profil 26/2003: Wie profil den Voest-Verkauf an Magna verhinderte
Heute sitzt Karl-Heinz Grasser wegen Untreue im Gefängnis, Frank Stronach hat Probleme mit der kanadischen Justiz, aber im Jahr 2003 waren beide Männer noch mächtig im Geschäft. Karl-Heinz Grasser führte zu diesem Zeitpunkt das Finanzministerium unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, hatte sich aber für alle Fälle bei seinem früheren Arbeitgeber in der Privatwirtschaft ein Rückkehrrecht ausverhandelt. Und zwar bei Magna, dem erfolgreichen Autozulieferkonzern von Frank Stronach.
Wäre WhatsApp damals schon erfunden gewesen, Grasser und Stronach hätten vermutlich ihre Geheimpläne dort besprochen. Aber im Jahr 2003 blieb nur die altmodische Geheimniskrämerei übrig: Besprechungen, von denen niemand etwas erfahren durfte, Arbeitsgruppen, die unauffällig tagen sollten, und ein Codename für ihre Mission, um nicht aufzufallen: „Minerva“. Blöd nur für Grasser und für Magna, dass bald alles hochoffiziell protokolliert und niedergeschrieben wurde – von profil.
Unter dem Titel „Codename ‚Minerva‘“ deckte Wirtschaftsredakteurin Liselotte Palme minutiös das spektakuläre Vorhaben auf: den Verkauf des damals noch teilstaatlichen Stahlkonzerns Voestalpine an Magna. Palme berichtete darüber, wer in der Arbeitsgruppe saß, wie lange sie tagte und was ihr Erfolg bedeuten würde: die Filetierung der Voest und damit in letzter Konsequenz ihr Ende. Der Ursprung des Codenamens wurde ihr von einem mit dem Projekt vertrauten Manager kichernd preisgegeben, schrieb Palme: Das „M“ stehe für Magna, das „va“ am Wortende sei die Abkürzung für Voest.
Das ganze Land ist nach der profil-Aufdeckung entrüstet, aber vor allem in Oberösterreich – Heimatland der Voest – ist der Aufschrei groß. Vor der Landtagswahl will sich dort niemand mit dem Geheimprojekt identifizieren. Die „Oberösterreichischen Nachrichten“ organisieren eine Unterschriftenaktion mit 50.000 Unterstützern und legen Kanzler Schüssel Kisten voller Protestnoten vor die Haustür am Ballhausplatz. profil brachte am Ende das Projekt „Minerva“ zu Fall. Der Druck auf die Bundesregierung wurde einfach zu groß.
Dass ausgerechnet profil mit Liselotte Palme „Minerva“ auf die Schliche kam, überraschte niemand. Die Doyenne der Wirtschaftspublizistik war für ihre wasserdichten Kontakte und scharfsinnigen Enthüllungen bekannt. Selbst ihr Hund Rocko war legendär und spazierte selbstständig durch die Innenstadt, während Liselotte Palme in der Redaktion recherchierte. Bloß der Aufzugsknopf musste für Rocko gedrückt werden, damit er ins Erdgeschoß und wieder retour kommen konnte.
2004, ein Jahr, nachdem profil „Minerva“ aufgedeckt hatte, berichtete es über die geheimen Kosten des Geheimprojekts: 300.000 Euro wurden von der Staatsholding ÖIAG für Beratungsleistungen an eine Anwaltskanzlei bezahlt. Dabei hatte es zunächst geheißen, es sei kein Geld geflossen. Der Staat hatte aber, wieder einmal, die Rechnung ohne profil gemacht.