Faszination Feuerwerk: "Das hat etwas Orgiastisches"

Der Gerichtspsychiater Reinhard Haller über die Lust am Feuerwerk.

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profil: Über zehn Millionen Euro geben die Österreicher zu Silvester für Feuerwerke und Knaller aus. Also für etwas, das laut, mitunter gefährlich und eigentlich völlig zwecklos ist. Weshalb? Haller: Feuer hat immer eine psychologische Funktion und Bedeutung. Es spricht ein sehr archaisches Gefühl im Menschen an. Es ist ein Symbol für Leidenschaft, Kampf, Wärme, Liebe. Und wie alles in der Psychologie hat es einen unbewussten Kontext zur Sexualität. Ein Feuerwerk hat etwas stark Orgiastisches an sich. Wenn so eine Rakete losgeht, ist das eine stetige Steigerung, dann gibt es einen Knall und alles verfällt ins Nichts.

profil: Geld wird binnen Sekunden zum Verschwinden gebracht. Welcher vernünftige Mensch kann das wollen? Haller: Nicht alles, wofür man Geld ausgibt, muss einen materiellen Sinn haben. Es ist auch ein Symbol des Vergänglichen, das keinem anderen Zweck dient als dem Lustgewinn.

profil: Im Barock waren Feuerwerke dem Adel vorbehalten - als Demonstration von Macht und Status? Haller: Solche Feuerwerke waren natürlich eine unglaublich narzisstische Inszenierung. Und der Narzissmus war immer dem Adel vorbehalten. Nun ist er demokratisch geworden, jetzt gibt es ihn auch im Volk.

profil: Steckt in jedem von uns ein kleiner Pyromane? Haller: Das glaube ich schon. Dieser Urtrieb gehört zum Menschen, bei manchen auch in pathologischer Form. Echte Pyromanen waren immer Menschen, die wenig Gefühlsanschluss gehabt haben. Die Wärme haben sie sich im Feuer geholt. Das waren graue Mäuse, durch das Feuerlegen haben sie sich in eine wichtige Position gebracht. Das ist die Selbsterhöhung der eigenen Person.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).