Gesellschaft

Der letzte Adolf Österreichs ist Kärntner

Noch nie wurde so lange kein Kind in Österreich mehr Adolf genannt. Eine Recherche zu einem schwierigen Namen und der Frage, ob man das heutzutage noch machen kann.
Eva  Sager

Von Eva Sager

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Diese Geschichte spielt in Kärnten – aber nicht ausschließlich. Im Bezirk Spittal an der Drau kamen 2016, wie im übrigen Bundesgebiet auch, vor allem Jonasse auf die Welt, ein paar Lukasse, sogar Daniels. Aber eben auch ein Adolf. Der (bislang) letzte des Landes. Seit 1984 bereitet die Statistik Austria Meldungen von Standesämtern über vergebene Vornamen an Neugeborene, deren Mütter ihren Hauptsitz in Österreich haben, auf. Und noch nie gab es so lange keinen Adolf mehr, ganze sechs Jahre lang.

Vorne weg: Das mit den Namen ist in Österreich ausnahmsweise einmal gar nicht so kompliziert. Das Kind kommt und solange man es nicht Nutella oder Satan nennen will, ist eigentlich alles in Ordnung. Genauer definiert es das Personenstandsgesetz, laut ihm müssen Vornamen vor allem drei Dinge können: gebräuchlich sein, dem Geschlecht des Kindes nicht widersprechen (zumindest der erste) und dem Kindeswohl nicht schaden. Auf Nachfrage bei der Magistratsabteilung 63 in Wien, zuständig für Namensrecht, erfüllt der Name Adolf diese Voraussetzungen. Möchte man ihn nachträglich trotzdem ändern, muss man mit einer Gebühr von 600 Euro rechnen.

Seit 1984 wurden in Österreich 85 Kinder mit dem Namen Adolf geboren. Die meisten davon in Oberösterreich; den zweiten Platz teilen sich Niederösterreich, Kärnten und die Steiermark mit je 15 Nennungen. Und so ganz nebenbei, die wenigsten Adolfs gab es seit 1984 in Salzburg.

Darf man das?

Nun reicht es beim Namen Adolf natürlich nicht aus, sich nur mit dem Personenstandsgesetz auseinanderzusetzen. Die eigentliche Frage ist doch: Kann man einem Kind einen Namen geben, der für Krieg, Vertreibung und Massenvernichtung steht? Will man damit auch politisch etwas kundtun? Und kann man die Verknüpfung, die der Namer in unseren Köpfen automatisch auslöst, einfach ignorieren?

Mit dieser Frage beschäftigte sich unter anderem das französische Theaterstück „Der Vorname“ („Le prénom“). Dort eskaliert ein Abendessen unter Freunden, weil ein Pärchen vorgibt, den noch ungeborenen Sohn Adolphe nennen zu wollen. In der deutschen Verfilmung heißt es da einmal sinngemäß: „Ab wie vielen Toten ist ein Name für Dich denn verbrannt.“ 

profil hat versucht, die Mutter des jüngsten Adolfs zu erreichen. Wir erhielten bis zu Redaktionsschluss keine Antwort. Recherchen lassen allerdings darauf schließen, dass der Junge nach seinem Großvater benannt wurde. 

Österreichische Lösung

Abseits davon ist der junge Adolf in Kärnten grundsätzlich nicht allein – die meisten seiner Namensgefährten nennen sich im Alltag aber nicht so. Ob Adi oder Andy, durch Abkürzungen oder Spitznamen versucht man, etwas Distanz zwischen sich, den eigenen Vornamen und die Geschichte des 20. Jahrhunderts zu bringen. Adi Hütter und Andy Borg, beide geborene Adolfs, wissen davon wahrscheinlich ein Lied zu singen.

Eva  Sager

Eva Sager

seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Gesellschaft und Gegenwart.