Interview

"Söder hat sich einiges von Kurz abgeschaut"

Die Söder-Biografin Anna Clauß über die Unnahbarkeit des bayerischen Ministerpräsidenten, die Kanzlerfrage und was sich Söder von Sebastian Kurz abgeschaut hat.

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profil: Sie schreiben in Ihrer soeben erschienenen Biografie über Markus Söder, niemand würde ihn so richtig mögen. Warum nicht?

Clauß: Weil es ihm schwerfällt, Augenhöhe mit Menschen herzustellen: Rein körperlich, denn er ist fast zwei Meter groß und schaut immer von oben herab. Aber auch die Augenhöhe im Gespräch fällt Markus Söder schwer, weil er sich immer für die klügste Person im Raum hält und wohl auch häufig ist. Für Small Talk ist er zu ungeduldig, auch die bayerische Gemütlichkeit schätzt er nicht: Er ruht sich nicht aus, trinkt keinen Alkohol. Söder denkt sehr strategisch im Umgang mit Menschen, bewegt sie wie auf einem Schachbrett. Alle respektieren ihn, aber keiner findet ihn angenehm im persönlichen Umgang.

profil: Offenbar fühlen sich gerade in der Krise viele gut bei ihm aufgehoben. In den Umfragen führt er vor CDU-Chef Armin Laschet. Wird Söder Kanzlerkandidat?

Clauß: Wenn es nach ihm geht: Ja. Aber-blöd für ihn-so läuft das nicht. Er muss darauf warten, von der CDU gebeten zu werden. Söder ist als Mitglied der Schwesternpartei nicht der natürliche Kanzlerkandidat, das ist Armin Laschet, und der müsste ihn vorbeilassen. Dafür gibt es keine Anzeichen, aber Markus Söder lauert. Das Erstaunliche an ihm ist, dass seine Chancen nie gut standen, er nie besonders beliebt war-und dennoch wurde er CSU-Parteivorsitzender. Er war am Ende immer der Unvermeidliche. Wenn die kommenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz für die CDU schlecht laufen, könnte es Söder gelingen, sich an Laschet vorbeizuschieben.

profil: In den vergangenen Jahren wurde Söder vom Anti-Migrations-Hardliner zum besorgten Klimaschützer. Wofür steht er überhaupt?

Clauß: Söder steht, wie auch Merkel, für einen ideologisch entleerten Konservativismus. Es geht darum, Probleme effizient zu lösen. Das hat sich Söder von Merkel abgeschaut. Er hat einen guten Riecher für den Zeitgeist. Söder macht unideologische Politik, er will machen und sich kümmern. Er hat erkannt, dass er mit Argumenten gegen die grüne Bewegung nicht ankommt - und sich stattdessen an die Spitze dieser Bewegung gestellt. Das wirkt dreist, aber so macht das Merkel seit 16 Jahren recht erfolgreich.


profil: Söder ist auch von seinem ursprünglichen Rechtskurs abgewichen. Wieso?

Clauß: Söder erkennt schnell, wenn ein Kurs nicht funktioniert. Das können nicht viele Politiker. Er guckt immer, was Kanzler Kurz macht, gibt gern damit an, dass sie regelmäßig telefonieren. Ich habe das Gefühl, er wäre gern so wie Kurz, eine smarte Anführerfigur. Er hat sich einiges vom österreichischen Kanzler abgeschaut. Beim Wahlkampf in Bayern vor drei Jahren hat Söder gesagt: Zu unserem Wahlkampfabschluss kommt keine Kanzlerin, sondern ein Kanzler. Er hat damit Kurz gemeint, der dann statt Merkel ins Münchner Hofbräuhaus kam.

profil: Was hat sich Söder konkret von Kurz abgeschaut?

Clauß: Als er gesehen hat, dass Schwarz-Blau in Österreich funktioniert, hat Söder vor den Landtagswahlen 2018 den rechten Hardliner gegeben und Kurz zu kopieren versucht, etwa mit dem Kreuzerlass. Der Vorstoß, dass in jeder bayerischen Amtsstube ein Kreuz hängen muss, war rechtskonservative Symbolpolitik, ein Signal an völkisch-national gesinnte, stolze Bayern: Seht her, ihr könnt jetzt wieder CSU wählen, ihr müsst nicht zur AfD überlaufen.

profil: Hat Söders Kurswechsel auch mit dem Ibiza-Skandal vom Mai 2019 zu tun?

Clauß: Der Schwenk zurück in die Mitte der Gesellschaft ging Anfang 2019 mit dem Volksbegehren Artenschutz ("Rettet die Bienen") los. Der Ibiza-Skandal wird ihn in diesem Kurs bestätigt haben.

profil: Wie ist das Verhältnis der beiden heute? Schwärmt Söder noch von Kurz?

Clauß: Er erzählt immer noch, wie gut das Verhältnis zu ihm sei. In der Corona-Krise findet Söder Kurz aber zu wankelmütig. Da wird Österreich als Negativbeispiel angeprangert: Zustände wie in Österreich, wo es auf-und wieder zu geht, will man nicht. Söder rühmt sich, seinen Kurs der harten Hand durchzuhalten.


profil: Der Zorn der Tiroler wegen der bayerischen Grenzschließung ist geradezu biblisch. Ändert die Grenzschließung etwas am guten Verhältnis zwischen Söder und Kurz?

Clauß: Ich glaube nicht, weil das alles auf die Tiroler geschoben werden kann-die sich offensichtlich nicht an die gängigen Regeln halten: Der Skibetrieb habe maßgeblich dazu beigetragen, die Zahlen in Tirol hochschnellen zu lassen. Tirol steht als Sündenbock gerade hoch im Kurs.

Der andere Söder "Söder. Die andere Biographie" von Anna Clauß ist soeben im Hoffmann und Campe Verlag erschienen. 176 Seiten 20,60 Euro

Lesen Sie die ganze Analyse von Kanzlerkandidat Markus Söder, geschrieben von Siobhán Geets und Robert Treichler, in der Printausgabe vom 21.02.2021 oder als E-Paper!

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort und gehört zum "Streiten Wir!"-Kernteam.