Hubert Culik, Obmann des Fachverbands der Chemischen Industrie in Österreich
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Energiekrise: Abkehr vom Green Deal?

Wie wirkt sich die derzeitige Energiekrise auf den Klimaschutz und den Ausbau der Erneuerbaren Energie aus?

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von Robert Prazak

Der Ausbau der Erneuerbaren Energie ist bei der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow ein zentrales Thema. Doch europäische Regierungen, Unternehmen und Privathaushalte müssen sich genau jetzt auch mit einem anderen Problem beschäftigen: Die Energiekrise führt zu teils drastischen Preissteigerungen und es drohen Engpässe. Das wiederum rückt Fragen nach der Unabhängigkeit – etwa vom Gas aus Russland – und nötigen Eingriffen in den freien Markt in den Mittelpunkt. Könnten solche Diskussionen in weiterer Folge auch zu einem Überdenken der Energiewende führen? Anders gefragt: Können wir uns den Umstieg auf Erneuerbare gar nicht leisten, würgt die Preispanik den Green Deal ab?

Wissenschafter warnen jedoch davor, den Klimaschutz wegen kurzfristiger Panikreaktionen zu vernachlässigen: Die Energiewende sei ja nicht das Problem, sondern die Lösung. Gerade die Preisexplosion bei fossiler Energie zeigt die Abhängigkeit von den großen Playern (und Ländern), wohingegen der Ausbau der Erneuerbaren Energien dezentrale Infrastrukturen in den Fokus rücken soll. Interessanterweise hat zuletzt sogar der Bundesverband der Deutschen Industrie von der zukünftigen deutschen Regierung einen raschen Umbau der Wirtschaft zu Klimaneutralität und den Ausbau der Erneuerbaren Energien gefordert. Es sei ein „Investitionsturbo“ nötig. Das kommt für Hubert Culik, Obmann des Fachverbands der Chemischen Industrie in Österreich, gar nicht überraschend: „Es ist ein Mythos, dass die großen Unternehmen in Europa gegen die Reduktion von Treibhausgasen sind.“ Das Gegenteil sei der Fall, so sei die chemische Industrie Vorreiter bei der Entwicklung klimafreundlicher Technologien. „Ohne Innovationen aus unserer Branche wären Solar- und Windenergie, wie wir sie heute kennen, gar nicht möglich.“ 

Dennoch: Der wichtigste Punkt für das Gelingen der Energiewende ist die Verfügbarkeit ausreichend sauberer Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen, betont Culik. Die Unternehmen müssten für die Umstellung auf klimaneutrale Produktion viel Geld investieren. „Förderungen und Anreize zur Errichtung und Umrüstung von Produktionsanlagen sind daher mitentscheidend, um die Herstellung in Österreich künftig CO2-neutral und gleichzeitig wirtschaftlich betreiben zu können.“ Auch bei Forschung und Entwicklung werde man stark investieren müssen. Und genau dafür brauche es eine Gesamtstrategie und abgestimmte Maßnahmen. Das Zauberwort lautet Planungssicherheit, zugleich müssten die Preise für Firmen und Private leistbar bleiben. „Sonst können wir auf Dauer nicht mehr in Österreich und Europa produzieren.“ Und das wiederum wäre eine Katastrophe für das Klima, weil Waren und Materialien klimaschädlicher in Ländern mit geringeren Umweltschutzauflagen hergestellt würden. Siehe USA: Die Schiefergasförderung sorgt dort für einen geringeren Anstieg der Energiepreise. 

Zugleich zeigt der vor kurzem vergebene Nobelpreis für Chemie, wie die Forschung den Umbau der Industrie vorantreiben kann: Die Chemiker Benjamin List und David MacMillan wurden für ihre Entwicklung der asymmetrischen Organokatalyse geehrt – dieses Werkzeug zum Aufbau von Molekülen kann auch die Chemie umweltfreundlicher machen. Die von den beiden Forschern unabhängig voneinander entwickelte Art der Katalyse baut auf organischen Molekülen auf.

COP26 in Glasgow

Bei der noch bis 12. November laufenden UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow, kurz als COP26 bezeichnet, soll die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens vorangetrieben werden. Im Mittelpunkt stehen dabei auch Finanzhilfen: Industrieländer und Privatwirtschaft müssen eine 20 Milliarden US-Dollar große Lücke pro Jahr für die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen schließen. Experten kritisieren in diesem Zusammenhang, dass reiche Staaten den ärmeren Nationen das dafür vorgesehene Geld meist nur in Form von Krediten zur Verfügung stellen. Karl Jüsten, Vertreter der katholischen Bischöfe in Deutschland, drückt es so aus: Die Reichen leihen den Armen Geld, um jene Katastrophen aufzuhalten, zu denen sie selbst am meisten beigetragen haben.