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Die Mostarda-Formel

Kochen mit Trauben (II): Isabella gibt ihren Senf zum Käse.

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Wenn das Prickeln in den Kiefergelenken beim Biss auf eine Weintraube sich vom befremdlichen Stechen in lustvolles Kitzeln verwandelt, dann sind die Beeren richtig reif. Sagt einer, der keine Klosterneuburger Mostwaage besitzt, mit der der Zuckergehalt im Fruchtsaft bestimmt werden kann. Nämlich ich. Kosten ist alles, was ich zur Beurteilung herbeiziehen kann. Ich koste auch Trauben vor dem Kauf, um nicht später mit einer Heckenkleschermarmelade dazustehen.

Neulich habe ich beim Obst-und Gemüsehändler eine kleine Schachtel Isabella-Trauben für gut befunden; ich habe die Rebsorte, aus der hier Uhudler und in Italien Fragolino gemacht wird, bereits letzte Woche an dieser Stelle gewürdigt-als hochinteressanten Rohstoff zum Einkochen, und zwar süß oder süßsauer. Man muss allerdings nicht verzagen, wenn Isabella sich rarmacht; die folgenden Rezepturen funktionieren mit fast allen für den Weinbau geeigneten Sorten, also auch Blaufränkisch, Zweigelt oder Pinot Noir, allenfalls der Syrah könnte ein wenig zu gerbstofflastig sein. In Sardinien etwa ist es üblich, aus den Cannonau-Trauben nicht nur den regionaltypischen Rotwein zu keltern, sondern auch composta oder mostarda daraus herzustellen. Mit composta ist etwas sehr Ähnliches wie unser Kompott gemeint, es ist in Italien jedoch meist etwas dicklicher eingekocht. Mostarda ist der Sammelbegriff für die erstmals 1621 erwähnten Senffrüchte, eine überaus beliebte Würzbeilage, die zu Bollito Misto (gekochtem Fleisch) und Käse serviert wird. Mostarda entsteht aus Zitrusfrüchten, Äpfeln, Birnen oder Kirschen; jene aus Cremona ist die populärste, aber auch aufwendigste. Es gibt jedoch genug einfachere, gleichwohl schmackhafte Rezepturen für den Hausgebrauch.

Ich möchte aber mit den Marmeladen beginnen. Trauben lassen sich hervorragend mit bestimmten Kräutern wie Rosmarin oder anderen Früchten wie Birnen und Feigen kombinieren. Eine meiner liebsten Mischungen besteht aus Pinot Noir, Feigen und Limettenschale. Das bedeutet: Auf 1 Kilo Trauben kommen 250 g Feigen und die geriebene Schale von 2 Limetten. Entscheidend ist die Frage des Zuckers. Vollreife Trauben brauchen einerseits zwar nicht viel davon, sie sind andererseits aber eher pektinarm, weshalb man ihrer Gelierkraft auf die Sprünge helfen muss. Meine ersten Traubenmarmeladen waren schnittfeste Wackelpuddinge, weil ich mit dem Gelierzucker zu großzügig war. Mittlerweile habe ich eine Formel entwickelt, die ich bei allen Gelees, Marmeladen, Chutneys und Senffrüchten verwende. Ich will sie am Beispiel einer genialen Kombi-Marmelade darstellen, die 1 Kilo Trauben, 250 g Feigen, Gelierzucker 1:3, Zitronensäure, 6 Zweige Rosmarin und 1 bis 2 EL Karamell enthält.

Die Formel: 1 kg T+ 250 g F+ 1 EL ZS+ (GZ/1:3-20%).

Zu den 1250 g Obst kommen 1 EL Zitronensäure und 20 Prozent weniger Gelierzucker als laut Hersteller vorgesehen. Bei der Kategorie 1:3 sind das 333 g. Das alles kocht, mit Rosmarin und Karamell, knapp 10 Minuten sprudelnd, bis die Gelierprobe funktioniert: Ein Teelöffel Marmelade darf, auf einem Tellerchen ausgekühlt, nicht mehr davonrinnen, sondern muss stocken.

Nun aber zur Mostarda. Ich habe 1 kg Isabella-Trauben abgerebelt, von denen ich 250 g zur Seite stelle. Dann setze ich einen Sirup aus 125 ml Portwein, 125 ml Rotwein, 100 ml Wasser und 260 g Gelierzucker 1:3 (also wieder ca. 20 Prozent weniger als empfohlen) an. Sobald der aufkocht, kommen die 250 g Trauben dazu und köcheln 10 Minuten vor sich hin. Danach drehe ich alles durch die feine Scheibe der Flotten Lotte und setze den Sirup wieder auf. Nun gebe ich 3 EL Senfkörner und 2 EL geriebenen Ingwer dazu, würze mit 1 guten Prise Chiliflocken und lasse den Sirup weitere 10 Minuten einköcheln. Zum Schluss kommen die 750 g Isabella-Trauben dazu und kühlen bei abgedrehtem Herd im Sud aus. Jetzt kann ich sie mit einem Siebschöpfer in sterile Einmachgläser füllen und den wieder aufgekochten Sirup brennheiß darübergießen.

Der einzige Nachteil dieser Mostarda, zu der ich Käsesorten wie gereiften Sainte-Maure, Morbier, Gruyere oder Blauschimmelkäse aller Art wie Roquefort, Gorgonzola und Stilton empfehle: Sie muss geschmacklich reifen, mindestens 4 bis 5 Wochen.

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