Ursprung des Coronavirus: Sechs Fragen zur WHO-Forschung in Wuhan

Nach langer Verzögerung darf ein Team der WHO nach China, um die Ursprünge des Coronavirus zu erforschen. Es ist eine politisch heikle Mission mit wenig Hoffnung auf konkrete Ergebnisse.

Drucken

Schriftgröße

Jetzt dürfen also Forscher der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach China. Was wollen sie dort?

Das internationale Expertenteam will gemeinsam mit chinesischen Wissenschaftlern den Ursprung des Coronavirus untersuchen. Konkret soll etwa herausgefunden werden, von wo die Tiere, die auf dem Markt in Wuhan verkauft wurden, ursprünglich kamen und wann und wo das Virus vom Tier auf den Menschen übergesprungen ist: Patient Null, der erste infizierte Mensch, ist noch nicht gefunden.

Wieso reist das WHO-Team erst jetzt nach China?

Die WHO verhandelt seit fast einem Jahr mit Peking über die Entsendung einer Delegation. Lange hatte China ihr den Zutritt verwehrt, Ende Dezember dann überraschend zugesagt – um Anfang Jänner wieder zu blockieren. Aus Peking hieß es, es habe Probleme bei der Ausstellung der Visa gegeben. Das dürfte sich nun geklärt haben.

Wieso ist die Forschungsreise politisch so brisant?

Die Frage, woher das Virus kommt, ist extrem heikel. China will nicht als Auslöser einer globalen Pandemie dastehen und hat am Anfang viel vertuscht. In der Zusammenarbeit mit internationalen Wissenschaftlern gibt sich Peking mittlerweile zwar kooperativer. Doch die Regierung sät Zweifel daran, dass das Virus aus der Volksrepublik stammt. Nach Auffassung Pekings hat es seinen Ursprung im Ausland und wurde etwa über US-Soldaten ins Land eingeschleppt. Im Gegensatz dazu vermuten die allermeisten Forscher den Ursprung des Virus in Fledermauspopulationen Südchinas – immerhin finden sich die engsten genetischen Verwandten von Sars-CoV-2 in diesen.

Der Markt in Wuhan gilt als Ursprung des Virus – oder doch nicht?

Vom Huanan-Markt in Wuhan, auf dem lebende Wildtiere ebenso verkauft wurden wie Frischfleisch, ging zweifellos die erste Ansteckungswelle aus – er ist daher der beste Ausgangspunkt für Forschungen. Das heißt aber nicht, dass das Coronavirus dort vom Tier auf den Menschen übergesprungen ist. Angenommen wird, dass es nicht direkt von einer Fledermaus auf den Menschen überging, sondern es einen Zwischenwirt gab.

Gibt es neben der Hypothese, dass das Virus seinen Ursprung im Handel mit Wildtieren hat, noch andere Erklärungen?

China forscht seit Jahrzehnten zu Coronaviren. Auch Sars, das 2002 und 2003 fast 800 Menschenleben kostete, ist ein Coronavirus, das seinen Ursprung wahrscheinlich in südchinesischen Fledermäusen hatte. Das Zentrum der Forschungen in China ist ausgerechnet das Institut für Virologie in Wuhan, nicht weit entfernt von besagtem Huanan-Markt. Nach dem Ausbruch der Pandemie hatte etwa US-Präsident Donald Trump behauptet, das Virus sei aus dem Labor auf den Markt gelangt. Peking, aber auch viele westliche Medien tun das als Verschwörungstheorie ab, unmöglich ist dieses Szenario aber nicht. So ist das Sars-Virus 2004 über infizierte Mitarbeiter zwei Mal aus dem Nationalen Institut für Virologie in Peking entwichen.

Was können die Forscher realistischerweise überhaupt herausfinden?

Das kommt auf die Kooperation Chinas an und darauf, wie weit die Wissenschaftler in ihren Forschungen vordringen dürfen. Zwar wird auch in China am Ursprung des Coronavirus geforscht. Doch welche Ergebnisse veröffentlicht werden, das kontrolliert die Zentrale in Peking: Forscher und Ärzte, die dem Narrativ der Führung widersprachen, werden mundtot gemacht.

Hinzu kommt, dass die WHO bisher recht behutsam mit China umgegangen ist. Mit der Behauptung, die Organisation verfolge einen pro-chinesischen Kurs, stellte Trump die Zahlungen an die WHO Mitte 2020 ein. Die Kritik ist nicht ganz unberechtigt, immerhin hat die WHO China lange Glauben geschenkt – und etwa Informationen der chinesischen Behörden unhinterfragt übernommen. Die Behauptung, es gäbe keine Hinweise auf eine Übertragung von Mensch zu Mensch, hat sich bis Ende Jänner gehalten.

Mit schnellen Erkenntnissen ist bei dieser Forschungsreise nicht zu rechnen. Nach ihrer Ankunft müssen die Forscher für zwei Wochen in Quarantäne. Und am 12. Februar beginnt das chinesische Neujahrsfest, an dem viele Unternehmen und Institute schließen.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.