Wiederkehr im Check: Wie viele Bundesländer erfüllen die „Asyl-Quote“?

Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr von den Neos beklagt, dass einzig Wien seit Jahren die Asyl-Betreuungsquote übererfüllt. Das stimmt – obwohl er zwei Ausreißer unerwähnt lässt.

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Es kann nicht sein, dass #Wien seit Jahren als einziges Bundesland die #Asylquote übererfüllt.

Christoph Wiederkehr (Neos), 22. 1. 2024

auf X (vormals Twitter)

Fakt

Verpflichtung ohne Konsequenzen: In der Grundversorgungsvereinbarung haben sich die Bundesländer auf eine Quotenregelung geeinigt, die besagt, wie viele „hilfs- und schutzbedürftige Fremde“ jeweils untergebracht werden sollten. Bei Nichterfüllung dieser Quoten passiert jedoch genau gar nichts. Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr will das ändern und fordert nun Strafen für säumige Bundesländer. Vor allem, weil Wien laut Wiederkehr „seit Jahren als einziges Bundesland die Asylquote übererfüllt.“ Aber: Stimmt das?

Die Unterbringungsquote wird auf Basis der Bevölkerungsanzahl errechnet. Und tatsächlich ist es so, dass derzeit nur Wien diese Quote überhaupt erfüllt, wie Lukas Gahleitner-Gertz vom Verein asylkoordination auf profil-Anfrage bestätigt. Und eine Auswertung des Budgetdienstes aus dem Oktober 2023 zeigt: „Über den Zeitraum der letzten fünf Jahren hat ausschließlich Wien die Quote über den gesamten Zeitraum hinweg mehr als erfüllt.“ Denn, wie der Budgetdienst weiter ausführt: Ausreißer – also vereinzelte Zeiträume, in denen andere Bundesländer kurz eine Übererfüllung aufwiesen – „können nur in Zusammenhang mit der langfristigen Betrachtung interpretiert werden“, es handle sich um Stichtagsbeobachtungen.  

Eine Grafik, die das Büro Wiederkehr selbst an profil schickt, zeigt: In den vergangenen Jahren hat es zwei Ausreißer gegeben. Sowohl das Burgenland als auch die Steiermark haben im Jahr 2022 jeweils für kurze Zeit die Quote übererfüllt. 

Auf profil-Anfrage zeigt sich das Büro des Stadtrats etwas verstimmt: „Im Tweet von Herrn Wiederkehr steht nirgends explizit oder implizit, dass nicht ein anderes Bundesland mal die Quote erfüllt hätte.“ Das Büro weiß noch nicht, dass das Faktencheck-Urteil „Richtig“ lauten wird.

Ein zentraler Kritikpunkt an dieser Quote ist zudem, dass die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern keine Unterscheidung zwischen Ukrainer:innen, die als Vertriebene ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht haben, und anderen vorsieht – der Begriff „Asyl-Quote“ führt daher etwas in die Irre. Als Grundlage für die Quote werden alle „hilfs- und schutzbedürftigen Fremden“ zusammengezählt. Laut Gahleitner-Gertz ist die Quote bei den Asylwerber:innen in den Grundversorgungen der Länder sogar relativ ausgeglichen, mit Ausnahme von Niederösterreich. „Wenn man alle Personen in der Grundversorgung nimmt, also auch subsidiär Schutzberechtigte und Ukrainerinnen und Ukrainer, dann übererfüllt Wien die Quote deutlich“, so Gahleitner Gertz.

Sonderregelungen für Wien 

In Wien wird derzeit ein neues Finanzierungsmodell erprobt, das die Unterkunftgeber entlasten soll, indem die realen Kosten für Beherbergung und Betreuung vom Bund abgegolten werden. Immer wieder hatten sich die Länder in der Vergangenheit beklagt, dass die Mittel aus dem Bund die Kosten nicht decken würden. 

Wird die Quote übererfüllt, dann werden die Differenzbeträge nun zur Gänze vom Bund abgegolten – vorerst aber nur in Wien. Gahleitner-Gertz würde eine Ausweitung dieses Modells auf andere Bundesländer befürworten – um Anreize zu schaffen: „Wir haben auch in Niederösterreich durchaus willige Quartiergeber, nur die sagen: Zu den Kosten, die sie refundiert bekommen, sperren sie keine Quartiere auf. Im Gegenteil, es werden Quartiere sogar eher geschlossen, weil sie Verluste machen.“

Auch für Stadtrat Wiederkehr reicht diese Sonderregelung für Wien nicht aus. „Hierbei geht es ja ausschließlich um die unmittelbaren Kosten, die im Rahmen der Grundversorgung entstehen; im Grunde nur die Spitze des Eisbergs. Die tatsächlichen Mehrkosten aufgrund der Übererfüllung betreffen auch einen größerer Bedarf in der öffentlichen Infrastruktur – insbesondere Bildungseinrichtungen und das Gesundheitssystem“, heißt es aus seinem Büro. 

Die Wiener Neos wollen deshalb nun zusätzlich Strafzahlungen für jene Bundesländer, die ihre Quoten nicht erfüllen. Damit ist er nicht der Erste. „Das fordern wir seit Jahren, weil es nicht sein kann, dass die Bundesländer Verpflichtungen haben, die sie sanktionslos nicht einhalten“, sagt Lukas Gahleitner-Gertz. „Wenn hier Mehrkosten beim Bund oder gewissen Bundesländern entstehen, dann müssten die, die sich nicht daran halten, dafür zahlen. Das Problem ist nur: Die Grundversorgungsvereinbarung sieht keine Sanktionen vor – da müssten die Bundesländer dafür stimmen, und da beißt sich die Katze in den Schwanz.“

Fazit

Wien übererfüllt die vereinbarte Quote deutlich, die anderen Bundesländer liegen weit abgeschlagen. Nur das Burgenland und die Steiermark konnten kurzzeitig ebenfalls die Quote einhalten, das war allerdings nicht nachhaltig und muss laut Budgetdienst „nur in Zusammenhang mit der langfristigen Betrachtung interpretiert werden“. Der Tweet von Christoph Wiederkehr ist deshalb richtig. 

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.