Polizeiermittler am Tatort in Ansbach, wo sich ein Selbstmordattentäter am Sonntag seinen Sprengstoffgürtel zur Explosion gebracht hat.

Attentat in Ansbach: Islamistischer Hintergrund bestätigt

Bei einem Sprengstoffanschlag im bayerischen Ansbach sind am Sonntagabend der mutmaßliche Täter getötet und mindestens zwölf weitere Menschen verletzt worden.

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Nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zündete ein 27-jähriger Syrer am Eingang zu einem Festivalgelände im Zentrum der fränkischen Stadt einen Sprengsatz, nachdem er nicht auf das Gelände gelassen worden sei.

Der Mann habe seit zwei Jahren in Deutschland gelebt und sei nach der Ablehnung seines Asylantrags vor einem Jahr weiter geduldet worden. Ein islamistischer Hintergrund sei nicht auszuschließen, sagte Herrmann in der Nacht vor Journalisten in Ansbach. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erklärte der Minister, seine "persönliche Einschätzung ist, dass ich es leider für sehr naheliegend halte, dass hier ein echter islamistischer Selbstmordanschlag stattgefunden hat". Der Sprengsatz detonierte nach Polizeiangaben kurz nach 22 Uhr in der Nähe des Eingangs zu dem Musikfestival mit mehr als 2.000 Teilnehmern.

Erhöhte Polizeipräsenz in Deutschland

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière hat nach den Attentaten von Würzburg, München, Reutlingen und Ansbach nach eigenen Worten verstärkte Streifen der Bundespolizei an Flughäfen und Bahnhöfen angeordnet. "Was mir im Moment besonders wichtig erscheint, ist eine erhöhte Präsenz von Polizeikräften im öffentlichen Raum", sagte er am Montag in Berlin.

Auch die sogenannte Schleierfahndung, unter anderem an der Grenzen zu Österreich gehe weiter. Zu möglichen Gesetzesänderungen hielt sich de Maizière bedeckt. Entsprechende Änderungen könnten vor Abschluss der Ermittlungen nicht feststehen. Er werde jedoch Änderungen anstoßen, wenn diese erforderlich seien.

Islamistischer Hintergrund bestätigt

Die bayrischen Ermittler gehen inzwischen von einem islamistischen Hintergrund aus. Das gehe aus einem Video auf dem Mobiltelefon des Täters hervor, in dem sich dieser zur Terrormiliz IS bekenne, sagte der bayrische Innenminister Joachim Herrmann. Der mutmaßliche Täter des Selbstmordanschlags in Ansbach bezieht sich in einem Video auf Abu Bakr al-Baghdadi, den Anführer der Terrormiliz IS. Es gebe Leute, die mit der Welt abgeschlossen hätten, zitiert Herrmann aus dem Video. Die Deutschen würden nicht mehr in Ruhe schlafen können.

Täter war in Österreich registriert

Der Selbstmordattentäter von Ansbach soll auf seiner Flucht nach Deutschland auch in Österreich und zuvor in Bulgarien registriert worden sein. Dies gehe aus entsprechenden Einträgen im Eurodac-System, der gesamteuropäischen asylrechtlichen Datenbank, hervor, erklärte ein Sprecher des deutschen Innenministeriums laut AFP am Montag in Berlin.

Der Selbstmordattentäter hatte 2014 auch einen Asylantrag in Österreich gestellt. Wegen eines positiv beschiedenen Asylantrags in Bulgarien im Jahr 2013 sei dieser jedoch abgelehnt worden, sagte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck zur APA.

Deutscher Innenminister will Debatte über "Ballerspiele"

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière strebt nach dem Münchner Amoklauf eine breite gesellschaftliche Debatte über gewaltintensive Computerspiele an, sieht jedoch keine Verbotsoption. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter will die Sicherheitsmaßnahmen beim Oktoberfest verschärfen, bis hin zum Verbot von Rucksäcken.

25. Juli

In Ansbach sorgte die Explosion für einen Großeinsatz der Polizei, die mit 200 Kräften anrückte. Feuerwehr und Rettungsdienste waren mit 350 Kräften im Einsatz. Die Polizei gründete eine Sonderkommission mit mehr als 30 Mitgliedern. Die Tatortarbeit begann noch in der Nacht.

Die komplette Altstadt von Ansbach, das rund 40.000 Einwohner hat, war am späten Abend abgeriegelt. Anrainer konnten zunächst nicht zurück in ihre Häuser. Das Open-Air-Konzert wurde abgebrochen. Bei den "Ansbach Open 2016" sollten am Sonntag die deutschen Popsänger Joris, Philipp Dittberner und Gregor Meyle auftreten.

Nach dem Bombenanschlag hat die Polizei Zeugen aufgefordert, Videos und Bilder zu der Tat per Mail an die Behörde zu schicken. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichte die bayerische Polizei in der Nacht auf Montag einen entsprechenden Aufruf.

Unklar war zunächst, in welchem Umfeld sich der 27-Jährige bewegte und woher er den Sprengstoff hatte. Man müsse auch klären, woher genau die Metallteile stammten, sagte Polizeivizepräsident Fertinger. Diese glichen solchen, die in der Holzindustrie verwendet werden.

24. Juli

Polizeiangaben zufolge waren weit verstreut Metallteile aufgefunden worden. Bei islamistischen Anschlägen im Nahen Osten werden häufig Metallteile oder Nägel zur Verstärkung der Wirkung eines Sprengsatzes benutzt. Wieweit die Tat islamistischem Terror zuzuordnen sei, müssten die Ermittlungen zeigen, sagte Herrmann. Dem Minister zufolge war der 27-Jährige bereits wegen anderer Vorfälle polizeibekannt gewesen.

Auf der nächtlichen Pressekonferenz in Ansbach schilderten Herrmann und der Nürnberger Polizeivizepräsident Roman Fertinger den Hergang der Tat: Der 27-jährige Syrer habe gegen 22 Uhr versucht, auf das Gelände des Open-Air-Festivals zu kommen. Der Zutritt sei ihm verwehrt worden, weil er keine Eintrittskarte besaß.

Daraufhin habe der Mann den in einem Rucksack versteckten Sprengsatz gezündet. Es sei "glücklichen Umständen" zu verdanken, "dass nicht weitere Menschen zu Tode gekommen sind", sagte Herrmann. Staatsanwalt Michael Schrotberger sagte auf der Pressekonferenz, es werde wegen Mordversuchs in zwölf Fällen ermittelt.

Der 27-Jährige war nach Angaben des Ministers wegen zweier Suizidversuche in Ansbach in medizinischer Behandlung gewesen. Fertinger berichtete, der Mann sei wegen Drogen- und Nötigungsdelikten polizeibekannt. Eine Sonderkommission prüfe nun, ob er Verbindungen ins islamistische Milieu gehabt haben könnte. Wegen politisch radikaler Ansichten sei er den Behörden bisher noch nicht aufgefallen.

Die Reaktion des bayrischen Innenministers Joachim Herrmann

Joachim Herrmann zeigte sich nach einem Besuch am Tatort entsetzt und sprach von einem "weiteren schlimmen Tag für unser Land". Besonders beunruhigt zeigte sich Herrmann über die Tatsache, dass die Tat offensichtlich von einem Asylbewerber verübt wurde. "Ich bin entsetzt, dass jemand die Möglichkeit, sich in unserem Land aufzuhalten, derartig missbraucht", sagte der Minister. Es sei nicht von der Hand zu weisen, "dass das in einer ganz schlimmen Weise das Asylrecht in unserem Land diskreditiert".

Er mahnte zu politischen Konsequenzen: "Wir müssen alles dafür tun, dass solche Gewalt in unserem Land von Menschen, die als Asylbewerber in unser Land gekommen sind, nicht weiter um sich greift."

Innenminister Herrmann wies darauf hin, dass es sich nach der Zugattacke von Würzburg und dem Amoklauf von München bereits um die dritte große Bluttat binnen weniger Tage in Bayern handelte. Diese Entwicklung sei "ungeheuerlich", die Bevölkerung sei "verunsichert", sagte Herrmann.

Solche Bluttaten seien "sicherlich nicht typisch für Flüchtlinge in unserem Land", fügte Herrmann hinzu. "Aber die Sorgen und Ängste in unserer Bevölkerung werden zunehmen." Am Dienstag wolle die bayerische Regierung auf ihrer Klausur am Tegernsee über Konsequenzen für einen besseren Schutz der Bevölkerung beraten.

Die Anschläge der vergangenen Tage haben Bayerns Innenminister Herrmann nach eigenen Worten sehr berührt. Das gehe einem auch persönlich "unheimlich nahe", sagte der 59-jährige CSU-Politiker am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Er ist seit fast neun Jahren Innenminister in Bayern. Eine solche Woche habe er noch nicht erlebt, sagte Herrmann.

Herrmann sagte, es sei leider ein weiterer schlimmer Anschlag, der gerade die Besorgnis der Menschen weiter verstärken dürfte. Eine restlose Aufklärung der Tat sei wichtig, um das Vertrauen in den Rechtsstaat wieder herstellen zu können. "Wir müssen sehen, dass neben vielen Flüchtlingen mit schlimmen Schicksalen auch Leute in unser Land kommen oder gekommen sind, die eine echte Gefahr für die Sicherheit der Menschen in unserem Land darstellen", sagte er. "Das können wir nicht hinnehmen." Das müsse Konsequenzen haben.

Er pocht auf Gesetzesänderungen auf Bundesebene. Dabei gehe es etwa um das Strafrecht und um aufenthaltsrechtliche Fragen. "Wir müssen auch anderen deutlich machen: Jeder hat die Rechtsordnung dieses Landes zu akzeptieren." Wenn jemand dagegen verstoße, müsse schon auf niedrigerer Schwelle als bisher deutlich werden, dass er das Land wieder zu verlassen habe. Allerdings hängen die Überlegungen nicht unmittelbar mit dem tödlichen Attentat vom Sonntagabend zusammen: Das bayerische Kabinett wird von Dienstag an bei einer Klausur am Tegernsee vor allem das Thema Sicherheit diskutieren.