Ausland

Verwundete im Sudan: „Viele von ihnen sind Kinder“

Unzählige Menschen wurden diese Woche im Sudan verwundet oder getötet. Cyrus Paye, Projektkoordinator von „Ärzte ohne Grenzen“ in El Fasher, Nord-Darfur, schildert die prekäre Lage in einem Krankenhaus.

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Von Cyrus Paye

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In El Fasher finden derzeit schwere Kämpfe statt. Wir hören nach wie vor Schüsse von unserem Gelände aus. Aufgrund der Schießereien und des Beschusses ist die Lage sehr unsicher - es gibt sehr viele Opfer unter Zivilist:innen.

In dem von uns unterstützten South Hospital haben wir seit Beginn der Kämpfe am Samstag 279 Verwundete aufgenommen. Tragischerweise sind 44 davon gestorben. Die Lage ist katastrophal. Die meisten der Verwundeten sind Zivilist:innen, die von verirrten Kugeln getroffen wurden. Viele von ihnen sind Kinder. Sie haben Knochenbrüche, Schusswunden oder Granatsplitter in den Beinen, im Bauch oder in der Brust. Viele brauchen Bluttransfusionen. Es sind so viele Patient:innen, dass sie auf dem Boden in den Gängen behandelt werden müssen, weil es einfach nicht genug Betten gibt, um die große Zahl der Verwundeten unterzubringen.

Bis zum vergangenen Wochenende verfügte das South Hospital über keine chirurgischen Kapazitäten. Es handelt sich eigentlich um eine Geburtsklinik, die wir seit letztem Jahr unterstützen, um die hohe Müttersterblichkeitsrate in der Region zu senken. Doch seit Beginn der Kämpfe mussten wir das Krankenhaus umfunktionieren, um die  Verwundeten behandeln zu können.

Alle anderen Krankenhäuser in der Stadt mussten schließen, weil in der Nähe gekämpft wurde oder das Personal die Spitäler wegen der heftigen Kämpfe nicht erreichen konnte. Chirurg:innen aus diesen Krankenhäusern arbeiten nun im South Hospital und konnten einige Operationen durchführen. Allerdings geht ihnen das chirurgische Material schnell aus. Wir konnten am Dienstag, als sich die Kämpfe beruhigten, etwas Nachschub in das Krankenhaus bringen. Gelingt es nicht, mehr Hilfsgüter nach Darfur zu schaffen - und wenn weiterhin so viele Verwundete ins Krankenhaus kommen - reichen die medizinischen Vorräte nur noch für drei Wochen.

Alle anderen Krankenhäuser in der Stadt mussten schließen, weil in der Nähe gekämpft wurde oder das Personal die Spitäler wegen der heftigen Kämpfe nicht erreichen konnte.

Cyrus Paye

Projektkoordinator Ärzte ohne Grenzen

Innerhalb des Sudan gibt es derzeit keinerlei Transportmöglichkeiten. Die Flughäfen im ganzen Land sind seit Beginn der Kämpfe geschlossen, und auf den Straßen wird gekämpft. Wir können also keine weiteren Hilfsgüter nach Nord-Darfur - oder ins Land - bringen. Der Tschad hat seine Grenze geschlossen. Wenn sich die Lage nicht ändert und humanitäre Helfer:innen keinen Zugang erhalten, wird es noch mehr Tote geben.

Derzeit können die beiden eingerichteten Operationssäle den ununterbrochenen Zustrom von Trauma- und Gynäkologie-Notfallpatient:innen nicht bewältigen. In der Entbindungsstation sind zwei Frauen pro Bett untergebracht. Früher wurden alle Notkaiserschnitte - in der Regel drei bis fünf pro Tag - und mehr als 30 normale Entbindungen in einem Zeitraum von 24 Stunden in einem benachbarten Krankenhaus durchgeführt. Jetzt finden all diese Entbindungen im South Hospital statt, und zwar zur gleichen Zeit wie die Notoperationen der Verwundeten. Wir haben außerdem gerade erfahren, dass am Donnerstagabend die Kinderklinik, in die wir bisher Neugeborene überwiesen haben, komplett geplündert wurde. Dadurch können wir Neugeborene mit Sepsis oder Frühgeborene nirgendwohin überhinweisen. Im South Hospital gibt es keine Brutkästen, wodurch es schwierig wird, diese Kinder am Leben zu erhalten.

Das derzeitige Team ist überfordert. Sie arbeiten rund um die Uhr. Wir prüfen alle Möglichkeiten, erfahrene Unfallchirurg:innen ins Land zu bringen, die dann die anderen unterstützen, wenn es die Situation zulässt, aber – wie bei den medizinischen Hilfsgütern – ist dies derzeit nicht möglich.

Es ist extrem wichtig, dass wir Zugang zu allen Gesundheitseinrichtungen im Land erhalten. Nur so können wir Menschenleben retten. Den Gesundheitseinrichtungen gehen die Vorräte aus, und das Personal kann nicht zur Arbeit kommen. Gesundheitspersonal, Helfer:innen und Rettungskräfte sind durch die Kämpfe immobil geworden. Aus diesem Grund sterben Menschen. Nur ein Zugang zu den Gesundheitseinrichtungen wird das ändern. Und eine Garantie der Kriegsparteien, dass sie Zivilist:innen verschonen!