The 2004 Teen Choice Awards - Red Carpet

Die 2000er-Jahre erleben ein Revival. Aber Achtung: Es war nicht alles gut!

Sie rauchen wieder, sie tragen die bunten Riesenbrillen der 2000er-Jahre, sie feiern „Sex and the City“ und Lindsay Lohan. Und sie wissen genau, dass dieses Revival keine unschuldige Zeit wiederbelebt. Eine kurze Geschichte des Y2K-Trends.

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Mit September 2007 führten die ÖBB ein striktes Rauchverbot in allen ihren Zügen ein, schon drei Jahre vorher hatte der Weltfußballverband FIFA das Rauchen auf der Trainerbank endgültig verboten (auf dem Rasen war es zu der Zeit schon unüblich geworden). Bis der Nichtraucherschutz auch in österreichischen Gasthäusern ankam, sollte es zwar noch ein paar Jahre dauern (nämlich tatsächlich bis kurz vor Corona), aber es zeichnete sich doch schon Anfang des Jahrtausends klar ab, dass die Ära Tschick zu Ende ging.

Bis sie es doch nicht tat.

Es wird wieder geraucht, durchaus unverschämt und an höchster Stelle. Dies ist keine Anspielung auf einen hohen Amtsträger in der Wiener Hofburg, sondern meint die gegenwärtige Ausweitung der Raucherzone in der internationalen Popkultur. Im Streaming-Hit „The Bear“ mag das Gequalme noch milieubedingt gewesen sein (die Serie spielt im Gastgewerbe), in romantischen Komödien kommt die Zigarette dagegen schon deutlich unvermittelter daher. Aber sie kommt. Ganz aktuell etwa in der Hand von Dakota Johnson als einigermaßen verzweifelte Paartherapeutin und hochgradig aktive Raucherin in dem programmierten Sommerhit „Was ist Liebe wert – Materialists“.

Die Pop-Brats Charli xcx und Dua Lipa inhalieren ihren Hedonismus schon länger mit einer gesunden Portion Todesverachtung, aber auch bravere Popstars greifen ohne erkennbaren Imageverlust wieder zur Zigarette: Addison Rae singt übers Rauchen, Sabrina Carpenter zeigt im Video zu „Manchild“ vor, wie man das macht, und sogar Beyoncé heizt sich in ihrem aktuellen Tourprogramm auf offener Bühne eine an.

Das will etwas heißen. Und gewiss auch etwas bedeuten. Einerseits wird offenbar gerade heftig an einem Gegenentwurf zur polierten Insta-Welt der Beauty- und Healthcare-Influencer gestrickt. Die Yoga-Bubble könnte, wenn das so weitergeht, bald platzen. Und andererseits ist der neue Qualm wohl nur eine Variante einer größeren Bewegung, nämlich dem Revival einer lauteren, bunteren, deutlich weniger achtsamen Ära, wir sprechen natürlich von den frühen Nullerjahren.

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Dieser Y2K-Trend, der als reines Fashion-Phänomen schon länger grassiert, aber nun zunehmend auch weitere Teile der Popkultur erfasst, hält sich auf den ersten Blick durchaus typisch an den handelsüblichen Retroschleifen-Zyklus: Es wird an der frühen Kindheit der aktuell trendrelevanten Zielgruppe angeknüpft, also jeweils etwa 20 bis 30 Jahre zurückgeblickt. Und damit landet man derzeit eben in den Jahren kurz nach der Jahrtausendwende.

Offensichtlich wird das Phänomen in der akuten Renaissance von Oversize-Jeans und -Trainingshosen, bunten Riesenbrillen und bauchfreien Tops, von Lipgloss und Scrunchies, im Extremfall auch in der Rückbesinnung auf einschlägige „Kult“-Marken wie Ed Hardy, Von Dutch oder Juicy Couture, alternativ auch in der aktualisierten Wiederaneignung durch Balenciaga oder das Recycling via Vintage-Läden.

Nicht ganz zufällig hieß die erste Single aus Charli xcxs stilprägendem „Brat“-Album „Von Dutch“, und auch das Pop-Phänomen des laufenden Sommers, Addison Rae, spukt sehr bewusst als Paris-Hilton-Klon durch TikTok (wo sie gut 89 Millionen Follower hat).

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Stilistische Anleihen an Avril Lavigne in ihrer „Sk8ater Boi“-Era (2002) gehen anno 2025 als zeitgemäß durch, ja sogar verstaubte Zeitkapseln wie „Gilmore Girls“ oder „Sex and the City“ werden wieder gerne aufgemacht. Wobei gerade „Sex and the City“ für das laufende Y2K-Revival nicht ganz repräsentativ ist. Denn die gute alte Zeit, an die sich Retro-Phänomene üblicherweise nostalgisch anschmiegen, ist in dieser Serie ausnahmsweise tatsächlich vorhanden: Eine Gruppe Vollzeit arbeitender Frauen lebt relativ sorgenfrei, selbstbewusst und in erheblichem Wohlstand – und hat sogar noch genug Zeit, sich in schöner Solidarität um die wechselseitigen Freundschaften zu kümmern. Das wird man schwerlich kritisieren wollen. Bei vielen anderen der gerade wiederbelebten Phänomene fällt der Widerspruch wesentlich leichter.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur. Ist seit 2020 Textchef und seit 2025 stellvertretender Chefredakteur dieses Magazins.