Gereon Klug zählt zu den großen Humoristen des deutschen Sprachraums und ist trotzdem weitgehend unbekannt. Doch das könnte sich ändern, er ist jetzt nämlich auch TV-Star. Treffen mit einem Comedy-Multitasker.
Birkenempfindliche wird diese Nachricht jetzt eher nicht überraschen, aber im Großraum Mitteleuropa herrscht derzeit akute Pollenbelastung. Die Allergiesaison ist ausgebrochen, was den Betroffenen nahezu ausschließlich Nachteile beschert, aber eben doch auch Positives hat: Es ist Anlass für Gereon Klug, Jahrgang ’69, Autor, Manager und Humorgigant, unter seinem Pseudonym Hans E. Platte einen Newsletter zu verfassen, der pro forma für das Hamburger Plattengeschäft und -label „Hanseplatte“ wirbt, tatsächlich aber satirenahe Welterklärung verheißt und im vorliegenden Fall den steilen Grat zwischen Allergie- und Zivilisationskritik erklimmt: „Hatte Zork aus dem Mammutweg im Pleistozän schon Allergien? Wohl kaum. Gab ja damals nur Probleme auf unterstem Niveau, weil entweder überlebte man was oder starb an was – keine Spur von dem Mist dazwischen, den wir heute kennen. Das Leben hatte keine Kommastellen, Kompromisse oder Schattierungen. Alles war gesund ODER tot, nass ODER trocken, sackdumm ODER votzgeil. Dass der Mensch sich dieses einfache und schöne Prinzip des Seins hat wegnehmen lassen! Wozu braucht man Schattierungen und Feinheiten, wozu Wörter wie ‚auch‘, ‚eigentlich‘ und Konjunktive?“
Das wäre auch eigentlich eine Frage, die man Herrn Klug stellen hätte können beim Treffen in Wien. Der Künstler ist zwecks Bewerbung seines neuen Buchs („Die Nachteile von Menschen“) und seiner neuen TV-Show („Die Rocko Schamoni Supershow“) angereist und bestellt Cola-Zitron und den Mittagsteller (Hühnerbrust), fabuliert freihändig und setzt zur Pointenunterstützung auf markantes Kopfstimmenkichern. Mit Schattierungen und Feinheiten ist Klugs Humorschaffen übrigens reich gesegnet, die Grenze zwischen kindischer Albernheit und aphoristischer Weisheit erscheint ihm durchlässig: „Es bereitet mir eine große Freude, die Konventionen des Mediums, in dem ich mich gerade bewege, durchzuspielen mit dem Gestus ‚Das kann ich auch!‘, eng verbunden mit der späteren Gewissheit: ‚Oh, kann ich doch nicht!‘ Das funktioniert im Grunde in jedem Genre ähnlich.“
Ein gutes Medium zum Einstieg ins Klug’sche Schaffen wäre sein jüngstes Buch „Die Nachteile von Menschen“ (Ventil Verlag), das Textfragmente, Listen, gefälschte und echte Presseartikel sowie News-letterprosa aus den vergangenen Jahren versammelt, vor allem aber mit sinnigen Aphorismen begeistert: „Ironie ist die Waffe der Meinungslosen.“ In seinem Fall lässt Ironie allerdings auch eine ganz klare Haltung zu: „Ich bin einer von euch, aber der andere.“ Klug stammt aus dem nordrhein-westfälischen Siegen, der Geburtsstadt von Peter Paul Rubens, übersiedelte in den 1990er-Jahren nach Hamburg und gründete dort die auf lokale Musik spezialisierte „Hanseplatte“. „Der Grund, warum ich nach Hamburg gekommen bin, war die starke Verbindung von Humor und Politik, die dort vorherrschte. Das war ein Weg, den ich sehr inspirierend fand. Gerade im Vergleich zu Berlin mit der Nick-Cave- und Blixa-Bargeld-Theater-Düsternis. Heroin hat ja auch wenig Humor.“
Hatte Zork aus dem Mammutweg im Pleistozän schon Allergien? Wohl kaum. Gab ja damals nur Probleme auf unterstem Niveau, weil entweder überlebte man was oder starb an was – keine Spur von dem Mist dazwischen, den wir heute kennen. Das Leben hatte keine Kommastellen, Kompromisse oder Schattierungen. Alles war gesund ODER tot, nass ODER trocken, sackdumm ODER votzgeil. Dass der Mensch sich dieses einfache und schöne Prinzip des Seins hat wegnehmen lassen!
Gereon Klug alias Hans E. Platte
„Leider Geil“
Neben diversen anderen Nebentätigkeiten produzierte der Schallplattenhändler und Labelbetreiber damals Aufnahmen der Telefonstreich-Guerilla „Studio Braun“ mit den späteren Erfolgsmusikern und Bestsellerautoren Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jacques Palminger, schrieb gemeinsam mit Andreas Dorau das Musical „König der Möwen“ und war an dem Deichkind-Superhit „Leider Geil“ als Texter beteiligt.
Albern- und Klugheit schließen einander nicht aus, sondern bringen schöne Kinder zur Welt, zum Beispiel eben die „Rocko Schamoni Supershow“, die von der Wiener Produktionsfirma Superfilm für die ARD produziert wurde: Schamoni spielt sich darin im Wesentlichen selbst, also einen vom Erfolg nicht mehr ganz so verwöhnten, in die Jahre gekommenen Musiker. Als solcher wird er von seinem manisch-kreativen Manager „Gereon“ in alle möglichen Abstrusitäten hineintheatert, findet dabei aber immer noch Zeit für eine Reihe tiefschürfender Gespräche mit Gästen wie Klaas Heufer-Umlauf, Joy Denalane oder Charly Hübner.
Ich halte mich mit Vorschlägen an die jüngere Generation bewusst zurück, hab ich mir ja auch verbeten in dem Alter. Ich habe damals auch nicht den großen deutschen Nachwenderoman verfasst, den sich Marcel Reich-Ranicki von mir gewünscht hätte.
Gereon Klug
Die Hoffnung, dass durch den Streaming-Boom eine neue, goldene Ära der deutschen Comedy ausgebrochen wäre, bewertet Klug übrigens eher skeptisch: „Der Backlash ist doch längst da, die Budgets werden schon wieder zusammengestrichen. Und die großen Firmen arbeiten halt nach dem Gießkannenprinzip und produzieren Tausende Sachen, von denen zwei oder drei durchkommen. Das funktioniert exakt so wie in allen anderen zeitgenössischen Kulturbereichen. Wie viele Songs werden pro Tag auf Spotify veröffentlicht? 100.000? Wer soll das alles hören und sehen?“
Wenderoman-Verweigerung
Das Comedy-Gold, das in Deutschland gerade auf der Straße zu liegen scheint, dem Land, in dem die Verkorkstheiten blühen wie rosa-lila Fußballtrikots mit irrtümlichen SS-Runen, hält Klug für nicht zwangsläufig druckreif: „Das wird doch alles schon in Tweets von El Hotzo so spitzenmäßig weggearbeitet, warum willst du da noch einen Roman darüber schreiben? Ich halte mich mit Vorschlägen an die jüngere Generation bewusst zurück, hab ich mir ja auch verbeten in dem Alter. Ich habe damals ja auch nicht den großen deutschen Nachwenderoman verfasst, den sich Marcel Reich-Ranicki von mir gewünscht hätte.“
Sollte die ARD die „Rocko Schamoni Show“ in die Verlängerung schicken, wäre Gereon Klug aber zu allem bereit: „Vom Sport kann man lernen, was möglich ist. In fünf Jahren wird es asiatische Winterspiele in Saudi-Arabien geben. Warum sollte nicht ein älterer deutscher Künstler wie Rocko Schamoni noch mal eine ganz neue Karriere absolvieren? Auch Avatare sind möglich, man könnte seine Karriere einfach noch mal komplett nachbauen, in Schweden zum Beispiel. Er muss halt offen dafür sein. Und wenn er das nicht ist, dann wird er abgehängt vom Erfolgszug. Das ist ja klar. Für mich ist er wie ein überreifer Apfel, den man zu verschiedenen Arten von Most vergären lassen kann.“
Der Künstler kichert hochfrequent und kratzt sein Beilagengemüse zusammen. Aber genug gescherzt, es gibt in Wahrheit ja wirklich nichts zu lachen. Deshalb noch ein Hinweis zum Thema Überleben in schweren Zeiten (zum Beispiel Birkensaison aus dem Klug-Text „Tipps für die heiße Zeit“): „Schnell ein Matriarchat gründen! Die Gelegenheit ist zu günstig: Alle Männer sind abgelenkt durch ihr Kurvengestarre outdoor, frau kann richtig Meter machen beim Kräftesammeln und Einschleichen ins EU-Parlament.“