profil-Morgenpost: Clowns und Südfrüchte

Über Komiker in der Regierung, Orangen im Sommer und die Parallelen zwischen Politik und Klimawandel.

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Die längste Zeit war es ja so, dass man diverse Südfrüchte hierzulande sogar in gut sortierten Supermärkten nur während der Wintermonate bekam. Aber das ist jetzt auch schon wieder ein Weilchen her – genau wie die Ära, in der sich Politiker lediglich während der Faschingszeit oder bei Aschermittwochsreden (also im Wesentlichen ebenfalls nur während der Wintermonate) wie Komiker benommen haben.

Jetzt ist Hochsommer, beim Billa gibt es das Kilo Orangen um wohlfeile 3,49 Euro, und Boris Johnson wurde gestern zum Premierminister von Großbritannien gewählt: also ein Mann, der sich das Prädikat „clownesk“ mehr als unredlich verdient hat. Otmar Lahodynsky – er war lange Jahre profil-Korrespondent in Brüssel und hatte dabei direkt mit dem damaligen „Daily-Telegraph“-Journalisten Johnson zu tun – kann das aus persönlicher Erfahrung bestätigen; Tessa Szsyzskowitz vertieft seine Schilderungen in einem ausführlichen Porträt in der aktuellen profil-Ausgabe.

"Clown runs for Prez"

Wenn man sich ansieht, wie Johnson auftritt, verwundert es nicht, dass er in Donald Trump einen Fan und ein Role Model zugleich gefunden hat. „Ich mag Boris, hab' ihn schon immer gemocht“, sagt der US-Präsident, der seinerseits deutlich öfter als Clown dargestellt und bezeichnet wird als jeder seiner Amtsvorgänger (das New Yorker Boulevardblatt „Daily News“ begrüßte ihn dereinst mit der knackigen Schlagzeile „Clown runs for Prez“ im Wahlkampf).

Während Boris Johnson und Donald Trump als Komiker nur dilettieren, amtiert in der Ukraine seit April ein Profi-Spaßmacher als Präsident. Er heißt Wolodymyr Selenskyj und ist mit einer TV-Serie bekanntgeworden, in der er einen Lehrer spielt, der unversehens zum Staatschef gemacht wird. Simone Brunner hat Selenskyjs Aufstieg bereits im vergangenen April beschrieben, vergangenen Sonntag machte seine Partei bei den Parlamentswahlen auch noch die absolute Mehrheit. Und in Italien gründete der Kabarettist Beppe Grillo die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, die mittlerweile in der Regierung sitzt. Auch wenn Grillo sich inzwischen wieder aus der Politik verabschiedet hat (was kein großer Verlust sein dürfte), ist der Trend also klar: Echte und falsche Clowns sind in der Politik inzwischen ebenso ganzjährig präsent wie Südfrüchte im Supermarkt.

Man könnte auch sagen: Für den Zustand der Politik bedeuten Trump, Johnson und viele andere das gleiche wie die Sommer-Orangen für den Klimawandel – Symptom einer Krise und ihr Verstärker zugleich.

Haben Sie trotzdem einen schönen Tag (und, übrigens: bald sind in Österreich die Frühzwetschken reif).