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Wie Kühlungseffekte zu erzielen sind

Ein interdisziplinäres Forscherteam der BOKU Wien beschäftigt sich mit der Frage, wie man Hitzeinseln in der Stadt beseitigen kann.

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„36 Grad und es wir noch heißer, mach den Beat nie wieder leiser, 36 Grad, kein Ventilator, das Leben kommt mir gar nicht hart vor“, so der Text des gleichnamigen Songs der Band 2Raumwohnung. Tatsächlich aber stellt die Hitze in der Stadt für den Großteil der Bevölkerung sehr wohl ein Problem dar. „Durch die Klimaerwärmung nehmen in Wien die Tage mit mehr als 30 Grad signifikant zu, auch die Tropennächte, in denen keine Abkühlung stattfindet, steigen an und Hitzewellen finden früher statt“, sagt Thomas Thaler vom Institut für Landschaftsplanung an der BOKU Wien. „Dazu kommt: Im urbanen Bereich leben viel mehr Menschen, wodurch auch vulnerable Gruppen zu finden sind, die unter der Hitze leiden.“

Städte treiben den  Klimawandel voran. Sie verbrauchen rund 80 Prozent der weltweiten Energie, der Verkehr trägt maßgeblich zum Ausstoß von Treibhausgasen bei und sie produzieren enorme Mengen an Abfall. Zugleich sind Städte besonders vom Klimawandel betroffen: In Wien hat sich etwa durch den Klimawandel die Durchschnittstemperatur in den vergangenen vier Jahrzehnten um zwei Grad erhöht, laut Prognosen wird sich diese Tendenz fortsetzen. „Dabei haben wir in Wien im internationalen Vergleich eine gute Ausgangsposition“, betont Thaler. „Denn Wien weist einen Anteil an Grün- und Wasserflächen von etwa 51 Prozent auf – um aber dadurch einen Kühlungseffekt von 5 Grad zu erzielen, muss dieser Anteil auf 80 Prozent erhöht werden.“

Viele Interessenskonflikte


So wie in allen Städten gibt es in Wien sogenannte Hitzeinseln. Thaler: „Besonders betroffen sind alle Bezirke innerhalb und entlang des Gürtels.“ Green Based Solutions, so der  Fachausdruck, sind allerdings gerade hier nicht einfach umzusetzen. Um Grünflächen zu errichten, müssten ganze Fahrstreifen aufgegeben werden. „Und schon sind wir bei den Nutzungskonflikten“, sagt dazu Thomas Thaler. „Denn Parkplätze aufzugeben, ist für viele unvorstellbar – außerdem verlaufen ja Leitungen wie Internet, Fernwärme oder Wasser
meist unter den Straßen.“ In der Innenstadt ist zudem zu wenig Fläche vorhanden, um zusätzliche Grünflächen zu errichten. Eine Lösung wäre die Begrünung von Fassaden, Dächern sowie Innenhöfen, wobei der Denkmalschutz, die Brandschutzverordnungen, die Bausubstanz und auch die Eigentumsverhältnisse Umsetzungen im Weg stünden, so der Experte. „Bis es da praktikable Ideen gibt, die alle Konfliktfelder berücksichtigen, wird es noch dauern“, fasst Thomas Thaler zusammen.

Dennoch gibt es spannende Vorschläge: Einer wäre etwa, die unterirdischen Flüsse wieder an die Oberfläche zu holen. Namen wie Krottenbachstraße oder Alserbachstraße verraten, wo
diese verlaufen. „Das wäre eine spannende Lösung, weil sie kühle Luft in die inneren Bezirke transportieren würden“, so Thaler. „Technisch wäre es möglich, aber es benötigt viel Zeit, Geld
und eine hohe Akzeptanz, diese Flüsse wieder ans Tageslicht zu holen.“

Eine Frage der finanziellen Möglichkeiten


Was bei all diesen Ideen meist vergessen wird, sind die sozialen Auswirkungen möglicher Maßnahmen. Damit beschäftigt sich das vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) geförderte interdisziplinäre Forschungsprojekt „The social equality of Nature-based Solutions to urban heat stress“ (SENSUS), das von Thomas Thaler koordiniert wird. „Alle Lösungsvorschläge den Klimawandel betreffend haben Folgewirkungen“, betont er. „Die sozialen Auswirkungen wurden auch in der Wissenschaft bislang nicht ausreichend beleuchtet.“ Konkret geht es darum, was mit Bewohner*innen passiert, wenn in den Bezirken, die Hitzeinseln und wo traditionell einkommensschwächere Haushalte
zu finden sind, kühlende Maßnahmen gesetzt werden. „In den USA hat man es zum ersten Mal beobachtet: In urbanen Hitzeinseln wurde der Grünanteil erhöht, sodass ein Kühlungseffekt eintrat“, sagt Thaler. „Dadurch stiegen allerdings die Mietpreise an, woraufhin dort wohnenden Menschen wegziehen mussten, weil sie sich das einfach nicht leisten konnten.“ Die bisherigen Ergebnisse des Forschungsprojektes zeigen, dass das Risiko einer solchen Verdrängung, Gentrifizierung genannt, in Wien nicht so hoch ist. Das liegt auch am Wohnungsmarkt in Wien: Die sozialen Wohnbauten, Genossenschaftswohnungen sowie die Mietpreisdeckelung tragen das ihre dazu bei. „In dem Projekt SENSUS haben wir die vulnerablen Gruppen kleinräumig analysiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass auch die Bereitschaft, etwas mehr zu zahlen vorhanden ist“, betont Thomas Thaler. „Summa summarum können wir sagen:
Die Menschen verstehen, dass wir mehr Grünraum brauchen, und sie wollen diesen auch. In Wien können wir daher auch riskantere Lösungswege gehen."

Mehr zum Thema Grundwasser gibt es im Wissenschaftstalk „Spontan gefragt“ in der KURIER TV-Mediathek.

MMag. Ph.D. Thomas Thaler

MMag. Ph.D. Thomas Thaler ist Senior Scientist am Institut für Landschaftsplanung an der Universität für Bodenkultur und Koordinator des Projekts „The social equality of Nature-based Solutions to urban heat stress".