Schweinskopfsulz im Ludwig Van

eatdrink: Dur statt Moll

In einem düsteren Wiener Beethoven-Haus wird jetzt herzerfrischend gut gekocht.

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Hier kann man ihn sich vorstellen, den etwas wirren Zausel, 52 Jahre alt, aber in seinem Aussehen und Gehabe weit älter wirkend, ergraut, das Hörrohr am Ohr, weil längst nahezu ertaubt, sonderlich, mürrisch, unnahbar. Hinten sitzt er allein an einem Tisch, umgeben von dunklem Mobiliar, womöglich mit einer Partitur vor sich. Die Assoziationen entstehen, weil vorne draußen an der Hauswand eine Gedenktafel angebracht ist: "Ludwig van Beethoven wohnte in diesem Hause von Oktober 1822 bis zum 17. Mai 1823.“ Da liegt es ja auf der Hand, mit der Wahl des Restaurantnamens darauf Bezug zu nehmen. "Ludwig van“ also.

Walter Leidenfrost und seine Souschefin Julia Pimingstorfer hätten mit diesem Namen auch eine über ganz Wien verstreute Restaurantkette eröffnen können, in der jede Filiale authentischen Bezug zu einem Beethoven-Haus aufweist, denn es gibt, so vermute ich, nicht viele Häuser oder zumindest Grätzel in Wien, in denen Beethoven nicht einige Zeit gewohnt hat; er war der große Nomade unter den in Wien tätigen Kompositionstitanen.

Die beiden haben sich aber damit begnügt, die dunkle Spelunke in der Laimgrubengasse zu einem Ort zeitgemäßer Wiener Küche zu machen (im Übrigen kochen zu Mittag nicht Leidenfrost und Pimingstorfer, sondern Nora Kreimeyer unter dem Künstlernamen "mamsell“). Der abendliche Küchenchef ist Freunden der soliden Beislkultur aus dem "Weinhaus Arlt“ in Hernals bekannt, wo er mit seinem Programm bereits mit einer "A-la-Carte“-Trophäe ausgezeichnet wurde - und kurz danach ausschied.

Schlummriges Etablissement, lichte Atmosphäre

Im Erdgeschoss der temporären Komponistenabsteige legt er mit Julia Pimingstorfer jetzt noch eine Schaufel nach. Besonders angenehm ist, dass Service und Keller es schaffen, dem bedrückend schummrigen Etablissement eine lichte Atmosphäre einzuhauchen, gleichsam also aus dem Moll-Gewölbe eine Dur-Stube zu machen.

Leidenfrosts Schweinskopfsulz mit den klassischen Beigaben Zwiebel, Wurzelgemüse und Kernöl sieht auf den ersten Blick aus wie all die Beisl-Sulzen, die wie die legendäre saure Extrawurst in einer wässrigen Marinade baden, nur ist die hier keinesfalls dünn, sondern dicht, aromatisch und bestens abgeschmeckt. Das Forellenfilet aus der ziemlich klein gehaltenen Speisekarte ist auf den Punkt glasig gedämpft und kommt mit Texturen vom Kohlrabi (Scheiben und Püree) und einigen Orangenfilets - ein federleichter Genuss. Die beiden vegetarisch gehaltenen Zwischengänge sind das auch; Gehobene Beislküche (Klischee-Witz: "Ham S’ was Vegetarisches?“ - "Ja, a Backhendl“) geht ja doch ohne Fleischorgien. Eine Gemüsevariation aus Spargel, Radieschen, Karotten und Zucchini wird von Brennnesselcreme, geräuchertem Ziegenjoghurt und krümeligem Malz begleitet, eine halbierte geschmorte Zwiebel ist mit geschmolzenem Gruyère und Sauerteigbrot-Croutons gefüllt. Ersteres eine beschwingte Sonate, die Käsezwiebel eher dramatisches Finale eines symphonischen Satzes. Und dann noch eine geschmorte Scheibe von der alten Kuh in dichtem Jus, die Mangold und Chioggia-Rübe etwas leichter machen, und ein auf zweierlei Art gegartes Reh (Keule geschmort und Rücken rosa gebraten), verfeinert mit Mohn und mutig bis zur Entstehung von dunklen Röstspuren gebratenem Rhabarber.

Sommelier Robert Stark kann da durchaus mithalten. Seine Weinkarte hat er mit Bedacht und Kenntnis der Küchenlinie gestaltet, und weil wir das ja nun öfter erwähnen: Es gibt auch eine kleine, feine Auswahl an kreativen Bieren (um nicht immer Craftbeer zu sagen.)

Von wegen düstere, gestrige Schwermut. Im "Ludwig van“ heißt es eher: Roll over Beethoven!

Ludwig van Laimgrubengasse 22, 1060 Wien, Tel.: 01/587 13 20 ludwigvan.wien Sa, So, Mo, Fei geschlossen Hauptgerichte: 27 bis 29 Euro