Ingrid Brodnig
#brodnig: Bilder lügen doch

#brodnig: Bilder lügen doch

Die Psychologie kann erklären, wieso manipulative Fotos so erfolgreich sind.

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Es gibt Binsenweisheiten wie: „Bilder lügen nicht!“ Oder: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!“ Nur ist das Unsinn. Gerade im Internet wird erfolgreich mit Bildern getrickst. Auf Facebook kursiert derzeit ein Video, das Angst vor dem Coronavirus COVID-19 schürt. Man sieht Chinesen, die Schutzanzüge tragen, hört Pistolenschüsse, eine Leiche liegt am Boden. Dazu heißt es im Bildtext: „Die erschießen schon die kranken (sic!)“.

Das Video ist eine Fälschung. Es wurden mehrere Aufnahmen zusammengeschnitten, die nichts mit dem Virus zu tun haben – die tote Person am Gehsteig ist zum Beispiel das Opfer eines Motorradunfalls. Der Sound der Schüsse wurde in das Video eingefügt. In etlichen Ländern – auch dem deutschsprachigen Raum – verbreitet sich diese Fälschung trotzdem (einen Faktencheck dazu gibt es auf Mimikama.at).

Bilder sind Meister im Lügen

So funktioniert die Manipulation häufig. In vielen Fällen werden ältere Aufnahmen in einen neuen, verzerrenden Kontext gesetzt. Man fügt unterschiedliche Aufnahmen zusammen – eine von einem Motorradunfall, eine von einer Polizeijagd auf einen tollwütigen Hund (wo die Beamten Schutzgewand trugen) – und verbreitet in der Bildunterschrift Panik. Menschen neigen dazu, Bildern zu vertrauen. Die Psychologin Lisa Fazio hat im Online-Medium „The Conversation“ unlängst mehrere Gründe genannt, warum Fotos so glaubwürdig erscheinen: Zum Beispiel profitieren Bildfälschungen vom Gewohnheitsfaktor – wir als Publikum haben gelernt, Fotos als Beleg der Echtheit anzusehen. Außerdem regen Bilder das Gedächtnis dazu an, sich an ähnliche Eindrücke zu erinnern. Das kann dazu führen, dass sich eine Information wahrer anfühlt, bloß weil ein Foto dabeisteht. Zum Beispiel glauben Menschen einer Behauptung wie „Schildkröten sind taub“ eher, wenn sie daneben ein Foto sehen. Hinzu kommt: Postings, die ein Foto inkludieren, erhalten mehr Likes, Kommentare und Shares auf Facebook – sind somit oftmals sichtbarer.

Aus all dem kann man lernen, gezielt gegen die eigene Gutgläubigkeit anzukämpfen. Wenn man eine aufwühlende Aufnahme in den sozialen Medien sieht, sollte man diese nicht prompt im Affekt teilen, sondern umso skeptischer sein – und sich an eine simple Wahrheit erinnern: Bilder sind Meister im Lügen.

Wie denken Sie darüber? Schreiben Sie mir unter: [email protected] facebook.com/brodnig twitter.com/brodnig

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.