Herbert Prohaska wird 70 und weiß: „Ohne Freunderlwirtschaft geht es nicht“
Seit 25 Jahren erklärt Jahrhundertfußballer Herbert Prohaska seinen Sport im ORF, wird verehrt und geliebt – aber auch für Freunderlwirtschaft und altvaterische Analysen kritisiert. Nun wird er 70 und erwägt seinen Abgang. Begegnung mit einem Mann, dem sein Metier fremd wird.
Herbert Prohaska wirkt erschöpft. 32 Grad Celsius schon um 10 Uhr am Vormittag. Er kneift die Augen zusammen und bestellt Kaffee. Die letzten Tage waren anstrengend. Er war für den ORF unterwegs – wegen einer Doku zu seinem 70. Geburtstag. Auch sonst stapeln sich Anfragen. Sogar eine Kirchen-Zeitung habe sich gemeldet. „Wenn das so weitergeht“, sagt er, „bin ich nach meinem Geburtstag im Burnout.“
Immerhin hat er Unterstützung. Seinen Terminkalender koordiniert Ehefrau Elisabeth, mit der er seit Jugendtagen verheiratet ist. „Ich bin irgendwann draufgekommen, dass sie sich alles merkt. Und ich mir nichts.“ Heute Morgen seien sie gemeinsam alles durchgegangen, „aber ich habe nur einen von zehn Terminen erraten“. Prohaska lacht. Er verfüge zwar über einen eigenen Kalender. Das Problem: „Ich schau nie rein.“
Das Remmidemmi um seine Person ist er gewohnt. Wenn er im TV Spiele analysiert, sehen ihm oft über eine Million Menschen zu. Geht er auf die Straße, ist er schnell von Selfie-Jägern umringt. Selbst beim Essen. Jammern will er darüber aber nicht. Das Autogrammschreiben, sagt er, sei „noch viel anstrengender gewesen“. Und schon damals habe er seinen Spielern immer geraten: „Seid nicht unfreundlich. Ihr werdet einmal froh sein, wenn euch noch jemand erkennt.“
Anfang August wird Prohaska 70 Jahre alt – und ist so populär wie eh und je. Er hat die Geschichte des Landes mitgeschrieben: als Córdoba-Held und Jahrhundertfußballer bei Austria Wien, in Rom und Mailand. Als letzter Teamchef, der Österreich vor 27 Jahren zu einer WM geführt hat. Und als ORF-Chefanalytiker, der es sich sogar erlauben kann, ein ganzes Land mit seinem befehlsartigen „Gute Nacht“ ins Bett zu schicken. Prohaska ist der Übervater des heimischen Fußballs. Eine Nationalikone. Ein Kulturgut. Einer, der immer da war.
Doch nun erwägt er, von der Bildfläche zu verschwinden, wie er profil erzählt. „Manche sagen: Ich bin 70 und fühle mich wie 50. Ich nicht! Ich bin 70 und fühle mich genau so.“ Er finde es schön, noch im Geschäft zu sein, betont er. Doch vieles verändere sich. Der ORF-Sport etwa, für den er seit einem Vierteljahrhundert tätig ist, will gerade moderner werden. Und jünger. „Vielleicht“, sagt Prohaska und zuckt mit den Schultern, „ist nächstes Jahr nach der WM Schluss.“ Im Gespräch merkt man ihm an, dass er mit dem Zeitgeist hadert. Im Fußballbetrieb. Im ÖFB. Im ORF. Vieles sei „professioneller geworden“, sagt er, „aber auch weniger menschlich“. Wird ihm sein eigenes Metier fremd?
Neue Zeiten
Einst wurde er wegen seiner wallenden Locken „Schneckerl“ gerufen. Nun sitzt er mit schütterem Haar im Schanigarten einer Sportbar in Klosterneuburg, wo er seit 40 Jahren lebt. Er trägt T-Shirt, Jeans und Slipper. „So wie heute“, sagt er, „hätte ich mir den Fußball nicht vorstellen können. Die Spieler gehen in die Arbeit – und danach heim. Wir sind nach dem Training auf ein Bier gegangen und haben Schmäh geführt.“ Prohaska hält kurz inne. Dann sagt er: „Die Gagen, die sie heute kriegen, hätte ich gern – aber ansonsten wollte ich nicht tauschen.“
Ich hab immer geglaubt, dass nur gescheite Menschen reich werden können. Seit Stronach weiß ich: Das stimmt nicht!
Herbert Prohaska
über seinen Ex-Chef bei der Wiener Austria
Vor 40 Jahren hat er mit dem Fußballspielen aufgehört, vor 25 Jahren als Trainer. Seither ist Prohaska in den Wohnzimmern des Landes zu Hause wie einst nur Heinz Conrads oder Peter Alexander. Er stieg zum ORF-Chefanalytiker auf. Und zum Erklär-bär der Nation. „Viele Kinder“, schmunzelt Prohaska, „wissen gar nicht, dass ich einmal Fußball gespielt habe.“
Prohaska ist am TV-Schirm nicht sonderlich kritisch, kaum sehr plakativ, manchmal verfällt er gar in einen ziemlich einschläfernden Tonfall. Unterhaltsam ist vor allem sein trockener Wiener Schmäh. Einmal wurde er gefragt, ob Sex vor dem Spiel die Leistung beeinträchtige. Seine Antwort: „Es kommt darauf an, wie lange der Sex dauert.“ Als Prohaska vor 25 Jahren im TV begann, wirkte er noch hüftsteif. Dann aber begann er sich wohlzufühlen. Auch weil mit einigen Kollegen enge Freundschaften entstanden, etwa mit Moderator Rainer Pariasek oder Co-Experte Roman Mählich, den er aus Spielerzeiten kennt. Der ORF sei für ihn zu einer Art Familie geworden, betont er. Prohaska braucht diese Heimeligkeit und Vertrautheit, um aufzublühen. Das hat er früh erkannt.
Seine Eltern, ein Hilfsarbeiter und eine Bedienerin, habe er „nie streiten gehört“, erzählt er. Sie haben immer zusammengehalten in der kleinen Simmeringer Zweizimmerwohnung, in der sie gemeinsam mit dem Großvater lebten. Prohaska ist mit seiner Frau seit 51 Jahren verheiratet, 41 Jahre lang lebte seine Schwiegermutter bei ihnen. Das Wichtigste im Leben, sagt er, seien Familie, Freunde, Treue und Zusammenhalt.
Und nun das.
Sein Freund Rainer Pariasek, mit dem er seit Jahrzehnten vor der Kamera Schmäh führt, steht immer seltener an seiner Seite. Neben Prohaska analysieren nun meist Alina Zellhofer und Frauenfußballstar Viktoria Schnaderbeck. „Die Besten sollen in der Sendung sitzen“, erklärte Schnaderbeck zuletzt. Und: „Wer nicht gut ist, sitzt auf der Bank.“ Prohaska macht ein ernstes Gesicht, hält kurz inne. Dann sagt er: „Der Rainer ist einer der Besten im Land. Der gehört nicht auf die Bank. Er hatte erst seinen Sechziger. Was sie mit ihm machen, ist nicht fair.“
Freundschaft stand für Prohaska immer über dem Geschäft. „Freunde“, sagt er, „sind das Wichtigste im Leben.“ So war das schon in seiner Kindheit. Prohaska wuchs im Arbeiterbezirk Wien-Simmering auf – und hatte wenig. Ihm machte das nichts aus, denn er hatte seine Freunde. Statt auf Urlaub zu fahren, ging er mit ihnen kicken. Einer habe dabei auf den anderen geschaut. „Wenn ein Bub eine Wurstsemmel mithatte und die anderen nichts, hat jeder einmal abgebissen“, erzählt er.
Fußball, Freundschaft, Erfolg
Als Fußballstar hielt er es genau so. Er fuhr mit Mitspielern auf Urlaub, ging ins Kino, half ihnen dabei, einen günstigen Fernsehhändler zu finden. Seine Mitspieler waren keine Arbeitskollegen, sondern Freunde. Auch als Trainer wollte er das fortführen. Als er Anfang der 1990er-Jahre zur Wiener Austria wechselte, nahm er seinen einstigen Mannschaftskollegen Erich Obermayer als Assistenten mit. Als Funktionäre diesen loswerden wollten, schmiss auch Prohaska hin und erklärte trotz zweier gewonnener Meistertitel: „Sucht euch einen neuen Trainer!“
Die Leute rufen mir heute noch auf der Straße zu: ‚Schneckal, da san a poa Huankinda dabei.‘
Herbert Prohaska
über einen legendär gewordenen Live-TV-Moment
Fußball, Freundschaft und Erfolg, das hängt für ihn ursächlich zusammen. Doch der Fußballbetrieb veränderte sich. Die Zeit der elf Freunde wich einem kalkulierten Geschäft. Als Prohaska 1999 zum zweiten Mal seine Austria trainierte, übernahm wenig später der Milliardär Frank Stronach den Klub – und setzte die violette Ikone Prohaska vor die Tür. „Er hat gesagt, der Prohaska muss weg. Wer 0:9 in Valencia verliert (mit dem ÖFB-Nationalteam gegen Spanien, Anm.), der ist kein Trainer.“ Noch heute kiefelt er daran. „Ich hab immer geglaubt, dass nur gescheite Menschen reich werden können“, sagt er. „Seit Stronach weiß ich: Das stimmt nicht!“
Tief enttäuscht wechselte Prohaska zum Fernsehen. „Beim ORF gibt es nicht die große Kohle“, sagt er. „Aber eine sichere.“ Mehrmals pro Woche erschien er nun auf dem Bildschirm – und wurde immer prominenter. Auch weil er polarisierte. Etwa mit seinen Grammatik-Hoppalas. Prohaska verwechselt konsequent den dritten mit dem vierten Fall. „Da haben ihm die Verteidiger übersehen“, sagt er dann. Kritiker warfen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor, seinem Bildungsauftrag nicht gerecht zu werden. Prohaska wischt das beiseite. „Ich soll den Menschen Fußball erklären“, sagt er, „nicht Deutsch.“
Einmal wurde er in einer Sendepause von Kindern mit Papierfliegern beworfen. „Da san a poa Huankinda dabei“, entfuhr es ihm. Blöd nur, dass Mikrofon und Kamera bereits wieder liefen. Geschadet hat ihm das alles nicht. „Die Leute rufen mir heute noch auf der Straße zu: ‚Schneckal, da san a poa Huankinda dabei.‘“
Prohaska konnte viel falsch machen – und wurde trotzdem geliebt. Jüngere Zusehergenerationen stellen jedoch andere Anforderungen. Taktikanalysen rücken in den Vordergrund. In den Studios dominieren heute riesige Videowalls, auf denen Spielszenen mit mathematischer Genauigkeit seziert werden. Prohaska macht da nicht mit. Deshalb wird ihm ein vereinfachender, altvaterischer Blick auf das Spiel vorgeworfen. Prohaska will nichts beschönigen. „Ich analysiere für meine Generation“, sagt er kurz und knapp. Schließlich sei er „kein Wissenschafter. Fußball ist nichts Kompliziertes. Um ihn zu erklären, musst du kein Professor sein.“
Der Simmeringer gilt als Antithese zur zeitgeistigen Fußballwissenschaft. Er sagt, was er denkt. Und lässt sich in kein Schema pressen. Mit seinem Retro-Charme erinnert er an romantische Zeiten, die nicht von sprödem Perfektionismus geprägt waren. Das kommt an. „Es mag mich nicht jeder. Aber neun von zehn wollen mich.“
Auch im Klosterneuburger Schanigarten erntet er wertschätzende Blicke. Ein junger Mann nimmt mit seiner kleinen Tochter am Nebentisch Platz und späht interessiert herüber. Als dem Kind die Suppenschüssel vom Tisch fällt, schmunzelt Prohaska und sagt aufmunternd: „Das kann passieren.“ Dann fällt sein Blick auf die am Boden schwimmende Brühe: „Die armen Frittaten.“ Zuletzt wurde er sogar zum Lebensretter. Als er von seinem Haus in Klosterneuburg auf den Pool im Garten blickte, sah er ein Eichkätzchen ums Überleben strampeln. Prohaska eilte nach unten, schnappte den Kescher und rettete das Tier.
Prohaska hilft gern. Einmal hätte ihn das fast seine Beliebtheit gekostet. Als 2011 der Schweizer Marcel Koller österreichischer Teamchef wurde, kritisierte Prohaska die Entscheidung. Lieber hätte er einen Freund in dem Amt gesehen. Kurz darauf beschrieb er im TV freimütig, wie er seinem Kumpel Andreas Ogris einen Posten im ÖFB besorgen wollte. Nun kippte die Stimmung gegen ihn. Der Experte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – ein Lobbyist für seine Freunde? „Die Kritik an mir war nicht fair“, sagt er heute. „Die Leute haben gesagt: Der Prohaska ist schon ganz deppat!“ Das traf ihn. Dabei habe er sich bloß gefragt, wie man auf einen damals arbeitslosen Schweizer kommen konnte. „Und warum geben wir keinem von uns eine Chance?“ Prohaska sagt, dass er sich „bei keinem Menschen so oft entschuldigt“ habe wie bei Koller. Die Ogris-Intervention verteidigt er aber. „Beim ÖFB arbeiten ja viele ehemalige Fußballer, die auch irgendwer reindreht.“
Er habe „immer versucht, Freunden mit Problemen zu helfen“. Etwa 2014, als er sich als Austria-Berater für seinen Freund Franz Wohlfahrt als Sportdirektor aussprach – und der prompt den Job bekam. Ob er den Vorwurf der Freunderlwirtschaft nachvollziehen könne? „Ohne Freunderlwirtschaft geht es nicht“, sagt er. „Die gehört zum Leben dazu.“ Nachsatz: „Aber vorwerfen kann man mir das nicht. Ich stehe halt zu meinen Freunden.“
Die Welt hat sich verändert. Heute dominieren Compliance-Regeln. Und Ex-Fußballhelden bekommen nicht mehr automatisch hochdekorierte Ämter zugeschanzt. Hätte Prohaska noch immer lieber einen Österreicher als Teamchef? „Der Trainer soll zumindest Deutsch können“, sagt er. „Beim neuen LASK-Trainer (João Sacramento aus Portugal, Anm.) denke ich mir: Der redet so schlecht Englisch wie ich. Wie soll das gehen?“
Und was hält er von Ralf Rangnick, dem umtriebigen Teamchef, der Österreich zurück auf die Fußball-Weltkarte bringen möchte? Prohaska lobt: „So attraktiv wie jetzt haben wir noch nie gespielt“. Es folgt ein giftiger Nachsatz: „Wenn wir nicht zur WM fahren, zählt das nicht – dann hat Rangnick nicht mehr erreicht als Foda und Koller.“ Ob Rangnick den verstaubten ÖFB mit seinem eisernen Willen verändern werde? Prohaska stutzt. Dann erklärt er: „Rangnick ist nicht der Chef des ÖFB. Wenn ihm der Präsident etwas sagt, muss er das befolgen.“
Manche sagen: Ich bin 70 und fühle mich wie 50. Ich nicht! Ich bin 70 und fühle mich genau so.
Herbert Prohaska
über das Älterwerden
Rangnick und Prohaska sind unterschiedliche Typen. Rangnick, der Taktik-Papst, spricht sich öffentlich gegen Freunderlwirtschaft aus und fordert mehr Professionalität. Treffen die beiden im TV-Studio aufeinander, wirkt das etwas hölzern. Rangnick behauptet über sich, noch nie betrunken gewesen zu sein. Prohaska schmunzelt. Er selbst sei lange Biertrinker gewesen, ehe er als Spieler nach Italien wechselte. „Dort haben sie gesagt: Bier ist verboten! Aber Wein kannst du trinken, so viel du willst.“ Prohaska ist ein Genießer. Eine Art österreichischer Italiener. Fährt er mit seiner Frau in die Stadt zum Abendessen, dann mit dem Taxi. „Sonst ist der Schein weg, und ich zahle 5000 Euro Strafe.“ Er habe deshalb entschieden: „Die 5000 Euro verfahren wir das ganze Jahr mit dem Taxi. Und ich brauche nicht nach zwei Gläsern aufhören.“
Als Spieler, sagt er, wurde ihm vorgeworfen, kein gutes Vorbild zu sein. Weil er zehn Zigaretten am Tag rauchte. Das sei aber nichts gewesen im Vergleich zu seinem Ex-Mitspieler Ernst Baumeister. „Der hat sich vor dem Aufwärmen eine am Klo angeraucht und in der Pause eine in der Kabine. Der ist auf 40 Zigaretten am Tag gekommen.“ Gerannt sei er trotzdem „wie eine Maschine. Nur in der Pause hat er sehr viel gehustet.“
Heute achten die meisten Fußballer penibel auf ihre Gesundheit. „Nur mehr die wenigsten rauchen“, sagt er. „Dafür gehen sie ständig in die Kraftkammer.“ Prohaska schüttelt den Kopf. „Jede Woche reißt sich einer das Kreuzband. Das hat es in meiner Zeit nicht gegeben. Die Spieler sind heute extrem muskulös, aber die Sehnen wachsen nicht mit.“
Gute Nacht, ORF?
Er selbst verzichtet bis auf ein paar Tennispartien längst auf Sport. „Beim Fußball bringe ich die schwierigen Dinge nicht mehr zusammen. Und ich will nicht, dass die Kinder sagen: Der ist Jahrhundertfußballer und kann nichts.“ Nach der Karriere hat er es einmal mit Joggen probiert. „Mir haben aber gleich die Knie wehgetan, und ich habe gesagt: Nie wieder!“ Zum Vierziger bekam er ein Mountainbike geschenkt. „Ich bin ausgefahren, bei Gegenwind und Steigung. Das ist auch nix.“ Prohaska lacht: „Um es kurz zu machen: Ich bin zu faul.“
Im Fußballbetrieb wollte er heute nicht mehr arbeiten. Sein TV-Posten dagegen habe viele Vorteile: Mehr Zeit für die Familie, ein ruhigerer Schlaf, kein Druck. „Hätte ich das früher gewusst, wäre ich gleich zum ORF gegangen und nie Trainer geworden.“ Nun aber steht der ORF-Sport in der Kritik. Der Red-Bull-Sender ServusTV überträgt vermehrt Länderspiele, es werden Vergleiche gezogen. „Uns wurde vorgeworfen, wie gut ServusTV bei der Euro war“, klagt Prohaska. „Aber sie waren deshalb erfolgreich, weil sie alle Österreich-Spiele gehabt haben.“ Wären diese im ORF gelaufen, glaubt er, „hätten wir einen Schimpansen ins Studio setzen können und trotzdem die Höchstquoten eingefahren“.
Als Prohaska mit seinem TV-Job begann, war das etwas für Männer, die im Fußballbetrieb nicht mehr gefragt waren und auf diese Weise versuchten, wieder einen Fuß in die Tür zu kriegen. Heute sind die Posten im Fernsehen begehrt und gut bezahlt. Die Ex-Fußballstars Lothar Matthäus und Jan Åge Fjørtoft wurden zu international gefragten TV-Experten, die sich als Entertainer inszenieren. Auch bei ServusTV wirken viele Akteure wie in Red Bull gebadet: im Zuckerrausch. Sie lachen, hüpfen und schreien. Prohaska setzt gelegentlich auf Wiener Schmäh, aber grundsätzlich seien Fußballübertragungen „kein Comedyformat, sondern eine ernste Sache“, erklärt er. „Man soll nicht nur herumblödeln. Wenn es passt, mache ich einen Schmäh – aber nicht auf Befehl.“ Heute dagegen müsse alles peppig sein. „In den 25 Jahren beim ORF habe ich eine Million Mal gehört: Bitte kurze Antworten!“ Prohaska schüttelt den Kopf. „Ich könnte viele Fragen gut beantworten. Aber nicht kurz!“
Der ORF-Sport will moderner, jünger und weiblicher werden. Prohaska wirft ein: „Damit wird man allerdings nicht automatisch besser!“ Die neue ORF-Expertin Viktoria Schnaderbeck kritisierte zuletzt, sie sehe im ORF „immer noch viel mehr Männer“. Prohaska schnauft: „Ich gehe ja auch nirgends hin und sage, da sind zu viele Frauen.“
Sein Vertrag im ORF laufe noch bis August 2026. „Danach könnte Schluss sein“, sagt er.
Zweieinhalb Stunden sitzt er bereits im Schanigarten. Er hat viel erzählt, gelacht und gegrummelt – aber jetzt ist er müde. Da klingelt sein Handy. Seine Frau ist dran, das Mittagessen ist fertig. Prohaska macht sich auf den Weg. „Es hat sich alles ziemlich verändert. Früher wollte ich jedes wichtige Match sehen. Wenn aber heute meine Frau essen gehen will, während eine gute Partie läuft, sage ich ohne zu zögern: Gemma!“