sei – nicht einmal zehn Prozent jener, die um eine Aufstockung angesucht hatten. „Politik und Interessenvertreter müssen endlich begreifen, dass Umsatz und Buchungslage nicht der Schlüssel sind, damit KMU in Österreich in den kommenden Jahren erfolgreich wirtschaften können“, meint Zmuegg. Entscheidend seien vielmehr ausreichende Liquidität, um massive Kostensteigerungen vorzufinanzieren, und „wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen im Bereich Energie, Arbeitskosten, Arbeitskräfte und Steuern“. Zmuegg hofft, dass Politik und Wirtschaftsvertreter die schwierige Liquiditätssituation bekämpfen und auch im regulatorischen Bereich „geeignete Rahmenbedingungen“ geschaffen würden.

Warten auf Corona-Hilfen

Ein Grund dafür, dass Unternehmen mitunter flüssige Geldmittel fehlen, ist immer noch in den  Nachwirkungen der Corona-Zeit mit ihren Lockdowns und sonstigen Einschränkungen zu finden. Zwar hat der Staat versprochen, rasch und umfassend zu helfen, in der Praxis warten viele Betriebe jedoch immer noch auf Teile der Unterstützungszahlungen – dies zunehmend dringend.

Ein derartiges Unternehmen ist die 2017 gegründete Viita Watches GmbH mit Sitz im oberösterreichischen Traun. Firmenchef Martin Konrad entwickelt und vertreibt von hier aus mit 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine spezielle Smartwatch, die Gesundheitsdaten misst, sowie entsprechendes Zubehör. Die Uhr, deren Akku-Laufzeit laut Konrad mit bis zu zehn Tagen weit über dem üblichen Maß liegt, wird mittlerweile unter der Marke „Bugatti“ vertrieben – quasi ein Sportwagen fürs Handgelenk. Zielgruppe ist das Luxussegment, was sich auch im Preis von 1200 bis 2600 Euro pro Smartwatch widerspiegelt. Verkauft wird in alle Welt: Konrad zufolge beträgt die Exportquote 99 Prozent.

Das war nicht immer so geplant. Im Gespräch mit profil erzählt Konrad, dass man die Uhr eigentlich über den Fachhandel vertreiben wollte und bereits auch ein entsprechendes Händlernetzwerk aufgebaut hatte: „Dann kam Corona, und die Händler sperrten zu.“ Von einem Tag auf den anderen sei man gezwungen gewesen, das Geschäftsmodell auf Online-Verkauf umzustellen – ein Richtungswechsel, der letztlich mehr als ein Jahr in Anspruch genommen habe. Mittlerweile würden sich die Umsätze gut entwickeln, sagt Konrad. Für das bis Ende Jänner laufende Geschäftsjahr rechnet der Unternehmer trotz inflationsbedingter Kostensteigerungen mit einer schwarzen Null.

Produktionskosten: plus 100 Prozent

Obwohl die Smartwatches von Viita auf das vergleichsweise krisensichere Luxussegment abzielen, werden auch hier die Zeiten nicht einfacher. „Unsere Produktionskosten sind um 100 Prozent gestiegen“, erzählt Konrad. Dies beziehe sich unter anderem

auf Bereiche wie Transport, Versand, Rohstoffe und Energiekosten. Ein Spezialthema für das Technologieunternehmen ist die Knappheit an Computer-chips. Diese ist im Zuge der Corona-Krise und der daran geknüpften Lieferkettenprobleme zutage getreten. „Hier hatten wir zum Teil Aufschläge von 1000 Prozent“, sagt Konrad.   

In der Corona-Zeit fielen bei dem Unternehmen, das sich vertriebstechnisch neu erfinden musste, freilich noch Verluste an. Verluste, für die Konrad gemäß den entsprechenden staatlichen Hilfsinstrumenten Ersatz beantragt hat. Insgesamt geht es um eine Summe von etwas mehr als 1,1 Millionen Euro – ein durchaus bedeutender Betrag für ein kleines Unternehmen. Doch das Geld lässt auf sich warten. Dies, obwohl der Großteil bereits im Juni 2022 beantragt wurde, der Rest dann im September 2022.

Er habe mehrfach mit der staatlichen Coronahilfen-Agentur Cofag und auch dem Finanzamt, das für die Prüfung verantwortlich ist, Kontakt gehabt, erzählt Konrad. Ihm sei kein konkreter Grund genannt worden, weshalb die Auszahlung bisher nicht erfolgt ist. Man habe ihm lediglich mitgeteilt, dass es aufgrund der hohen Zahl an Anträgen zu Engpässen in der Bearbeitung komme. „Der Ball wurde auch zwischen Finanzamt und Cofag teils widersprüchlich hin und her gespielt“, schildert der Firmenchef.    

„Durch die Zeitverzögerung kommt jedes Unternehmen in Liquiditätsprobleme“, meint Konrad. Da weniger Betriebsmittel vorhanden sind, mache man weniger Umsatz und könne weniger in Forschung und Entwicklung investieren. Für ein Technologieunternehmen wie Viita, das zur Optimierung seiner Smartwatches sogar ein eigenes Betriebssystem programmiert hat, spielt das naturgemäß eine große Rolle. Um die Liquiditätslücke zu überbrücken, musste Konrad in den sauren Apfel beißen und „einen Kredit über eine Million Euro zu extrem hohen Zinsen aufnehmen“. Das frische Geld stamme von einem privaten Investor, der Zinssatz belaufe sich auf zwölf Prozent pro Jahr. Bei Banken hätte er gar keine Chance auf eine Finanzierung gehabt, erzählt der Unternehmer „obwohl wir wirtschaftlich gut unterwegs waren“.

Heiß diskutierte Nationalbank-Studie

Schilderungen wie jene Konrads konterkarieren – zumindest auf den ersten Blick – eine vergangene Woche heiß diskutierte – Studie der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Diese Analyse legt nahe, dass die staatlichen Corona-Hilfen überschießend und „wahrscheinlich nicht zielgerichtet genug“ gewesen seien. In der Studie wird dies vor allem daran festgemacht, dass österreichische Unternehmen im ersten Corona-Jahr 2020 trotz Krise sowohl Bankeinlagen als auch ihr Eigenkapital erhöhen konnten.

Im Detail zeigt sich allerdings, dass dieser Effekt für große Firmen stärker ausgefallen ist als für kleine. Darüber hinaus lagen der OeNB für die Bilanzanalyse noch keine Zahlen für das Geschäftsjahr 2021 vor. Sehr wohl Einblick hat die Nationalbank in die Daten der von ihr beaufsichtigten Kreditinstitute in diesem Zeitraum. Und siehe da: Während die Einlagen aus dem Unternehmenssektor im zweiten Corona-Jahr 2021 insgesamt weiterhin stark anstiegen, stagnierten sie im Bereich der KMU.

„Finanzombudsteam“-Experte Gerald Zmuegg, der Klein- und Mittelbetriebe in Finanzierungsfragen berät, meint: „Um die Wirksamkeit der Hilfen zu beurteilen, muss der Gesamtzeitraum der verordneten Beschränkungen für die Unternehmen von März 2020 bis zum ersten Quartal 2022 betrachtet werden und alle Hilfsinstrumente.“ Das sei bei keiner der bisher veröffentlichten Studien der Fall. Er wünsche sich eine „sachliche Diskussion zu diesem Thema“, meint Zmuegg. Zu berücksichtigen sei auch, dass sich 25.000 Unternehmen zusätzlich zu den Corona-Hilfen mit in Summe 4,9 Milliarden Euro verschulden hätten müssen. 7000 Unternehmen würden außerdem immer noch auf Hilfszahlungen warten.

„Wir sind auf das Geld angewiesen“

Eines davon ist die NG-Gastro GesmbH, die das Café-Restaurant „Edison“ in der Wiener Alser Straße betreibt. profil traf dort vergangene Woche Geschäftsführer Nikolaus Gutmann zum Gespräch. Vom Tisch aus konnte man durch die großen Glasscheiben direkt hinüber zur gerade einmal 100 Meter entfernten Nationalbank blicken. Und Gutmann machte im Interview klar: Überfördert fühlt er sich nicht. Stattdessen wartet der Gastronom sehnlich auf  knapp 35.000 Euro von der Cofag – Verlustersatz für den Zeitraum August bis Dezember 2021, der auch schon wieder mehr als ein Jahr zurückliegt. „Wenn ich bei der Krankenkassa drei Monate im Rückstand bin, werden wir zugesperrt“, meint Gutmann lakonisch.

„Wir haben Anspruch auf das Geld, und als Kleinstunternehmen sind wir auch darauf angewiesen“, fasst der Restaurantbetreiber zusammen. Der ausbleibende Verlustersatz habe ein Budgetloch hinterlassen. Ohne eine – vergleichsweise unbürokratische – Unterstützung durch die Stadt Wien, hätte er Probleme gehabt, die Löhne seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bezahlen. Im „Edison“ arbeiten rund zehn Personen. In jüngerer Vergangenheit hat das Unternehmen allerdings auch eine Catering-Schiene als zweites Standbein etabliert. Insgesamt beschäftigt die NG-Gastro GesmbH Gutmann zufolge rund 30 Dienstnehmer.

Gas: 8000 Euro statt bisher 2000

Das zweite Standbein ist auch dringend notwendig. Obwohl die Corona-Lockdowns lange vorüber sind, liegt der Umsatz im Lokal immer noch um rund 50 Prozent unter dem Level vor der Krise, sagt Gutmann. Habe man früher pro Tag 50 bis 60 Mittagsmenüs an den Gast gebracht, sind es jetzt gerade einmal fünf. Ein Grund dafür: der Trend zum Homeoffice. Außerdem spüre man bereits, dass wegen der hohen Inflation die Konsumbereitschaft nachlasse: Früher habe es im „Edison“ rund 25 Weihnachtsfeiern pro Jahr gegeben, erzählt Gutmann. Im Vorjahr seien es gerade einmal zwei gewesen. Wenn die Leute mehr von ihrem Einkommen benötigen, um steigende Energiekosten zu begleichen, schlage sich das eben an anderer Stelle nieder, meint der Gastronom.

Was steigende Kosten betrifft, kann Gutmann selbst ein Lied singen: Bei Strom würden die aktuellen Vorschreibungen mittlerweile das Doppelte von früher vorsehen, bei Gas gar das Vierfache – konkret 8000 Euro pro Monat statt bisher 2000 Euro. Inwieweit sich die staatliche Energiepreisbremse positiv auswirken wird, habe er noch nicht ganz verstanden, gibt Gutmann zu: „Ich bin ein bisschen abgestumpft, was Staatshilfen betrifft.“

Die Flinte ins Korn – oder besser: den Schöpfer in die Suppe – werfen, das kommt für den Gastronomen allerdings trotz aller Unbill nicht infrage: „Ich war immer ein Optimist in meinem Leben und bin es noch.“ Das Angebot im Lokal will Gutmann radikal umstellen – nämlich deutlich verkleinern und qualitativ rein auf Bio setzen. Gleichzeitig könnte die Catering-Schiene dafür sorgen, dass  2023 wirtschaftlich sogar ein gutes Jahr werde, meint der Restaurant-Betreiber: „Wenn eine Tür zugeht, geht eine andere auf.“

Die Cofag betont auf profil-Anfrage, dass sie nicht für die Konzeption und die Ausgestaltung der Corona-Hilfen verantwortlich sei, sondern der „Gesetzes- und Verordnungsgeber“ – also das Finanzministerium und die Politik. Sie selbst sei ausschließlich für die Abwicklung zuständig und müsse Anträge von Unternehmen „sorgfältig im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“ prüfen. „Durch unser strenges Kontroll- und Prüfsystem konnten wir bisher potenzielle Überzahlungen in Höhe von österreichweit rund 287 Millionen Euro identifizieren und vermeiden, dass zu viel ausbezahlt wurde“, heißt es in einer Stellungnahme.  

Sowohl Konrad als auch Gutmann haben profil übrigens bereitwillig die Erlaubnis erteilt, von der Cofag Auskünfte zu ihren offenen Hilfsansuchen einzuholen. Das hat zu der paradoxen Situation geführt, dass die Unternehmer – ihren Angaben zufolge – nun erstmals erfahren haben, warum sie so lange auf das Geld warten müssen. Wie die Cofag profil mitteilte, hätte eine vorläufige Prüfung der Anträge ergeben, dass die angegebenen Umsätze und Verluste (bei Viita) beziehungsweise die Verlustposition (bei NG-Gastro) „nicht plausibel“ seien. Um sich Klarheit zu verschaffen, hat die Cofag sogenannte Ergänzungsgutachten bei der Finanz beauftragt, die noch in Bearbeitung seien.

Konrad und Gutmann sagen unisono, dass sie davon nun zum ersten Mal hören würden. Konrad verweist darauf, dass ein früherer Verlustersatz zu 100 Prozent bestätigt worden sei. Er habe keine Einwände, dass das Finanzamt abermals prüfe – nur warte er darauf jetzt eben schon seit sieben Monaten. Die Cofag teilte profil ebenfalls mit, dass die beiden Unternehmen aus früheren Anträgen sehr wohl Corona-Hilfen erhalten haben. Damals war offensichtlich alles in Ordnung.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).