Fußball

Die Rolle des Milliardärs: Was Tojner und Wrabetz mit Rapid vorhaben

Die neuen Rapid-Wien-Bosse Alexander Wrabetz und Michael Tojner wollen den traditionsreichen Arbeiterklub aus dem Mittelmaß holen. Zur Not sollen Investoren kommen.

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Ein Milliardär will den schlafenden Riesen wecken – und er hat schon eine Idee, wie das gelingen kann. Der Riese in dieser Geschichte heißt SK Rapid Wien und ist ein stolzer Fußballklub, vor 124 Jahren gegründet, österreichischer Rekordmeister. Der Milliardär trägt den Namen Michael Tojner und ist einer der prominentesten Unternehmer Österreichs, ein durchaus umstrittener Grenzgänger – und: seit Ende November einer der neuen Rapid-Bosse.

Tojner betont gerne, kein Mann fürs Mittelmaß zu sein. Doch Rapid ist genau das. Seit 15 Jahren wurde kein Titel gewonnen, in der vergangenen Saison reichte es bloß zu einem fünften Platz. „Voller Fokus auf den Sport, sonst seid ihr demnächst alle fort“, schrieben verärgerte Fans vor einem Jahr auf ein Transparent. Wenig später flog Rapid gegen den FC Vaduz aus dem Europacup – und aus dem Reim wurde Realität: Fans stürmten die VIP-Tribüne, die alte Vereinsführung wurde zum Rücktritt gezwungen. Der Vorwurf: Rapid werde zu Tode gespart.

Die neue, vom mächtigen Anhang gewählte Führung ist nun seit fünf Monaten im Amt und durchaus prominent besetzt: Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz wurde Präsident; mit ihm sitzen im neunköpfigen Präsidium Kicker-Legende Steffen Hofmann, WU-Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger und: der Milliardär Tojner. Alles habe sich ab sofort „dem sportlichen Erfolg unterzuordnen“, betonte Wrabetz bei seinem Antritt pflichtbewusst. Der Umsatz (zuletzt knapp 50 Millionen Euro) soll in seiner dreijährigen Amtszeit um zehn Millionen erhöht, die Mittel für den Sportbereich von knapp 20 auf 30 Millionen aufgestockt werden.

Doch möglicherweise ist das zu wenig, um den zweifachen Europacupfinalisten Rapid wieder groß zu machen. Ein paar Milliönchen sind im modernen Fußballgeschäft ein Klacks. Gegenwärtig heißt der Ligakrösus Red Bull Salzburg – im letzten Geschäftsjahr hatte dieser einen Einnahmenvorsprung von 100 Millionen Euro. Auch Sturm Graz und der LASK haben Rapid abgehängt. Tojner brütet deshalb über einer anderen, viel größeren Idee – die bislang als No-Go im traditionsreichen Arbeiterklub galt und diesen komplett verändern würde.

Die Geldvermehrungsmaschine

Tojner, 57, gilt als großer Rapid-Fan, der den Klub mit seinem Unternehmen Varta auch sponsert. Im neuen Rapid-Präsidium sei er „der Motor“, wird profil erzählt, „weil er Tempo macht“. Sein Vermögen hat der Oberösterreicher mit Unternehmensbeteiligungen und Immobiliengeschäften verdient – und dabei den Ruf erworben, Geld in kürzester Zeit vermehren zu können. Bisweilen brachte ihn sein forsches Geschäftsgebaren auch in Konflikt mit Partnern und ins Visier der Behörden; im „Chorherr-Prozess“ wurde Tojner erstinstanzlich freigesprochen; die WKStA ermittelt seit geraumer Zeit aber auch wegen des Verdachts, das Land Burgenland könnte in Zusammenhang mit mehreren Wohnbaugenossenschaften um eine größere Summe betrogen worden sein. Tojner hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Im profil-Gespräch redet Tojner nicht lange um den heißen Brei herum. Sein Ziel sei es, „30 Prozent der Rapid GmbH abzugeben und damit 20 bis 30 Millionen für den Verein zu mobilisieren“. Sprich: Es geht ihm um einen Teilverkauf des Traditionsvereins.

Es treibe ihn an, „Firmen auf eine höhere Ebene zu bringen“, betont Tojner gerne. Seine erste Schilling-Million verdiente er mit dem Verkauf von Eiscreme, den Gewinn steckte er in einen Versandhandel für Küchengeräte. Den Batteriekonzern Varta übernahm er vor zwölf Jahren um 40 Millionen US-Dollar und machte ihn zum Milliardengeschäft. Tojner geht es um Wachstum – und dafür benötigt es Kapitalspritzen. Auch Rapid, betont er gegenüber profil, brauche Geld, „um ein Rad in Gang zu bringen“.

Ein Startkapital „von 10 bis 20 Millionen Euro“ wäre nötig, so Tojner, damit auch Rapid wachsen könne. So wie es Salzburg gelungen ist. Red Bull leistete dort eine Anschubfinanzierung und ebnete den Erfolg: Zahlreiche talentierte Kicker konnten erworben und etliche von ihnen um ein Vielfaches – oft um 30 Millionen und mehr – verkauft werden. 105 Millionen lukrierte Salzburg allein in der letzten Transferperiode, mit den Gewinnen daraus lag man weltweit auf Platz drei. Ein Modell nach dem Geschmack von Tojner: eine Geldvermehrungsmaschine.

Die Fanfrage

Doch so einfach lässt sich das nicht umsetzen – aus mehreren Gründen. Rapid ist nicht bloß ein Unternehmen, sondern auch ein Fußballklub mit Zigtausenden Fans. Man will einerseits reich und sexy sein, andererseits darf die Tradition nicht befleckt werden. So wird das Rapid-Stadion, das vom Versicherungskonzern Allianz mitfinanziert wurde und dessen Namen trägt, von Fans konsequent Weststadion genannt. Investoren sind hier nicht sonderlich beliebt. Es geht um die Frage, wer im Klub das Sagen hat: Anhänger oder Anleger. Tojner muss also erst mal die Fans überzeugen. Rapid ist nämlich ein Mitgliederverein, 16.000 Fans können Statuten ändern und Präsidenten wählen. Auch in der Investoren-Frage hätten sie das letzte Wort.

Tojner weiß um die Ressentiments in der Fanszene. Deshalb erklärt er: Es sollen keine Scheichs oder Investmenthaie die Anteile an der Rapid GmbH kaufen, sondern vertraute Partner – solche, die nicht bloß nehmen, sondern vor allem geben. Jährlich sollen sie Rapid mit einem Millionenbetrag unterstützen, so die Idee. „Ich nehme deshalb nicht das Wort Investor in den Mund“, sagt Tojner, „sondern spreche von Partnern.“ Tojners Vorbild ist die FC Bayern München AG. Auch dort halten drei Konzerne – Allianz, Audi und Adidas – gemeinsam 25 Prozent der Anteile und agieren als sponsernde Partner. Gespräche mit möglichen Rapid-Investoren habe es laut Tojner noch keine gegeben. Denn: „Wenn das die Fans nicht wollen, geht es nicht.“ Zuerst müsse man diese überzeugen, „dann kann man auf Partnersuche gehen“.

Hilfreich könnte dabei Edeltraud Hanappi-Egger sein, ihres Zeichens Rapid-Vizepräsidentin und im Brotberuf Rektorin der Wirtschaftsuniversität Wien. Die 59-jährige Schwiegertochter der verstorbenen Rapid-Legende Gerhard Hanappi ist Expertin für Partizipationsmodelle. Fans sollen künftig nicht durch Zurufe verschreckt, sondern in demokratische Prozesse eingebunden werden. Ein Pilot dafür sei aktuell das Prozedere um die neu gestaltete Vereinssatzung, die Fans via Online-Tool kommentieren können. So sehe man schnell, „was umstritten ist“, erklärt sie. Zuletzt hat Hanappi-Egger auch Fanclubs besucht: „Ich möchte verstehen, was ihnen wichtig ist.“ Auch in der Investoren-Thematik, so heißt es im Verein, soll sich der mächtige Anhang eingebunden fühlen. Um die Mitglieder befragen zu können, braucht es aber erst einmal Einigkeit im Rapid-Präsidium. Einige Funktionäre zweifeln, ob es in Österreich passende Unternehmen gebe, die sich Rapid derart verbunden fühlen, dass sie eine Menge Geld einbezahlen – dann aber fast nichts entscheiden dürften. Ein Präsidiumsmitglied betonte gegenüber profil: „Wir sehen uns als Gegenmodell zu Red Bull. Bei uns herrschen demokratische Zustände.“ Ein anderes sagt, es dürfe „keine heiligen Kühe mehr geben“.

Präsident Alexander Wrabetz bemüht sich im profil-Gespräch um Klarheit. Rapid wolle „ein Mitgliederverein bleiben“, sagt er, „aber auch offen für Beteiligungen sein“ – jedenfalls „im Lauf der Jahre“. Dafür müsse sich der Verein aber zuerst „ordentlich aufstellen“. Denn: Wer auf Partnersuche gehen will, muss attraktiv sein – und mit den Investoren-Millionen auch etwas anzufangen wissen. Sprich: Rapid braucht ein Konzept. In Fußballvereinen gibt es zwei Faktoren, die aus Geld mehr Geld machen. Das eine ist eine funktionierende Scouting-Abteilung – jener Bereich, der weltweit Rohdiamanten aufspüren soll. Das andere ist eine aufregende Spielweise, die diese Talente erst glänzen lässt und in der Folge so richtig teuer macht. Zuletzt erspielte sich Sturm Graz, das wirtschaftlich und sportlich lange hinter Rapid angesiedelt war, auf diese Weise ein ordentliches Investitionskapital.

„Möglichst leiwand“

Bei Rapid haperte es in der Vergangenheit in beiden Bereichen: Man landete mehr Transfer-Flops als Volltreffer und spielte einfallslosen Fußball. In diesem Zustand würde man Investoren-Millionen nicht vermehren, sondern bloß vernichten.

Man müsse also erst einmal „entsprechende Strukturen aufbauen“, betonen die neuen Entscheider. Die Scouting-Abteilung soll „professionalisiert“ und ausgebaut werden – eine 642 Seiten starke Klubphilosophie wurde dafür bereits erarbeitet. Doch auf dem Feld ist davon noch nichts zu sehen. Der beste Rapid-Spieler ist derzeit der 34-jährige Guido Burgstaller, der nicht mehr teuer verkauft werden, sondern bloß noch in Sportlerpension gehen kann. Der Neubeginn wird zudem von altem Personal orchestriert: Es gibt zwar einen neuen, von Tojner selbst auserkorenen Sportdirektor: den Ex-Rapid-Spieler Markus Katzer. Doch ansonsten sind Klublegenden am Werk, die für den aktuellen Zustand verantwortlich zeichnen: Zoran Barišić wurde vom Sportdirektor zum Trainer und sein Assistent Steffen Hofmann zum Geschäftsführer befördert. Das zwischenzeitliche Ergebnis: Platz vier in der Liga und klare Pleiten gegen die direkte Konkurrenz. „Unsere Philosophie ist, dass wir erfolgreich sein wollen und dabei möglichst leiwand“, umriss Hofmann zuletzt das Konzept im „Sky“-Interview.

Eilig soll nun – erst mal ohne Investoren – der Kader aufgerüstet werden. „Die Sportabteilung hätte gerne ein paar Millionen dafür“, verrät ein Funktionär gegenüber profil. Trainer Barišić forderte schon im Herbst, man müsse „in Vorleistung“ gehen. Präsident Wrabetz versprach vor wenigen Tagen: Für „markante Verstärkungen“ werde im Sommer „das Geld da sein“. Wie das gelingen soll? Jedenfalls nicht mit geborgtem Geld. „Mit einer Bank kann man einen Kaderumbau nicht finanzieren“, erklärt Tojner. „Das ist gefährlich. Man kann sich beim Kaderaufbau ja auch einmal vertun“. Im Verein versucht man laut profil-Informationen derzeit, Mittel umzuschichten, Sponsoren um eine Erhöhung zu bitten, neue Geldgeber aufzutreiben und durch Spielerabgänge Kapital zu lukrieren. Und dann hofft man auch auf ein wenig Glück: Die neuen Kicker sollen im Europacup fette UEFA-Prämien einspielen und danach möglichst teuer verkauft werden.

Gelingt das nicht, wird ein Teilverkauf der SK Rapid GmbH zum heißen Thema werden. Denn: Das Präsidium wurde für drei Jahre gewählt – und die Zeit läuft. Tojner sieht in einer „Partner“-Beteiligung die größte Chance, Rapid nachhaltig gut aufzustellen. „Wir wollen zuerst Sturm überholen“, sagt er, „dann Salzburg näher kommen.“

Am Sonntag könnte Rapid endlich wieder einmal aufzeigen: Da steht das Cup-Finale gegen Sturm Graz an. Rapid hat das Endspiel etwas glücklich gegen die Underdogs aus Wolfsberg und Ried erreicht, während Sturm den großen Favoriten Salzburg aus dem Bewerb kickte. Ein unerwartet großer Tag für die Hütteldorfer: Tojner hat extra Rapid-Fahnen von einem in New York lebenden Designer anfertigen lassen und den Spielern eine hohe Erfolgsprämie versprochen. Ein Sieg würde den ersten Titel seit 15 Jahren bringen – und einen Fixplatz im Europacup. Fans und Funktionäre werden auf den Tribünen gleichermaßen mitzittern. Die einen, weil es um die Ehre geht. Die anderen wohl auch, weil sich ein erfolgreicher SK Rapid besser verkaufen ließe.