Faktencheck

Nein, die Wiener Polizei schoss nicht auf einen Migranten

Das rechtsradikale Fakenews-Portal „Infowars“ berichtet über eine dramatische Polizei-Aktion mitten in Wien – und vertut sich um gut 900 Kilometer: Tatsächlich fand der Einsatz in Frankreich statt.

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Austrian Police open fire on ‚underage migrant‘ driving stolen car. (Deutsch: Österreichische Polizei schießt auf ‚minderjährigen Migranten‘, der ein gestohlenes Auto fährt.)

Portal „Infowars“

6. Juni 2022

Falsch

Es gibt Nachrichten, die man kaum glauben kann, weil sie so spektakulär sind. Manche davon werden von den gängigen „Mainstream-Medien“ aber partout nicht berichtet. Das liegt meistens daran, dass seriöse Medien ihre Meldungen noch einmal überprüfen, bevor sie sie publizieren.

„Infowars“, das einflussreiche Fake-News-Portal des texanischen Radiomoderators und weltweit führenden Verschwörungsmythen-Verbreiters Alex Jones, macht es anders, und teils sogar spektakulär anders: Am Montag berichtete das Portal, das monatlich von etwa 10 Millionen Menschen besucht wird, gleich ganz oben auf seiner Startseite von einem dramatischen Polizeieinsatz in Wien: „Austrian Police open fire on ‚underage migrant‘ driving stolen car“. In der Nacht von Samstag auf Sonntag hätten Polizeibeamte demzufolge bei einer Verkehrskontrolle in Wien in Notwehr auf einen Fahrer geschossen, der mit einem gestohlenen Fahrzeug unterwegs gewesen sei und sein Alter später mit 14 Jahren angab. Zum Beleg postete das Portal ein Augenzeugenvideo. Es stammt von dem französischen Rechtsradikalen-Portal „Fdesouche“ und zeigt heftiges, schwer verständliches Geschrei - und ein französisches Polizeiauto. Auch das Geschrei klingt, so gesehen, durchaus frankophon.

Fazit

Das Rätsel wird zum Glück gleich in der Originalquelle gelöst, auf die „Infowars“ auch brav verlinkt. Spätestens dabei hätte deren Ursprung auffallen können: Die Aufnahmen stammen aus der Stadt Vienne, die knapp südlich von Lyon im französischen Departement Isère in der Region Auvergne-Rhones-Alpes liegt, also etwa 922 Kilometer Luftlinie von Wien entfernt. Auch die von „Infowars“ zitierte Staatsanwältin Audrey Quey arbeitet, wie zahlreiche Online-Quellen bestätigen (darunter eine Webseite des französischen Justizministeriums), zweifellos in Südwestfrankreich. Aber manchmal muss es halt einfach schnell gehen im Fake-News-Geschäft.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.