Die Verlassenen: Trump fehlt es an Regierungspersonal

Donald Trump ist seit 275 Tagen im Amt, und noch immer fehlt ihm reihenweise Personal, um zu regieren. Er schafft es nicht, die Richtigen zu finden – und will es wohl auch gar nicht. Die absurde Geschichte einer Selbstaufgabe.

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Noch drei Monate bis zum Neujahrsempfang 2018 des Bundespräsidenten für das diplomatische Corps, und voraussichtlich wird die Abordnung der USA diesmal ein wenig dezimiert ausfallen. Der Grund: Washington hat bislang keinen neuen Botschafter nach Wien entsandt. Doch Bundespräsident Alexander Van der Bellen muss sich nicht kränken - es liegt weder an ihm noch an Österreich.

Es ist ein ehernes Gesetz, dass ein Machtwechsel im Weißen Haus zur Folge hat, dass ein Großteil der Administration neu besetzt wird: die wichtigen Jobs in den Ministerien, in staatlichen Agenturen und eben auch in den diplomatischen Vertretungen.

Normalerweise funktioniert die Bestellung eines US-Botschafters folgendermaßen: Das Weiße Haus oder das Außenministerium benennt einen Kandidaten oder eine Kandidatin. Anschließend findet eine penible Überprüfung der Person und ihrer Lebensumstände statt - hinter verschlossenen Türen, um zu verhindern, dass über den Namen eine öffentliche Debatte in den USA oder im Gastland ausbricht.

"Die Philosophie lautet: Der Präsident hat das Recht, auszuwählen, wen er will", sagt Daniel S. Mattern, Sprecher der US-Botschaft in Österreich: "Wenn es Unzufriedenheit mit einer Kandidatin oder einem Kandidaten gibt, wird man sie oder ihn eher nicht aktiv ablehnen, sondern versuchen, den Präsidenten dazu zu bringen, die Nominierung zurückzuziehen."

Verläuft die Überprüfung positiv, gibt der Präsident bekannt, wen er nominiert hat. Anschließend wird noch das Agreement, also die Zustimmung des Gastlandes, eingeholt. Auch dieser Vorgang findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Danach führt der Außenpolitische Ausschuss im Senat ein eingehendes Hearing mit dem potenziellen Botschafter durch und stimmt anschließend über die Ernennung ab.

Rund zwei Drittel der US-Botschafter sind traditionellerweise Karrierediplomaten, der Rest wird politisch bestellt; dabei handelt es sich oft um Unterstützer oder Freunde des jeweiligen Präsidenten. Letztere müssen oft erst ihre persönlichen und wirtschaftlichen Interessen regeln und eine Reihe von Kursen und Informationsgesprächen absolvieren, bevor sie in die weite Welt geschickt werden. "Aus all diesen Gründen ist das ein recht langwieriger Prozess", sagt Mattern.

Normalerweise dauert er höchstens ein halbes Jahr. Nach den Machtwechseln der vergangenen Jahrzehnte hatte Österreich bislang immer spätestens im Frühherbst einen neuen US-Botschafter oder eine Botschafterin. Die Ernennung von William C. Eacho durch Barack Obama wurde Ende Juni 2009 bekannt, jene von W.L. Lyons Brown durch George W. Bush Ende Mai 2001. Bill Clinton verkündete die Ernennung von Swanee Hunt Anfang September 1993.

Anfang Oktober 2017 kursiert für Österreich nicht einmal ein Name. Und das gilt für alle drei Botschafterposten in Wien: Nicht nur die bilaterale Vertretung ist vakant, sondern auch jene bei den Vereinten Nationen und jene bei der OSZE.

Leerstand in Wien ist kein Einzelfall

Doch der diplomatische Leerstand in Wien ist beileibe kein Einzelfall. Die Liste der US-Botschaften rund um den Globus, die an der Spitze verwaist sind, ist erstaunlich lange (siehe unten) und beinhaltet gar nicht wenige höchst bedeutsame Staaten und Institutionen. Die Europäische Union, Ägypten, Australien, Saudi-Arabien, Türkei, OECD, die UN in Genf, Rom und Wien, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die Vereinigung Ostasiatischer Nationen (ASEAN) und viele andere müssen auf einen US-Ansprechpartner im Rang eines Botschafters derzeit verzichten.

Auch Top-Jobs in Ministerien wurden seit der Angelobung von Donald Trump zum US-Präsidenten im vergangenen Januar nicht neu besetzt. Von den rund 600 Ernennungen, die laut der überparteilichen Organisation Partnership for Public Service nötig sind, wurden erst 142 vom Senat bestätigt. Es ist auch in dieser Hinsicht nicht falsch, zu sagen: Die Trump-Administration agiert zu einem großen Teil kopflos. Und Köpfe machen Politik - oder, wie es in Washington D.C. heißt: "Personnel is policy."

Begonnen hat das Schlamassel bereits kurz nach Trumps Wahlsieg. Gouverneur Chris Christie, der das sogenannte Übergangsteam leitete, das dem neuen Präsidenten dabei helfen sollte, möglichst rasch und effizient eine Administration aufzubauen, wurde wegen seiner Verwicklung in einen skurrilen Skandal um eine Straßensperre gefeuert. Sein Nachfolger Johnny DeStefano musste die Suche nach Kandidaten für mehrere Hundert hochqualifizierte Regierungsjobs bei null starten. Dazu kam, dass der damalige Stabschef Reince Priebus darauf bestand, alle Vorschläge von seinem Team absegnen zu lassen. Priebus nahm im Juli dieses Jahres den Hut.

Loyalität zur Regierung als Herausforderung

Nicht nur Chaos im Weißen Haus verzögerte die Nominierungen. Ein großes Problem besteht darin, dass eine Voraussetzung für einen politischen Top-Job die Loyalität zur Regierung und insbesondere zum Präsidenten selbst ist. Scharen von republikanischen Experten, die etwa unter Präsident George W. Bush arbeiteten, hatten sich jedoch während des Wahlkampfs in einem offenen Brief von Trump distanziert, kommen deshalb für eine Besetzung nicht infrage - und verzichten wohl auch gern darauf.

Und so steigt der Personalstand der Administrationselite nur sehr gemächlich. Während etwa George W. Bush am 17. Oktober 2001 bereits 375 vom Senat bestätigte Ernennungen vorweisen konnte, Barack Obama am 17. Oktober 2009 359, sind es bei Donald Trump gerade einmal 172.

Wie reagiert darauf der Präsident, der mit mickrigen Ergebnissen gewöhnlich eher schlecht zurechtkommt? Anfangs behauptete Trump, die schleppende Rekrutierung liege daran, dass die Demokraten seine Kandidaten ablehnten. Diese Argumentation ließ sich jedoch nur schwer aufrechterhalten, da die Republikaner im Senat die Mehrheit stellen. Botschaftssprecher Mattern verweist darauf, dass Trump die Wahl durch eine "sehr unkonventionelle Kampagne" gewonnen habe. Indem sich der Kandidat Trump offen gegen seine eigene Partei stellte, fehlten dem Wahlsieger Trump daraufhin die üblichen erfahrenen Gefolgsleute.

James Carafano, Vize-Präsident der Heritage Foundation, eines konservativen US-Thinktanks und Mitglied des Übergangsteams von Donald Trump, bezeichnete kürzlich bei einem Wien-Besuch das Fehlen von Funktionsträgern auf dem mittleren Level der Administration als "ernstes Problem". Vor allem in der internationalen Diplomatie mit ihrer Liebe zum hierarchischen Detail ist das Fehlen von hochrangigem Personal ein schweres Handicap. Außenminister Rex Tillerson könne nicht mit allen reden. Die Minister anderer Staaten reden wiederum vorzugsweise mit Botschaftern, aber nur bedingt mit den sogenannten Geschäftsträgern, also jenen Diplomaten ohne Botschafterrang, die auf vakanten Posten die Stellung halten. Das ist nicht nur symbolisch bedeutsam, sondern auch praktisch - gerade in schwierigen Situationen, in denen rascher Zugang zu Entscheidungsträgern von Bedeutung ist.

Zusammenbruch der Außenpolitik?

Dass es etwa mitten in der Katalonienkrise keinen US-Botschafter in Spanien gibt (Trumps Kandidat für den Job, der ehemalige Hedgefonds-Manager Duke Buchan, steckt laut einem Bericht der "New York Daily News" noch mitten im Auswahlprozess), sei nur einer von mehreren "Indikatoren für den Zusammenbruch der Außenpolitik", schreibt das Magazin "The Atlantic" vor Kurzem: "Nicht zum ersten Mal spüren die Amerikaner und der Rest der Welt die Folgen der Tatsache, dass ein Präsident mit so wenig Respekt auf der Weltbühne einer Administration vorsteht, die fast so dysfunktional ist, wie es sich Wladimir Putin nur wünschen kann."

Und das grenzt für die lange Zeit unangefochtene Supermacht USA an Selbstaufgabe - noch dazu zu einem Zeitpunkt, an dem die Zahl der Herausforderungen so groß ist wie selten zuvor in der Geschichte.

Ein Nahost-Friedensplan? Eine neue Afghanistan-Politik? Die Konfrontation mit Nordkorea? Eine Umwälzung der Beziehungen zu China? Für all das braucht es viele Köpfe. In den ersten beiden Novemberwochen wird der US-Präsident zwölf Tage lang Asien besuchen und in fünf Staaten Halt machen. "Trump sollte sein Asien-Team ernennen, ehe er dort auf Tour geht", titelte dazu die "Washington Post". Keine überzogene Forderung.

Auch Trump möchte, dass es rascher geht. Doch er weiß auch, was er riskiert, wenn er bei der Auswahl nicht achtgibt: eine Administration, die möglicherweise nicht loyal genug ist, um seine politischen Vorstellungen mit der nötigen Verve umzusetzen.

"Total unnötig"

Auch wenn seine Pläne nicht ganz durchschaubar sind, geht es Trump immerhin oft darum, alles ganz anders zu machen als seine Vorgänger. Deshalb hat sich der Präsident mittlerweile eine neue Erklärung zurechtgelegt: "Ich werde insgesamt viele der Ernennungen nicht vornehmen, die normalerweise gemacht werden - weil man sie nicht braucht", sagte er in einem Interview mit dem US-Magazin "Forbes". Man müsse sich die Behörden und Institutionen nur einmal ansehen, wetterte Trump - "wie riesig sie sind, und das ist total unnötig. Die haben Hunderttausende von Leuten."

Aus dem US-Präsidenten spricht einerseits die Überzeugung, dass ein Regierungsapparat, je größer und unübersehbarer er wird, teuer und von Übel sei. Andererseits muss er einsehen, dass er in vielen Fragen nicht weiter kommt. Laut Partnership for Public Service sind im Außenministerium 78 von 149 Schlüsselpositionen nicht besetzt; im Finanzministerium, das demnächst eine umfassende Steuerreform vorlegen soll, fehlen 15 von 28 Spitzenbeamten.

Donald Trump wäre nicht Donald Trump, wenn er seine Personalpolitik kühl, rational und nachvollziehbar anlegte. "Er muss sich nicht nach unseren Erwartungen richten", zeigt sich Daniel S. Mattern von der US-Vertretung in Österreich auf vorbildliche Weise verständnisvoll für die unvorhersehbare Vorgangsweise des Präsidenten. Und so wissen viele diplomatische Niederlassungen ganz einfach nicht, wie lange es noch dauern wird, bis ein Botschafter oder eine Botschafterin auftaucht. Schlimmer noch: Manche Institutionen müssen damit rechnen, aus der Sicht des Präsidenten auf völlig unnötige Weise überdimensioniert zu sein und auf Ernennungen zu warten wie Wladimir und Estragon auf Godot.

Die Vakanzen sind gekommen, um zu bleiben. Aber die US-Botschaft beruhigt: Sollte der Botschafterposten beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten noch immer unbesetzt sein, wird selbstverständlich ein befugter Vertreter entsandt. Dann öffnen sich ausnahmsweise sogar für einen Geschäftsträger die Türen der Hofburg.

Leerstellen

In diese Länder und Institutionen hat die Regierung Trump bislang keine Botschafter entsandt.

Asien Jordanien, Jemen, Katar, Saudi-Arabien, Südkorea, Syrien*, Tadschikistan, Türkei

Südamerika Argentinien, Belize, Bolivien*, Kuba, Dominikanische Republik, Honduras, Jamaica, Paraguay, Trinidad und Tobago, Venezuela

Australien

Europa Österreich, Weißrussland*, Belgien, Finnland, Ungarn, Island, Irland, Norwegen, Schweden

Afrika Kongo-Kinshasa, Elfenbeinküste, Ägypten, Eritrea*, Marokko, Somalia, Südafrika, Sudan*, Tansania

Internationale Organisationen ASEAN, EU, OAS, OECD, OSZE, UN (Stv. Botschafter), UN Genf, UN Menschenrechtskommission, UN Management und Reform, UN Rom, UN Wien, UNESCO

*Staaten, in welche die USA derzeit keine Botschafter entsenden. Nicht enthalten: Staaten, mit denen überhaupt keine diplomatischen Beziehungen bestehen.

Quelle: American Foreign Service Association

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur