Das Jahr der Wälzer

Kochen und staunen lernen.

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Die katalanischen Brüder

Vor einiger Zeit hat Heinz Reitbauer, der Patron und Küchenchef des Restaurants „Steirereck“, hier begründet, warum es von ihm noch kein Kochbuch gibt. Weil er noch zu wenig zu sagen habe und kein schnelles Werk abliefern wolle, das bald nach seinem Erscheinen so aktuell ist wie die Zeitung von gestern. Ich bin mir sicher, dass wir eines Tages kapieren werden, warum er noch zugewartet hat. Die Brüder Joan, Josep und Jordi Roca im katalanischen Girona haben auch lange gewartet. Seit 1986 führen sie mit verteilten Rollen das Restaurant „El Celler de Can Roca“ mit nunmehr drei Michelin-Sternen; zwei Mal wurde es zum besten Restaurant der Welt gekürt. 2013 erschien ihr monumentales Kochbuch, nun liegt es auch ins Deutsche übersetzt vor.

Ich sag es gleich: eher ein Coffee-Table-Book, oder überhaupt selbst schon ein kleiner Couchtisch, gute drei Kilo schwer und in großen Teilen unnachkochbar. Dennoch: Der Band, der wie das Restaurant heißt, erzählt die Geschichte einer langen Reise vom Wirtshaus an die Weltspitze wie kaum je ein anderes Kochbuch zuvor. Die Brüder Roca sind schwer einzuordnen. Natürlich liegen ihre Wurzeln in der katalanischen Küche, sie sind stolz auf dieses Erbe; aber sie sind auch molekular, ohne das je groß betont zu haben; sie sind mal puristisch, mal barock; manches scheint an einem alten Holzherd machbar, anderes wieder nur in einem hochmodernen Labor. Anregungen gibt es trotz all der Komplexität genug: Man halte sich an die frühen Gerichte von 1986 an, picke sich einzelne Komponenten heraus (zum Beispiel ganz simpel über Currypulver geräucherte Kaisergranaten) – und staune darüber hinaus, was in der Küche noch alles möglich ist. Wer sich diesem Werk öffnet, wird jedenfalls nie wieder über die überteuerte Dekadenz der Spitzengastronomie jammern.

Joan, Josep und Jordi Roca: El Celler de Can Roca. Edition Fackel­träger 2016, 480 Seiten, 99 Euro.

Die Eliteschule

Bocuse – der Name steht für die klassische französische Küche in den Zeiten ihrer Unangefochtenheit. Paul Bocuse ist „Koch des Jahrhunderts“, einer der bedeutendsten Kochbewerbe, der „Bocuse d’or“ ist nach ihm benannt – und seit 1990 auch die Kochschule „Institut Paul Bocuse“. Das Restaurant bei Lyon des mittlerweile 90-Jährigen, den man wirklich eine lebende Legende nennen darf, wird heute zwar eher aus Respekt immer noch mit drei Michelin-Sternen bedacht, die Schule aber hat einen hervorragenden und elitären Ruf. Und sie hat soeben einen gigantischen Lehrbuch-Wälzer veröffentlicht. Ich zähle gar nicht erst, aber es werden schon weit mehr als 1000 Bilder sein, die banale und schwierige Kochvorgänge in Schritten darstellen – vom Juliennehacken bis zur Konstruktion einer aufwendigen Pastete, vom Löschen eines Bratensatzes bis zum Aufschlagen klassischer Saucen. Eine ziemlich komplexe Kochausbildung um weniger als 100 Euro, na bitte! Ein Lehrjahr am echten Institut kostet ab 14.500 Euro.

Institut Paul Bocuse: Die hohe Schule des Kochens. Christian Verlag 2017, 720 Seiten, 98 Euro.

Kalte Küche

Richard Rauch vom „Steirawirt“ in Trautmannsdorf hat mit der Kulinarik-Journalistin Katharina Seiser eine Buchserie begonnen, die sich als Kochschule bezeichnet. Im ersten Teil geht es um den Winter. Nun, als Kochschule im eigentlichen Sinn würde ich die „Jahreszeiten-Kochschule“ nicht bezeichnen – das Buch setzt zumindest Grundkenntnisse voraus. Aber es gibt zu allen Produkten eine ausführliche Warenkunde und zu einzelnen Gerichten interessante Alternativvorschläge. Was mir an dem Band besonders gut gefällt: Ihm fehlt die dampfende Deftigkeit, die die klassische Winterküche umwabert, weil Rauch die tonnenschweren Hervorbringungen der kalten Jahreszeit wie Kohl, Knödel, Rüben, Rahmsaucen oder Würste mit behender und längst nicht nur regionaler Würze zum Schweben bringt.

Richard Rauch, Katharina Seiser: Die Jahreszeiten-Kochschule. Winter, Brandstätter Verlag 2016, 250 Seiten, 34,90 Euro.

Küchen-Abkommen mit dem Iran

Das nur in englischer Sprache vorliegende Buch heißt „Taste of Persia“, was lind irreführend ist. Was wir als persische Küche bezeichnen, schließt auch angrenzende Staaten wie Aserbaidschan und Georgien sowie die armenische und kurdische Kultur ein. Die Autorin Naomi Duguid hat sich auf jene Wege begeben, die all diese Küchen letztlich doch vereinen, denn die Straßen in dieser Weltgegend waren einst die Pfade, über die identitätsstiftende Zutaten wie Safran, Sesam oder Granatäpfel gekarrt wurden.

Die Rezepte, begleitet von zahlreichen Reportage-Fotos von Märkten, Menschen und Garküchen, duften auch dementsprechend. Ich halte diesen kulinarischen Schatz mit seinen vielfältigen Reiszubereitungen, den vegetarischen Eintöpfen, den allerfeinst gewürzten Fisch- und Fleischspeisen für immens bedeutend. Einzig die politischen Zeitläufte, denke ich, konnten bisher verhindern, dass die Küchen des Nahen und Mittleren Ostens die unseren noch nicht in dem Ausmaß erobert haben, wie es im Wechselspiel der Trends zuletzt die nordische und die südamerikanische getan haben. Das einzig nötige Hilfsmittel bei der Bewältigung der Rezepte: eine Umrechnungstabelle für Maßeinheiten, denn die sind angloamerikanisch gehalten.

Naomi Duguid: Taste of Persia. Artisan Books 2016, 392 Seiten, 34 Euro.