Schlittenfahrt mit Landesrat

Der Sparkurs in Salzburg gefährdet unzählige Kunstinitiativen

Kulturpolitik. Der neue Sparkurs in Salzburg gefährdet unzählige Kunstinitiativen

Drucken

Schriftgröße

Es sind ungewöhnliche Allianzen, die sich dieser Tage in Salzburg bilden. Der ehemalige Festspielintendant Jürgen Flimm und Elfriede Innerhofer, die Obfrau des „Gauverbandes der Pinzgauer Heimatvereinigungen“, der Edel-Galerist Thaddaeus Ropac und der Musicalsänger Uwe Kröger – sie haben, so lässt sich vermuten, wohl eher unterschiedliche Vorstellungen vom Begriff Kultur. Doch in einem sind sie alle sich einig: In den Kultur-agenden des Landes Salzburg darf nicht noch weiter gespart werden.
Das fordert eine Petition an den Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne/Foto), die seit einigen Wochen aufliegt und von einer Reihe prominenter Kulturschaffender unterzeichnet wurde, neben den oben Erwähnten etwa von den Schauspielern Cornelius Obonya und Julia Gschnitzer, von Musikschaffenden wie Ernst Molden und Eva Jantschitsch, von den Schriftstellern Karl-Markus Gauß und Rafik Schami sowie dem Dirigenten Ivor Bolton. Denn der Salzburger Kulturlandschaft drohen dramatische Kürzungen – nach dem Finanzskandal ist Sparen angesagt.
Bereits in dem vor wenigen Tagen beschlossenen Budgetvorschlag für 2014 wurden im Kulturressort rund zwei Millionen Euro umgeschichtet: Rückstellungen – beispielsweise für ein geplantes Museumsdepot, ein „Sound of Music“-Museum sowie bauliche Investitionen – wurden aufgelöst; ebenso schuf man kurzerhand ein paar Auszeichnungen ab. Thomas Randisek, der den Dachverband Salzburger Kulturstätten leitet, kritisiert den niedrigen budgetären Anteil für die freie Szene, also aller Betriebe jenseits der „Großen Sieben“ wie den Festspielen, dem Museum der Moderne oder dem Landestheater. Die kleinen kulturellen Institutionen erhalten im kommenden Jahr zusammen exakt 4.734.300 Euro; damit stieg die Summe zwar im Vergleich zum Vorjahr, aber nur um bescheidene 21.100 Euro. Ihr Anteil am Haushalt des gesamten Landes liege jedoch nur bei 0,2 Prozent, so Randisek: „Das ist der niedrigste Wert in den vergangenen 16 Jahren.“

Die freie Szene – also all jene, die mit knappem Personal überdurchschnittlich effizient arbeiten – wird ab 2014 mit ihren niedrigen Etats zu kämpfen haben, weil die Förderungen bereits in den vergangenen Jahren so gut wie gar nicht der Inflation angepasst wurden. Robert Pienz, Leiter des Schauspielhauses, muss im Sommer 2014 zwei Personalstellen streichen. Und Hemma Schmutz, die noch bis Ende dieses Jahres den Salzburger Kunstverein leitet, erklärt: „Ich versuche, die Mittel ökonomisch einzusetzen. Aber irgendwann beutet man selbst andere aus, muss Mitarbeiter schlecht bezahlen und kann Künstlern kein Produktionsbudget zur Verfügung stellen.“

Es ist nicht ganz leicht, die Salzburger Kulturfinanzen zu durchschauen. Die Gesamtsumme aller Subventionen wird mit rund 42 Millionen Euro ausgewiesen. Allerdings ressortieren nicht alle Betriebe bei Schellhorn; die Summe, über die er verfügen kann, ist weitaus geringer, sie liegt bei 30 Millionen Euro. Für die „Burgen und Schlösser“ ist Finanzlandesrat Christian Stöckl zuständig, für die Festspiele Landeshauptmann Wilfried Haslauer (beide ÖVP). Dort wird 2014 keineswegs eingespart, im Gegenteil: Eine Liftanlage auf der Burg Hohenwerfen und die Neugestaltung der Festung Hohensalzburg werden 2014 mit zusätzlich rund 1,3 Millionen Euro zu Buche schlagen. Randisek kritisiert, dass diese Bauvorhaben nicht aus Sondertöpfen bestritten werden: „Großprojekte werden aus dem laufenden ordentlichen Haushalt finanziert.“ Trockener Nachsatz: „Ressortzuständigkeit: ÖVP

Doch mit den aktuellen Einsparungen dürfte es keineswegs getan sein. Schon 2015 und 2016 sollen weitere Einschnitte folgen. Landesrat Schellhorn kalmiert zwar: Die Budgets würden erst verhandelt, Konjunktur und Steuereinnahmen seien noch nicht absehbar, erklärt er gegenüber profil. Bestandsgarantien will er dennoch keine abgeben: „Ich kann für 2015 und 2016 gar nichts ausschließen. Man kann nicht alles, was der freien Szene zugehört, für sakrosankt erklären. Natürlich werde ich mich aber für sie einsetzen.“ Zudem habe er niemals die Zahl von 4,4 Millionen Euro, die angeblich bis 2016 eingespart werden sollen, genannt. Robert
Pienz, der auch Vorsitzender des Landeskulturbeirates ist, widerspricht: Seiner Erinnerung nach habe der Grüne davon gesprochen, dass 2014 rund zwei Millionen Euro weniger zur Verfügung stünden, in den beiden Jahren darauf schrumpfe der Kulturhaushalt um jeweils weitere 1,2 Millionen. Zudem kündigte eine Mitarbeiterin der Kulturabteilung – offensichtlich ohne Schellhorns Wissen – bereits mehreren kleineren Häusern Einsparungen von zehn Prozent in den Jahren 2015 und 2016 an, auch dem Kunstverein. Hemma Schmutz: „Wenn das eintrifft, wird die Situation wirklich dramatisch.“ Und Pienz erklärt: „Wenn die angekündigten Einsparungen kommen, werde ich 2015 und 2016 ebenfalls je zwei Leute kündigen müssen.“ Nachsatz: „Sollten wir mit sechs Mitarbeitern weniger auskommen müssen, wäre der Betrieb des Schauspielhauses in seiner jetzigen Form völlig unmöglich.“

Pienz verweist auf eine weitere Schwierigkeit: Der Bund, der viele Institutionen kofinanziert, orientiere sich an den Subventionen des Landes. Sollte Salzburg seine Förderungen kürzen, werde das Ministerium ähnlich agieren, befürchtet er: „Zur Fußbremse kommt dann auch noch die Handbremse.“ Die Rücklagen, die nun die Löcher stopfen, werden 2015 jedenfalls weitgehend verbraucht sein. „Dann werden uns die Einsparungen mit doppelter Wucht erreichen“, prognostiziert der künstlerische Leiter des Kulturzentrums ARGEkultur, Markus Grüner-Musil.

Weite Teile der Salzburger Szene haben große Hoffnungen in die Grünen gesetzt. Ein halbes Jahr nach deren Regierungsantritt ist man aber auf weiter Flur desillusioniert, auch wenn man Schellhorn als Gesprächspartner schätzt. So kritisiert Grüner-Musil, dass sich bisher nichts an der Aufteilung der Kultur-agenden auf verschiedene Ressorts geändert habe. Und Thomas Randisek stellt fest: „Bisher haben die Grünen ihre Versprechen nicht gehalten. Die von ihnen angekündigte verstärkte Förderung der freien Szene ist nicht eingetreten.“ Im aktuellen Budget sei „keine grüne Handschrift“ erkennbar, Randisek stellt im Gegenteil die „Erhöhung traditioneller Kulturbereiche und eine uninspirierte Fortschreibung der Förderansätze der Vorjahre“ fest. Zudem schätzt man Schellhorns Standing in der Regierung als schwach ein. „Haslauer fährt mit ihm doch Schlitten!“, sagt ein Salzburger Kurator. Es gebe „gute und konstruktive Gespräche mit Schellhorn“, konzediert Grüner-Musil: „Allerdings muss sich erst zeigen, ob er Einsparungen politisch verhindern kann.“

Trotz leidenschaftlichen Protests scheint kaum jemand damit zu rechnen, dass man das Ruder tatsächlich noch herumreißen können werde. Im Salzburger Landesbudget beläuft sich der Kulturetat auf bloß 1,73 Prozent der Gesamtaufwendungen. Kürzungen würden der Kunstszene im Land dramatisch schaden, aber dessen Haushalt nicht einmal ansatzweise aus den Schulden reißen.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer