Gerichtsurteil

„Kirchenwirt“: Das Gulasch der Taubenkobel-Gastronomen

Barbara Eselböck und Alain Weissgerber gehen es in ihrem neuen Lokal in Rust simpel an - und überzeugen damit nicht immer.

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Kennen Sie Matthias Strzoda? Falls nicht: Es handelt sich um einen Schlagzeuger und Gitarristen, der musikalisch zur Hamburger Schule gezählt wird. Strzoda hat vor ein paar Jahren einmal ein Lied namens „Tasse Kaffee“ aufgenommen. Sie bringe ihn nach vorn, singt er darin. Immer und immer wieder. Zum Glück sind Geschmäcker verschieden.

Offenbar sind die Wirtsleute Barbara Eselböck und Alain Weissgerber, bekannt aus dem „Taubenkobel“ und als Teil von Österreichs Gastro-Hautevolee, ziemlich große Fans dieses Liedes. Wir hören es in ihrem neuen, in Rust gelegenen Lokal „Kirchenwirt“ jedenfalls mehrfach. Möglicherweise soll das auch eine gewisse edginess demonstrieren, hier im ehemaligen „Rusterhof“. Drinnen gibt es außerdem Kunst und grünes Mobiliar – sehr schön geworden.

In der Küche steht Karlheinz Ruttmann, der früher im Freisinger Hof in München tätig war. Ruttmans Küche hier in Rust ist tendenziell niederschwellig: Die Blunzendalken als Vorspeise passen vermutlich in keinen Diätplan dieser Welt. Zwischen die Dalken und die Rahmgurken haben sich noch Rotweinschalotten geschoben. Ihnen kommt eine auflockernde Funktion zu. Aber Fett ist ja bekanntlich auch ein Geschmacksträger, und davon hat diese Vorspeise sicher nicht zu wenig. Optisch so gar nichts her macht die (geschmacklich dafür hervorragende) Tafelspitz-Sulz mit marinierten Rindfleischscheiben (Bild unten). Bei allem Respekt: Der Teller ist für das Auge ein einziger Brei. Irgendwo unter verschiedenen Salaten versteckt sich das edle Fleisch – und dazu gibt es gute Nachrichten: Die Sulz besteht nicht nur aus Gelee, sonders aus richtig viel Fleisch, die Rindfleischscheiben daneben sind super abgeschmeckt. Auf den ersten Blick hätte ich die zu einem Salat verarbeiteten Radieschen noch für unnötig gehalten, ihnen kommt aber eine ähnliche Funktion zu wie den Rotweinschalotten: Sie lockern ein bisschen auf – und setzen pikante Akzente.

Zu den Hauptspeisen: Das Rindsgulasch (Bild ganz oben) ist tadellos, das Fleisch sehr zart, es wurde viel Zwiebel verarbeitet und, um es kurz zu machen, es schmeckt so, wie es schmecken soll. Im wahrsten Sinn des Wortes um Butternockerl handelt es sich bei der Beilage – die Nockerl haben beim Schwenken ein bisschen zu viel von dem Milchprodukt abbekommen. Auch die Beilage zu den sauren Kalbsnieren ist nur semi-gut gelungen. Die Konsistenz des Erdäpfelpürees ist zumindest diskutabel, nämlich schon kurz vorm Aggregatzustand „Erdäpfelsauce“. Die darauf drapierten Butterbrösel machen es noch flüssiger – und auch noch fetter. Zu den Nieren selbst: Saure Kalbsnieren (Bild unten) mögen vielleicht wie einfache Hausmannskost wirken, doch der Schein trügt. So was muss man schon zubereiten können, sonst schmeckt die Innerei wie, nun ja, man kann es sich denken. Ruttmann ist dafür aber Profi genug.

Auch bei der Dessertauswahl geht es beim „Kirchenwirt“ zünftig zu: Zwischen Marillenpalatschinken, Milchrahmstrudel und Schokoknödel findet sich aber auch eine etwas weniger deftige, schnurstracks in Richtung sauer-sommerlich marschierende Topfen-Zitronencreme (Bild unten). Die steht recht fest inmitten eines Rhabarberragouts – ein Minzblatt kommt auch noch dazu –, und schon ist der ganze Zauber fertig.

Mit Fortschreiten des Abends wird die Musik – Voodoo Jürgens sei Dank – besser. Warum ich so darauf herumreite? Die Musikauswahl steht exemplarisch für die Unentschlossenheit des „Kirchenwirts“: Bodenständig soll es hier sein, deshalb setzt man Innereien wie Kutteln auf die Karte und präsentiert das Essen sehr schlicht (wirklich preiswert ist es deswegen freilich nicht). Gleichzeitig ist man aber auch so beinhart modern unterwegs, dass es insgesamt einfach nicht ganz stimmig wirkt. Egal wie viele Tassen Kaffee ich noch trinke, so richtig nach vorn bringt mich der Ruster „Kirchenwirt“ leider nicht.

Stimmung: Beuschel zu Tocotronic  
Empfehlung: Vorsicht bei der Parkplatzsuche, in Rust sind die Störche unterwegs 
Preisverhältnis: Vorspeisen 16–20 Euro, Hauptspeisen 17–33 Euro, Dessert 7–12 Euro 

Zum Kirchenwirt
Rathausplatz 18
7071 Rust 
kirchenwirt-rust.at

Stephan Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.