Schöpfung, Exodus, Sintflut und Apokalypse

Gabriel García Márquez ist tot (1927-2014)

Aktuell. Gabriel García Márquez ist tot (1927-2014)

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Der kolumbianische Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez ist tot. Er starb am Donnerstag in seinem Haus in Mexiko-Stadt. Sein Arzt Jorge Oseguera hatte den Gesundheitszustand des 87-Jährigen zuletzt als kritisch beschrieben.

Der kolumbianische Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez hat wie die chilenische Autorin Isabel Allende mit seinen Büchern das Südamerika-Bild von Millionen Menschen geprägt. In den 1960er Jahren löste er einen Run auf südamerikanische Literatur aus, "100 Jahre Einsamkeit" begründete seinen Weltruhm. Er starb am Donnerstag 87-jährig in Mexiko-Stadt im Kreise seiner Familie.

Prägend für Südamerikabild
Manchmal können Bücher Kontinente bewegen: Zumindest literarisch rückte Südamerika den Europäern ein Stück näher, als Gabriel García Márquez' Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" erschien. Denn die Familiensaga aus dem mythischen Urwalddorf Macondo begeisterte auch diesseits des Atlantiks Millionen von Lesern und prägte das Lateinamerikabild von Generationen.

Um den Meister des magischen Realismus war es in den vergangenen Jahren still geworden. Er hatte seit Jahren nichts mehr publiziert, sein Gesundheitszustand war schlecht, nach einer Lungenentzündung wurde er erst vor eineinhalb Wochen aus dem Spital nach Hause entlassen. In der Stunde seines Todes waren seine Frau Mercedes Barcha und seine beiden Söhne Rodrigo und Gonzalo an seiner Seite gewesen.

Geboren wurde Garcia Marquez am 6. März 1927 in Aracataca, in der feuchtheißen Karibikregion Kolumbiens, einem Ort, in dem nicht wenige Leser das Vorbild für das sagenhafte Macondo sehen. Nach seinen Schuljahren am Jesuitenkolleg im kühlen Bogota begann er ein Jusstudium, das er aber nie abschloss. Stattdessen befasste er sich mit angelsächsischer Literatur und begann 1948 in der Hafenstadt Barranquilla als Journalist zu arbeiten. 1955 erschien sein erster Roman, "La Hojarasca" (dt. 1975, "Der Laubsturm").

"Hundert Jahre Einsamkeit"
Das Leben des Gabriel García Márquez ist reich an Anekdoten, wie der, dass er in Barranquilla zeitweilig in einem Bordell wohnte, weil dort die Zimmer billig waren. Auch später war er notorisch klamm, denn als er 1967 "Hundert Jahre Einsamkeit" zu Ende geschrieben hatte und das Manuskript an seinen Verleger in Buenos Aires schicken wollte, reichte das Geld nicht einmal für das volle Porto. Er schickte es daher in zwei Teilen. Zum Glück kamen beide Teile an.

Schöpfung, Exodus, Sintflut und Apokalypse
Denn mit diesem Werk schaffte der Kolumbianer den Durchbruch. Auf geniale Weise verknüpft er darin die Geschichte seines Heimatlandes mit den Mythen der Alten und der Neuen Welt. Historische und mythische Zeit mischen sich unaufhörlich, reale Ereignisse wechseln sich mit fantastischen Begebenheiten ab, wie zum Beispiel der Himmelfahrt der Dorfschönheit Remedios. Der Bürgerkrieg zwischen kolumbianischen Konservativen und Liberalen oder die Machenschaften der United Fruit Company kommen in dem Roman ebenso vor wie die biblischen Motive von Schöpfung, Exodus, Sintflut oder Apokalypse.

Kraftvolles Erzählen
So wurde Garcia Marquez zum vielleicht wichtigsten Vertreter des Booms der lateinamerikanischen Literatur. Zusammen mit dem Peruaner Mario Vargas Llosa, dem Argentinier Julio Cortazar und dem Mexikaner Carlos Fuentes zeigte er einer staunenden Außenwelt, was Lateinamerika literarisch zu bieten hatte. "Es war ein kraftvolles Erzählen, wie man es in Europa damals nicht hatte. Da wurde aus dem Vollen geschöpft", sagt die deutsche Hispanistin Michi Strausfeld, die über Garcia Marquez ihre Doktorarbeit schrieb.

Fantastischen Elemente
Auf "Hundert Jahre Einsamkeit" folgte als nächster großer Roman "Der Herbst des Patriarchen" (1975, dt. 1978). Es ist die Geschichte eines Diktators, in dessen Person sich die Charaktere realer lateinamerikanischer Tyrannen mit fantastischen Elementen mischen, eben typisch magischer Realismus. Der General knechtet sein Volk 232 Jahre lang, bevor er endlich stirbt. Doch erst als die Geier schon den Maschendraht von den Fenstern reißen, trauen sich die Menschen in den Palast, um nachzuschauen, ob er wirklich tot ist.

Literaturnobelpreis 1982
1982 erhielt er den Literaturnobelpreis. Das Preisgeld investierte er in die Gründung der kolumbianischen Tageszeitung "El Otro". In Cartagena hatte er 1994 eine Journalistenschule gegründet.

1985 erscheint der Roman "Die Liebe in den Zeiten der Cholera", der manchen als Garcia Marquez' schönstes Werk und Klassiker der Weltliteratur gilt. 2007 wird die Lebens- und Liebesgeschichte verfilmt.

Zu den bekanntesten Romanen des Nobelpreisträgers zählen "Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt" (1961, dt. 1976) und "Chronik eines angekündigten Todes" (1981). Zuletzt erschien 2004 "Erinnerung an meine traurigen Huren", das den überhohen Erwartungen an einen neuen Garcia-Marquez-Roman aber schon nicht mehr gerecht werden konnte.

Neben den Romanen blieb Gabriel García Márquez auch seiner journalistischen Berufung treu. Dafür steht "Nachricht von einer Entführung" (1996), eine Reportage in Buchformat über die Entführung von zehn kolumbianischen Persönlichkeiten durch das Drogenkartell des Pablo Escobar. "Roman und Reportage sind Kinder einer selben Mutter", schreibt der Autor in seinen Memoiren.

"Vivir para contarla" - "Leben, um davon zu erzählen" heißt dieser Erinnerungsband, der 2002 erschien. Er war als erster von drei Bänden einer Autobiografie gedacht und behandelt die Jahre bis 1955. Damals hatte García Márquez schon eine Krebserkrankung hinter sich.

Die wichtigsten Werke des Literaturnobelpreisträgers
Gabriel García Márquez galt als einer der bedeutendsten spanischsprachigen Schriftsteller. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Allein sein Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" verkaufte sich weltweit über zehn Millionen Mal. Nachfolgend eine Liste seiner wichtigsten Werke:

- "Laubsturm", 1955

- "Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt", 1961

- "Hundert Jahre Einsamkeit", 1967

- "Der Herbst des Patriarchen", 1975

- "Chronik eines angekündigten Todes", 1981

- "Die Liebe in den Zeiten der Cholera", 1985

- "Der General in seinem Labyrinth", 1989

- "Von der Liebe und anderen Dämonen", 1994

- "Leben, um davon zu erzählen", 2002

- "Erinnerungen an meine traurigen Huren", 2004

(APA/Red)