Der Hunde-Sohn
Der Kapitalismus ist raffiniert. Er erfindet nicht nur dauernd neue Produkte, die wir brauchen sollen, um schön und cool zu bleiben; neue Unsicherheiten, neue Trends. Er identifiziert auch immer wieder neue Zielgruppen. Opas und ihre Blasenschwäche, Anti-Falten-Hautpflege für Zehnjährige, mittelalte Frauen mit frechen Kurzhaarschnitten und riesigen Thermosflaschen. Jetzt ganz neu: der Hund. Seit gut 20.000 Jahren lebt er mittlerweile an unserer Seite. Und musste er sich dem Herrchen früher noch strikt unterordnen, ist es jetzt beinahe umgekehrt. Die Mensch-Tier-Beziehung hat sich verändert, und damit lässt sich Profit machen, schließlich leben eine Million Hunde in Österreich. Eine Bestandsaufnahme.
Wie ein kleiner Mensch
Unser Umgang mit Haustieren hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Die artgerechte Haltung von Haustieren, physisch wie mental, nimmt heutzutage mehr Platz ein. Tierquälerei ist absolut Tabu. Das hat man auch erst letztens wieder gesehen, als die Internet-Persönlichkeiten Anni The Duck und Unge unter anderem für ihren vermeintlichen Umgang mit ihren Katzen gecancelt wurden. Die gesellschaftliche Grenze ist klar ausformuliert, niemand will ein schlechter Hundepapa oder eine Katzenmama sein. Ist man es trotzdem, wird man geächtet.
Dabei vermenschlichen wir unsere Haustiere stark. Wir betrachten sie, fast wie Kinder, als besonders schützenswert, besprechen ihre Charaktereigenschaften, ordnen ihnen ein Lieblingsessen zu, feiern ihre Geburtstage, schicken sie zum Friseur, füttern sie im Alter mit CBD gegen die Depression. „Der Waldi mag keine Frauen, unser kleiner Sexist“, „bitte nicht summen, das erinnert Bello an den Staubsauger“. Auf der Videoplattform TikTok dürfen sich Hunde sogar ihre Sexualität und Pronomen aussuchen, bekommen Kommunikationstasten, die sie drücken können, um sich mitzuteilen. „Leckerli“, „raus“, „spielen“. Ein Hund, der beißt und nicht auf Kommandos hört, ist kein „Mistviech“ mehr, sondern ein Angst-“ oder „Stresshund“. Die Vierbeiner sind Familienmitglieder, Bezugspersonen, Kindersatz. Und dementsprechend gehören sie auch ausgestattet.
Bellender Markt
Luxusmarken wie Valentino führen mittlerweile eigene Hunde-Kollektionen, ein Halsband kostet dort satte 290 Euro, bei Prada muss man sogar 520 Euro hinlegen. Online kann man hunderte Hunde-Gadgets bestellen: Tennisball-Kanonen, Pfotenwaschbecher, orthopädische Hundebetten, Hundeschuhe, Hundekleider, Hunde-Kürbis-Kostüme.
Laut den Branchendaten der Wirtschaftskammer gibt es ist Österreich momentan „3.444 aktive Berufszweigsmitglieder aus dem Bereich Tierbetreuer wie Tierschönheitspfleger, Tierpensionen (ausgenommen Pferdepensionen), Tiersitter, Tiertrainer (ausgenommen für den Reit-/Fahrsport), Tiermasseure und Tierbewegungslehrer, Tierernährungsberater“. Im ersten Wiener Gemeindebezirk wurde ein „Flagship Store“ eröffnet, der exklusive Hundeprodukte verkauft, Hunde-Spa inklusive. Der Shop (Wo?) sieht aus wie ein Haute Couture-Geschäft, grauer Beton, edle Ausstattung, teuer, ganz hinten gibt es für rund vier Euro „Puppuccinos“, geschlagenes Schalgobers (oder ist es Milch?) im Becher. Keine zwanzig Minuten entfernt kann man dem Hund ein Hundeeis kaufen.
Hunde dienen als Erweiterung der eigenen Persönlichkeit. Wer zeigen möchte, dass er oder sie jemand ist, muss das auch über den Hund tun. Dementsprechend reicht ein einfaches Halsband längst nicht mehr. Es muss mindestens von Tommy Hilfiger sein. Schließlich will man sich auf der Hundewiese nicht blamieren. Und den kleinen Hunde-Sohn erst recht nicht.