Tätowierungen

25 Jahre Arschgeweih

Die Geschichte eines Tattoos, seines Aufstiegs und Niedergangs (und Wiederaufstiegs) – und was das über Mode, Menschen und Mächte erzählt. Ein Rücken wie damals, gestochen scharf.

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Das Geweih kann wie eine Elfe aussehen oder wie ein Schmetterling, kann ein abstraktes Muster sein oder ein konkreter Schriftzug, ein Tribal oder ein QR-Code. Entscheidend für sein Geweihsein ist der Ort seines Auftretens (am unteren Rücken, knapp über dem Steißbein) und das damit verbundene Image (am unteren Ende von: na ja). Es heißt unter Fachleuten auch Steißtätowierung oder Lower Back Tattoo, hat die deutschsprachige Welt aber – wohl oder übel – als Arschgeweih erobert.

Vor 25 Jahren stand es erstmals unter diesem Namen in der Zeitung, vor 20 Jahren war es dann eine heiße Saison lang ein tatsächlich rasender Hit und schon wenige Monate später zur ewigen Peinlichkeit abgestempelt. In der Urform ist es ein symmetrisches Tribalmuster über dem Steißbein, idealtypisch mit nach außen und oben geschwungener Form.

Die erste urkundliche Erwähnung eines „Arschgeweihs“ im Archiv der Austria Presse Agentur (APA) bezieht sich auf eine Fotografie, die am 1. März 1999 veröffentlicht wurde. Sie zeigt den Rücken einer Touristin in Gran Canaria, die in der Hüftgegend eine Betty-Boop-Figur tätowiert hat. Die Schlagworte dazu lauten, unter anderem: „Billigtourismus, BH, Unterwäsche, Arschgeweih“. In der APA folgen, bis heute, 2445 weitere Meldungen zum Stichwort, die jüngste bezieht sich auf eine Retroparty in der Messe Wieselburg, Mitte Februar 2024: „Revival Vol. 2: Wir schwelgen in Erinnerungen und kehren zurück zu den Arschgeweihen, Bauchnabelpiercings und den Kult-Hits von damals!“

Eine derartige Verkitschung wird der Bedeutung des Arschgeweihs natürlich nicht ansatzweise gerecht. Denn tatsächlich ist diese Tätowierung ein Meilenstein in der Geschichte der Körperkunst: als das erste wirklich im Mainstream angekommene Peckerl, als die Tätowierung, die kein Geheimzeichen mehr war und keine Gruppenzugehörigkeit mehr signalisierte, sondern einfach nur schön aussah und auch genau so getragen wurde: als Schmuck. Und weil zu jener Zeit die Hosen gerade tiefer und die Tops höher saßen, bekam das Arschgeweih seinen Platz an der Sonne. Und ja, das Lower Back Tattoo ist eine tendenziell eher an Frauenkörpern angewandte Kunstform, was auch in der soziologischen Einschätzung (sprich: seiner Abwertung) bald wichtig werden sollte.

Die erste urkundliche Erwähnung eines „Arschgeweihs“ im Archiv der Austria Presse Agentur (APA) bezieht sich auf eine Fotografie, die am 1. März 1999 veröffentlicht wurde. Sie zeigt den Rücken einer Touristin in Gran Canaria, die in der Hüftgegend eine Betty-Boop-Figur tätowiert hat. Die Schlagworte dazu lauten, unter anderem: „Billigtourismus, BH, Unterwäsche, Arschgeweih“. 

Schuld war wohl der Jägermeister

Einer weitverbreiteten Legende nach, die möglicherweise sogar wahr ist, hat der steirische Tätowierer Mr. Pogo den Begriff „Arschgeweih“ geprägt. profil hat den 54-Jährigen, der in Weiz ein Tattoo-Atelier betreibt und dem klassischen „American traditional“-Stil verpflichtet ist („mit maritimen Motiven aus der hawaiianischen Kultur“), am Telefon erreicht.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.