Kein Alkohol ist auch eine Lösung: Warum Junge abstinent sind
Kürzlich beim Maturaball stellte sich für Carina, 19, eine seltsame Situation ein. Für ein Instagram-Foto prosteten ihre Mitschüler samt Eltern einander mit Champagnergläsern zu. Das kam für Carina nicht infrage, sie lebt seit einem Jahr abstinent. Als sie auf der Suche nach einem antialkoholischen Getränk an die Bar ging, um nicht mit leeren Händen auf dem Bild zu stehen, drückte ihr der Barkeeper, mangels anderer Alternativen, eine Plastikflasche Coca-Cola in die Hand.
Der Barkeeper war offenbar von gestern. Er hatte wohl noch nie etwas von Proxy-Wine oder Sparkling Tea gehört, von Kombucha oder Shrub. Oder, um Himmels willen, wenigstens von einem schönen Null-Prozent-Wein!
Die neue Nüchternheit
Wie das Rauchen einst zum Trostlaster bildungsferner Gesundheitsignoranten stigmatisiert wurde, verzeichnet auch der zügige Alkoholkonsum inzwischen erhebliche Image-Kratzspuren. Vor allem unter Menschen zwischen 16 und 30 Jahren macht sich die freiwillige Abstinenz oder das Phänomen des „Zebra-Drinkings“ (die kalkulierte Abwechslung von moderatem Alkoholkonsum und komplett trockenen Tagen) breit. Zahlreiche Apps unterstützen den Trend zur neuen Nüchternheit und machen daraus ein regelrechtes Lifestyle-Konzept, unzählige Anbieter springen auf den anfahrenden Zug.
Laut dem aktuellen „Handbuch Alkohol“ des Gesundheitsministeriums hat sich der durchschnittliche tägliche Alkoholkonsum von Jugendlichen (16 bis 20 Jahre) zwischen 2004 und 2020 halbiert, wobei hier wohl ein gewisser Corona-Knick eingepreist werden muss. Das vorpandemische Niveau dürfte aber auch nach den Lockdowns bei Weitem nicht mehr erreicht worden sein.
Es führt ein slippery slope vom Märzen über den Radler zum Hopfenkracherl, und immer mehr Menschen sind auf diesem Hang unterwegs. Gerade alkoholfreies Bier, einst allenfalls eine Notlösung für designated drivers, ist längst ein echter Wirtschaftsfaktor geworden. In München wurde im vergangenen Sommer sogar ein komplett alkoholfreier Biergarten eröffnet, weil der Hype um das Null-Prozent-Bier der Augustiner Privatbrauerei so enorm war. Auch die österreichische Brauwirtschaft verzeichnet – bei insgesamt stagnierendem Bierausstoß – ein klares Plus bei der alkoholfreien Ware. Im Vorjahr legte dieser Bereich um stattliche 8,4 Prozent zu (in handelsübliche Gebinde umgerechnet: ein Plus von fast fünf Millionen Krügerln).
Laut dem aktuellen „Handbuch Alkohol“ des Gesundheitsministeriums hat sich der durchschnittliche tägliche Alkoholkonsum von Jugendlichen (16 bis 20 Jahre) zwischen 2004 und 2020 halbiert, wobei hier wohl ein gewisser Corona-Knick eingepreist werden muss. Das vorpandemische Niveau dürfte aber auch nach den Lockdowns bei Weitem nicht mehr erreicht worden sein.
Denn eine klare kulturelle Trendwende hat sich seither vollzogen. Unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist Alkoholverzicht heute sehr häufig kein Ausschlussgrund mehr. Man muss nicht mehr über den Durst trinken, um dazuzugehören. Tatsächlich gibt es zum Teil sogar einen Gruppendruck in Richtung Selfcare und Nüchternheit.
Komasaufende Jugendliche haben ihre einst – jedenfalls unter anderen Jugendlichen – durchaus vorhandene Coolness verloren, heute wird der Kontrollverlust nicht mehr geschätzt. Stattdessen werden Nüchternheit, Gesundheit und Selbstoptimierung forciert. Sober Influencer machen es vor, Mocktails und Hipster-Kombuchas sorgen für antialkoholische Abwechslung, sogar das vor wenigen Jahren noch völlig unvorstellbare Konzept einer komplett alkoholfreien Party lässt sich inzwischen gut verkaufen, in Berlin und London werden Sober Raves gefeiert.