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„Es braucht Vertrauen in unsere Institutionen“

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) verändert die Arbeitswelt. Univ.-Prof. Mag. Dr. Sabine Köszegi, Vorständin des Instituts für Managementwissenschaften an der TU Wien, erzählt, warum Gesellschaft, Wissenschaft und Politik jetzt gefordert sind.

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ChatGPT und KI sind momentan in aller Munde. Ist die Sorge vieler Menschen, ihren Job zu verlieren, berechtigt?
Sabine Köszegi: Während in frühen Automatisierungswellen vor allem in Fabriken durch den Einsatz von intelligenten Maschinen und Robotern Arbeitsplätze verloren gegangen sind, passiert dasselbe jetzt bei der kognitiven Arbeit durch den Einsatz von generativer KI und KI-Systemen. Es ist also eine andere Gruppe von Menschen betroffen – Menschen mit mittlerer Ausbildung und Erfahrung. Berufsbilder, wo Wissensarbeit geleistet wird, etwa Texte schreiben, Konzepte oder Präsentationen erstellen, können durch KI-Technologie automatisiert oder zumindest deutlich unterstützt werden. Dadurch werden die Menschen schneller und effizienter. Am Ende des Tages heißt das aber auch, dass weniger Arbeitskräfte nötig sein werden, um dasselbe Pensum zu erfüllen.

Betrifft es bestimmte Bevölkerungsgruppen stärker als andere?
Es betrifft im Grunde alle Berufsgruppen und sowohl junge als auch ältere Menschen. Studien zeigen aber, dass Frauen stärker einem Automatisierungsdruck ausgesetzt sind, weil ihr Anteil an Routinearbeiten in der Wissensarbeit größer ist als bei Männern. Daher trifft diese Automatisierungswelle vor allem Menschen mit mittlerer Ausbildung – etwa auf Sachbearbeiterebene – und mit Berufserfahrung, weil beides durch generative KI gut kompensiert werden kann. Manuelle Arbeiten sind von der KI-Automatisierung weniger betroffen, weil insbesondere die Automatisierung von nicht standardisierten Tätigkeiten sehr schwierig ist. So sind Handwerksberufe, also Elektriker oder Installateure, recht krisensicher, aber auch die Pflege wird etwa weniger betroffen sein.

Haben die Betroffenen noch Chancen am Arbeitsmarkt?
Ohne digitale Skills wird es schwer, am Arbeitsmarkt zu reüssieren. Eine der wichtigsten Überlegungen wird also sein: Wie kann man die Menschen qualifizieren, umschulen oder höher qualifizieren? Es reicht nicht, nur unsere Kinder entsprechend auszubilden, denn um heute noch an der Gesellschaft teilnehmen zu können, brauchen wir alle digitale Skills. Wir müssen etwa verstehen, welchen Informationen wir trauen oder wie wir digitale Services nutzen können. Alle Bildungsschichten und Altersgruppen müssen in diesen wichtigen Fragen der Digitalisierung und KI entsprechend geschult sein, um ihre Teilhabechancen sicherzustellen.

Univ.-Prof. Mag. Dr. Sabine Köszegi

Vorständin des Instituts für Managementwissenschaften, TU Wien

Bildung benötigt aber Zeit. Die neuen Technologien entwickeln sich rasant schnell. Steht man da nicht auf verlorenem Posten?
Diese Technologien fallen nicht einfach vom Himmel, sondern sie werden entwickelt. Für mich ist eine wichtige Frage daher: Mit welchen Zielsetzungen sollen moderne Technologien entwickelt werden? Da müssen wir auf allen Ebenen unsere Verantwortung wahrnehmen. Die Wissenschaft ist gefordert, Technologiefolgenabschätzung zu betreiben, auf Probleme aufmerksam zu machen, zu den großen Herausforderungen Lösungen zu entwickeln und die Forscher*innen, die diese Technologien entwickeln, mit Wissen über ethische Anforderungen auszustatten, sodass sie mit einem wertegeleiteten Designanspruch arbeiten. Die Politik ist gefordert, die Transformation so zu gestalten, dass alle Menschen von den Technologien profitieren können. Aber auch wir Konsument*innen sind gefordert, kritisch mit der Technologie umzugehen, uns zu bilden und zu qualifizieren, zu verstehen, wie sie funktioniert und entsprechend unsere Nutzungsentscheidungen zu treffen. Und letztlich ist die Wirtschaft gefordert, diese Technologie umsichtig und nachhaltig einzusetzen.

Gibt es etwas, was Ihnen persönlich Angst macht?
Ich denke, wir sind nicht gut darauf vorbereitet, welche Auswirkungen Deep Fake und Fake News auf unsere Gesellschaft und Demokratie haben könnten.  Wie viel Einfluss sie bereits haben, welche Rolle sie etwa beim Krieg, bei Wahlen, bei Betrug und Ausbeutung spielen, dieses Ausmaß ist nicht allen Menschen bewusst. Umso wichtiger ist es, das Vertrauen in unsere Institutionen zu stärken, die wir über Jahrhunderte entwickelt haben. Gewaltentrennung, Parlament, Justiz, Medien – all diese Institutionen leisten einen wichtigen Beitrag für die Stabilität von Gesellschaften. Ja, viele ihrer Mechanismen werden als bürokratisch und langsam wahrgenommen, aber genau deswegen sind sie auch Garant für Sicherheit und Stabilität. Es braucht wieder dieses Sich-darauf-Besinnen, dass wir in unserer Gesellschaft Lösungen gefunden haben, um ein gutes, inklusives Leben für alle zu ermöglichen.