Quantenmaterialien neu gedacht
Sie stecken in Smartphones, Solarzellen oder Teilchenbeschleunigern: Quantenmaterialien wurden bereits im vorigen Jahrhundert entdeckt, aber heute sind sie mehr im Blickfeld der Forschung denn je. Univ.-Prof. Claudia Felser vom Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe interessiert sich dafür, wie diese zur Lösung des Klimawandels und für Energieeffizienz eingesetzt werden können.
Was versteht man unter Quantenmaterialien?
Auf der Welt gibt es unzählige Materialien, etwa Eisen, Kupfer oder Lithium. Wir schauen uns diese Materialien durch die Brille der Quantenphysik an und versuchen, aus ihnen neue Eigenschaften herauszukitzeln. Um das zu erreichen, muss man ihre Quanteneigenschaften nutzen. Uns interessieren dabei besonders Materialien, die man für Klimawandelfragen oder das Energieproblem nutzen kann. Denn durch ihre Quanteneigenschaften können wir über die klassischen physikalischen Gesetze hinaus vielleicht höhere Effizienzen erreichen.
Können Sie ein Beispiel nennen, um es verständlicher zu machen?
Wir haben aus den günstigen Elementen Zink und Mangan ein Material hergestellt, das wir aufgrund der Quanteneigenschaften als Elektrode für die Katalyse nutzen können. Würden wir dieses Material mit seinen klassischen physikalischen Eigenschaften einsetzen, würde nichts passieren. Wenn wir aber mithilfe eines Magnetfeldes die Quanteneigenschaften einstellen, kann es CO2 in Methan zurückverwandeln. Man könnte es also in einem Kohlekraftwerk als Katalysator verwenden: Nutzt man dazu noch Solarstrom, ist das eine effiziente und gute Lösung, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Dass es funktioniert, konnten wir im Labor nachweisen. Natürlich muss man das in einem nächsten Schritt in großem Maßstab testen, aber wir konnten zeigen, dass Quantenmaterialien nicht nur für Quantencomputer genutzt werden können, sondern einen echten Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten können.
Woher wissen Sie, welche Materialien sich eignen?
Abgesehen davon, dass ich eine gute Intuition für Materialien habe, nutze ich das Konzept der Typologie, ein einfaches Konzept aus der Mathematik. Ich sortiere die Quantenmaterialien also nach den Aspekten der Mathematik und stecke sie in bestimmte Töpfchen. So weiß ich, welche interessant sein könnten, und stelle sie zu Pärchen zusammen. Aufgrund ihrer Quanteneigenschaften überlege ich erst dann, wofür sie sich eignen können. Bei Quantenphysik denken viele noch zu oft immer an theoretische Konzepte, die keiner versteht – ich wiederum möchte ihre Eigenschaften für kluge, ganz praktische Anwendungen nutzen.
Für Ihre Forschung wurden Sie nun mit dem L’Oréal-UNESCO-Preis „For Women in Science“ ausgezeichnet. Was bedeutet er für Sie?
Ich kenne keine Wissenschafterin in Deutschland, die den Preis nicht gewinnen möchte. (lacht) Abgesehen vom Renommee: Diese Auszeichnung öffnet die Tür zu einem hochkarätigen internationalen Netzwerk von Wissenschafterinnen. „For Women in Science“ ehrt bereits im 27. Jahr Forscherinnen aus fünf Kontinenten und zeigt auf, wie unterschiedlich unsere Forschungsbedingungen sind. Die Herausforderungen, die überwunden werden müssen, sind in Südamerika, Afrika oder China andere als bei uns in Europa, und es ist sehr inspirierend, diese Frauen kennenlernen zu dürfen. Bei aller Unterschiedlichkeit eint uns jedoch leider die Erfahrung, dass weibliche Forscherinnen noch immer klar unterrepräsentiert sind. Der Frauenanteil in der Wissenschaft liegt weltweit bei nur rund 30 Prozent! Ein Preis wie der von der L’Oréal- Stiftung und UNESCO trägt dazu bei, Vorbilder zu zeigen und damit mehr Mädchen für Naturwissenschaften zu begeistern.
Info
1998 rief die UNESCO in Kooperation mit dem Kosmetikunternehmen L’Oréal eine Initiative zur weltweiten Förderung der Rolle von Frauen in der Wissenschaft ins Leben. „For Women in Science“ würdigt seither international führende Wissenschafterinnen aus den Regionen Afrika / Arabische Staaten, Asien-Pazifik, Europa, Lateinamerika und Nordamerika und vergibt überdies an exzellente Grundlagenforscherinnen aus den Bereichen Medizin, Naturwissenschaften oder Mathematik Stipendien.
Weltweit sind bereits mehr als 4.400 Wissenschafterinnen mit dem Preis ausgezeichnet worden, unter ihnen auch sieben spätere Nobelpreisträgerinnen.
Mehr Infos hier: forwomeninscience.com