"Politiker bauen Journalisten als Feindbilder auf."
Powerlunch

Ein Gang mit … Corinna Milborn

Seit 15 Jahren ist Corinna Milborn das Gesicht von Österreichs größtem Privatsender Puls4, vor allem, wenn es um Information und Politik geht. Im Herbst geriet sie zum ersten Mal in die Schusslinie der FPÖ, was darauf hindeutet, dass das Wahljahr 2024 für den Journalismus spannend wird.

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Mitten in einem kleinen Gassenlokal in der Wiener Schönbrunner Straße steht ein grober Klotz, der auf Knopfdruck rattert und pfaucht und alles zermalmt, was er in die Mangel bekommt. Der Klotz ist das Herzstück der Tortilleria Maíz. Mit ihm wird der Mais gemahlen, aus dem dann die Tacos gemacht werden. Die Eigentümerin hat ihn extra aus Mexiko importiert, und an sich wäre das eine unbedeutende Zusatzinformation, doch jetzt hat sich Corinna Milborn direkt neben den Klotz gesetzt. Ausgerechnet Milborn, die Info-Chefin und Moderatorin von Puls4, ausgerechnet neben diesen Klotz, und dann auch noch ausgerechnet heute: Wir haben nämlich den 21. Jänner, und auf dem Gerät steht in großen, fetten Lettern: „Manufacturas Lenin“. Sofort drehe ich mich um: Was, wenn jetzt Herbert Kickl hereinkommt? Der würde das doch sofort als Zeichen sehen, ausgerechnet an Lenins Todestag verputzt die Chefinterviewerin des renitenten Privatfernsehsenders arme Maiskörnchen, die von einer Lenin ausgepresst und platt gewalzt wurden: Wenn das kein Zeichen ist, kein Beweis für eine sinistre Verschwörung, kein Beleg dafür, dass alle Systemmedien mit den finsteren Mächten unter einer Decke stecken. Der Verschwörungstheoretiker-Dienst Telegram wäre nur Sekunden später voller Fotos.

Sollten wir nicht besser gehen?

Zu spät, Milborn hat schon bestellt. 

Markus  Huber

Markus Huber

ist im Hauptberuf Herausgeber des Magazins „Fleisch“ und schreibt für profil alle zwei Wochen die Kolumne „Powerlunch“.