FORM UND VOLLENDUNG: Gefüllte Schoten, dicht gedrängt im Bräter, locker auf dem Teller

eatdrink: 13 Kreise und eine Ellipse

Gefüllte Paprika oder warum Mathe doch nicht so blöd ist.

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Gegeben ist eine Ellipse mit der Fläche x. Die Hauptachse zwischen den Scheitelpunkten S1 und S2 hat eine Länge von 25 cm, die Länge der Nebenachse zwischen den Scheitelpunkten S3 und S4 beträgt 19 cm. Berechne, wie viele Kreise mit einem Durchmesser von 7 cm in die Grundfläche x der geschlossenen ovalen Kurve integrierbar sind.

Ich habe keine Ahnung; ich weiß nicht einmal, ob es dafür eine Formel gibt, und sollte es tatsächlich eine geben, dann wäre das wieder ein Beweis mehr dafür, dass Mathematik eine extrem nützliche und anwendbare Wissenschaft ist, bei der ich in der Schule besser die Ohren gespitzt hätte. Im Grunde geht es nämlich um nichts anderes als darum, wie viele grüne Paprikaschoten, die herb-süßlichen Dolma vom Türken, in meinem ovalen gusseisernen Bräter aufrecht stehend Platz haben, ohne umzufallen.

Im Anfang aller gefüllten Paprika steht also eine Rechenaufgabe. Wer will schon, dass nicht alle liebevoll gefüllten Schoten Platz haben? Und wer, dass sie zu wenige sind, die Fläche nicht ausfüllen und deshalb einfach kippen? Letzteres Problem habe ich bereits mit passenden Erdäpfeln gelöst, die man in die Zwischenräume stopfen kann; es wäre auch überlegenswert, Paprika-Platzhalter-Sets aus Keramik, Metall oder Granit in verschiedenen Größen zu entwickeln, wenn man die Berechnung nicht hinkriegt. Hm, mal einen Businessplan für die Finanzierung einreichen …

Am einfachsten ist es jedenfalls, den Platzbedarf – egal, ob die Form nun viereckig, quadratisch oder rund ist – vorher mit den noch rohen Schoten auszuprobieren, dann weiß man auch, wie viel Fülle man braucht, nämlich ungefähr eine Faust pro Frucht.

Gefüllte Paprika sind pures Seelenfutter; sogar in der einfachsten Variante machen sie einen zufrieden: bloß mit Faschiertem, eingeweichter Semmel, Ei, Salz und Pfeffer. Nur die in der Wiener Küche weit verbreitete Paradeisersauce mit nichts als Zucker und Mehl ist mir zu einfältig.

Schon bald melden sich die betörenden Gerüche aus dem Backrohr.

Fangen wir also mit der Sauce an. Sie basiert auf einem uralten Rezept von Eckart Witzigmann und enthält eindeutig Spuren von Raffinesse. Dafür schwitze ich eine feinst gehackte Schalotte in Pflanzenöl an, gebe 1 EL braunen Zucker dazu und rühre, bis der Zucker karamellisiert. Dann kommen 600 g Dosentomaten dazu und nach kurzem Durchrühren die Gewürze: Salz, Pfeffer, 2 Gewürznelken, 1 zerdrückte Knoblauchzehe und ein gebundener Kräuterstrauß aus Lorbeerblatt, etwas Salbei, Rosmarin, Thymian und Basilikum. So simmert das 30 Minuten vor sich hin. Danach fische ich Kräuter, Nelken und Knoblauch heraus und püriere die Sauce durch.

Für die Paprika nehme ich die passende Anzahl (13 Stück sind’s bei der Anprobe im Bräter geworden), schneide knapp unter dem Stängel eine Kappe ab und höhle die Schoten komplett aus.

In einer Schüssel vermenge ich die Zutaten für die Fülle, deren Vorbild wieder einmal von Yotam Ottolenghi stammt, weshalb sie auch ein wenig orientalisch anmutet: 150 g knapp 5 Minuten vorgekochten Basmatireis, 750 g Lammfaschiertes, je 2 EL gehackte Dille und Petersilie, 2 EL Semmelbrösel, 1 Msp Muskatnuss, 1 EL Zucker, 1 fein gehackte und in Öl angeröstete Zwiebel, je 1 TL getrocknete Minze, Kardamompulver, Kreuzkümmel und Cigköfte Baharat sowie Salz und Pfeffer. Gut verknetet kommt die Masse in die Schoten. Paprikadeckel drauf, mit Zahnstocher fixieren, in den Bräter schlichten, Paradeissauce untergießen, Deckel auf den Bräter und eine Stunde bei 180 Grad ab in den Ofen.

Schon bald melden sich die betörenden Gerüche aus dem Backrohr. Aber dass dieses Gipfeltreffen zwischen Witzigmann und Ottolenghi einfach wunderbar werden wird, damit habe ich eh schon vorher gerechnet.